Opioide gegen unruhige Beine |
08.04.2014 14:19 Uhr |
Von Maria Pues, Frankfurt am Main / Patienten, die nicht an Schmerzen leiden, mit Opioiden zu behandeln, erscheint auf den ersten Blick wenig vernünftig. Die Arzneistoffe können aber auch Beschwerden durch ein Restless-Legs-Syndrom lindern, wenn andere Therapieoptionen versagen.
Die Behandlung von Restless-Legs-Patienten mit Opioiden ist derzeit eine Off-Label-Therapie. Eine aktuelle Untersuchung belegt aber deren Wirksamkeit, sagte Professor Dr. Magdolna Hornyak, München, beim Schmerz- und Palliativkongress in Frankfurt am Main. In der im vergangenen Jahr in »The Lancet Neurology« veröffentlichten doppelblinden, randomisierten Untersuchung sei eine Kombination aus Oxycodon und Naloxon gegen Placebo getestet worden (doi: 10.1016/S1474-4422(13)70239-4). »Das war die erste Studie an einem großen Patientenkollektiv, die die Wirksamkeit von Opioiden bei einer neurologischen Erkrankung zeigte«, so die Referentin.
Studie mit Oxycodon
Die Patienten der Verumgruppe erhielten zweimal täglich eine Startdosis von 5 mg Oxycodon und 2,5 mg Naloxon als Retard-Arzneimittel. Die Dosierung konnte innerhalb der ersten sechs Studienwochen auf maximal zweimal täglich 40 mg Oxycodon und 20 mg Naloxon gesteigert werden. Die in den ersten sechs Wochen individuell erreichte Dosis wurde für weitere sechs Wochen beibehalten.
Nach einer einwöchigen Auswaschphase erhielten Interessierte aus beiden Gruppen in einer offenen Extensionsphase über 40 Wochen zweimal täglich die Kombination aus mindestens 5 mg Oxycodon und 2,5 mg Naloxon. Ausmaß und Veränderung der Beschwerden wie Beinunruhe und Beeinträchtigung der Lebensqualität wurden mithilfe der Internationalen RLS-Schweregrad-Skala (IRLS-Skala) quantifiziert. Dabei handelt es sich um eine validierte Selbstbeurteilungsskala, die maximal 40 Punkte zulässt.
Die Patienten erreichten zu Beginn der Studie durchschnittlich 31,6 Punkte auf der IRLS-Skala. Das entspricht einem sehr schweren RLS. In der Verumgruppe halbierte sich dieser Wert in der ersten Studienphase auf durchschnittlich 15,1 Punkte (mittelschweres RLS), in der Placebogruppe sank er auf 22,1 Punkte (schweres RLS). In der 40-wöchigen offenen Phase fiel der Wert auf durchschnittlich 9,7 ab, was einem leichten RLS entspricht.
Die Nebenwirkungen entsprachen den Erwartungen: Müdigkeit, Übelkeit und Obstipation. Diese traten bei knapp drei Viertel der Teilnehmer in der Verumgruppe auf, 13 Prozent brachen die Therapie deswegen ab. Zu Nebenwirkungen kam es aber auch bei 43 Prozent der Probanden in der Placebogruppe, hier brachen 7 Prozent ab.
Die durchschnittliche tägliche Dosis lag in der ersten Studienphase bei 22 mg Oxycodon. Die eingeforderte Dosis in der Placebogruppe habe hingegen 35 mg betragen – »ein Zeichen für die fehlende Wirksamkeit des Scheinmedikaments«, so Hornyak. In der offenen Phase betrug die durchschnittliche tägliche Dosis 18 mg täglich. Diese liege erheblich niedriