Über Nutzen und Schaden aufklären |
08.04.2014 16:51 Uhr |
Von Iris Hinneburg, Halle / Früherkennungsuntersuchungen haben nicht nur Vorteile: Nicht immer nützen sie tatsächlich und können unter Umständen sogar schaden. Das sollten Verbraucher wissen, um eine informierte Entscheidung treffen zu können.
Wer eine Krebsfrüherkennungsuntersuchung in Anspruch nimmt, knüpft daran in der Regel beträchtliche Hoffnungen: So soll eine mögliche Erkrankung in einem frühen Stadium diagnostiziert werden, um eine schonende und erfolgreiche Behandlung zu ermöglichen. Im Idealfall ist eine Heilung möglich und der Patient gewinnt an Lebenszeit. Doch dieses Szenario ist keineswegs der Regelfall: Der Nutzen der Früherkennung kann deutlich niedriger ausfallen als erhofft, und auch schädliche Folgen sind möglich. Darauf wiesen Professor Dr. Ingrid Mühlhauser, Gesundheitswissenschaftlerin an der Universität Hamburg, und Dr. Klaus Koch vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bei einem Workshop hin, der im Rahmen der Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin Mitte März in Halle stattfand.
So kann der Nutzen einer Früherkennungsuntersuchung etwa fehlen, wenn das Ergebnis des Screenings keine Auswirkungen auf die Therapie und deren Erfolg hat. »Frühere Diagnose heißt nicht immer verlängerte Lebenszeit«, sagte Koch. Auch birgt jedes diagnostische Verfahren das Risiko von falsch negativen Befunden, und Tumore können sich auch in dem Zeitfenster zwischen zwei Screeninguntersuchungen entwickeln (Intervallkarzinome).
Schaden ist möglich
Dem gegenüber steht ein möglicher Schaden durch die Früherkennung: Neben möglichen falsch positiven Befunden und der daraus entstehenden psychischen Belastung seien vor allem Überdiagnosen und Übertherapien problematisch, so Koch. Denn nicht jede Zellveränderung führt auch automatisch zu einer Krebserkrankung. So gebe es bei vielen Krebsarten Tumore, die gar nicht oder nur sehr langsam wüchsen, in manchen Fällen sich sogar zurückbildeten. Allerdings sei es schwierig, solche Tumore von gefährlichen Karzinomen zu unterscheiden. Werden Zellveränderungen entdeckt, erhalte der Patient deshalb in vielen Fällen eine Therapie, ohne dass er dafür Lebenszeit gewinnt. »Im Gegenteil: Erst einmal kostet die Diagnose Lebensqualität«, betonte Koch. »Im schlimmsten Fall kann es sogar Lebenszeit kosten, wenn aggressive Therapien mit Risiken eingesetzt werden.«
In vielen Fällen ist die Studienlage zu Nutzen und Schaden der Krebsfrüherkennung alles andere als eindeutig. Deshalb kann auch die Einschätzung von Experten deutlich voneinander abweichen. Das zeigen etwa kürzlich veröffentlichte Berichte zum Mammografie-Screening: So hat ein Schweizerisches Fachgremium empfohlen, bestehende Programme zu befristen und keine neuen einzuführen, während der niederländische Gesundheitsrat zu der Einschätzung kam, dass die Vorteile deutlich größer seien als mögliche Schäden.
Individuelle Entscheidung
Für Patienten ist es wichtig, dass die entsprechenden Informationen zugänglich sind. »Die Patienten sollen in der Lage sein, Nutzen und Schaden zu beurteilen«, forderte Mühlhauser. Denn nur so könne jeder eine persönliche Entscheidung treffen. Dazu benötigen Verbraucher aber sachliche und ausgewogene Informationen. »Die Art und Weise, wie man kommuniziert, kann die Entscheidung beeinflussen«, so Koch. Emotionale Kampagnen für die Teilnahme an Programmen zur Krebsfrüherkennung behinderten eher die informierte individuelle Entscheidung.
Ausgewogene und verständliche Entscheidungshilfen für Patienten, die detaillierte Angaben zu Nutzen und Schaden eines Programms enthalten, sind jedoch immer noch selten. »Es fühlt sich bisher niemand verpflichtet, diese Entscheidungshilfen zu erstellen«, bemängelte Mühlhauser. Das könnte sich zukünftig aber ändern: Der Nationale Krebsplan formuliert als ein Ziel, die informierte Entscheidung über die Teilnahme an der Krebsfrüherkennung zu stärken. Dazu sollen unter anderem einheitliche und qualitativ hochwertige Informationsmaterialien entwickelt und evaluiert werden. /
Rund 10 Prozent der Deutschen leiden an behandlungsbedürftigen Schlafstörungen. Medikamente werden zur Behandlung nicht mehr generell empfohlen.
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Schlägt die Verhaltenstherapie nicht an oder kann nicht durchgeführt werden, kommen zur medikamentösen Behandlung in erster Linie Benzodiazepine, Z-Substanzen und sedierende Antidepressiva in Betracht. Zugelassen für die Kurzzeitbehandlung isolierter Schlafstörungen sind Flunitrazepam, Flurazepam, Lormetazepam, Nitrazepam, Temazepam und Triazolam. Aber auch Clonazepam und Diazepam werden gelegentlich off Label eingesetzt.
Medikamente nur kurzzeitig
Die Benzodiazepin-Rezeptoragonisten Zolpidem und Zopiclon haben sich im kurzfristigen Gebrauch von drei bis vier Wochen als effektiv und gleich gut wirksam wie die klassischen Benzodiazepine erwiesen, so eine Aussage der aktualisierten Leitlinie (DOI: 10.1007/s11818-016-0097-x). Ihr Vorteil seien kürzere Halbwertzeiten und damit weniger ausgeprägte Hangover-Effekte und Beeinträchtigungen am nächsten Tag. Eine generelle Empfehlung zur Langzeitbehandlung mit den Z-Substanzen wird aufgrund der Datenlage und möglicher Nebenwirkungen und Risiken nicht ausgesprochen. Verschreibungspflichtige Sedativa sollten in der Regel nicht länger als vier Wochen eingenommen werden.
Als effektiv habe sich auch eine Kurzzeitbehandlung mit sedierenden Antidepressiva gezeigt. Einziges Antidepressivum mit einer Zulassung für isolierte Schlafstörungen in Deutschland ist Doxepin. Ebenfalls angewendet werden Agomelatin, Amitriptylin, Trazodon, Trimipramin und Mirtazapin. Kontraindikationen wie Leberfunktionsstörungen müssen zu Beginn und im Verlauf der Therapie geprüft werden. Auch hier spricht die Leitlinie keine generelle Empfehlung für eine Langzeittherapie aus.
Antipsychotika werden aufgrund der unzureichenden Datenlage und der Nebenwirkungen nicht zur Behandlung von Insomnien empfohlen, außer für gerontopsychiatrische Patienten, bei denen gegebenenfalls niedrig potente Antipsychotika als Schlafmittel gegeben werden können. Zugelassen sind dafür Melperon und Pipamperon. Ebenfalls geeignet zur Sedierung sind Quetiapin, Olanzapin, Prothipendyl, Chlorprothixen und Levopromazin, allerdings sind die komplexen Nebenwirkungsspektren zu beachten.
Für alle anderen Medikamente wertet die federführende Deutsche Gesellschaft für Schlafmedizin die Evidenzlage als unzureichend und macht keine weiteren Empfehlungen. Davon betroffen sind die Antihistaminika Diphenhydramin, Doxylamin und Hydroxyzin sowie Promethazin. Gleiches gilt für Phytopharmaka sowie Melatonin, wobei Letzteres ein besseres Nebenwirkungsprofil als die herkömmlichen verschreibungspflichtigen Schlafmittel aufweist.
Zu den pflanzlichen Schlafmitteln merkt die Leitlinie an, dass die Europäische Arzneimittelagentur aufgrund einer gut etablierten oder traditionellen Verwendung eine Empfehlung für Baldrianwurzel, Passionsblume und Melissenblätter ausgesprochen hat. Alternative Methoden wie Akupunktur, Aromatherapie, Homöopathie, Meditation und Reflexzonenmassage sowie Bewegung und entspannende Sportarten werden aufgrund unzureichender Datenlage derzeit nicht offiziell empfohlen. /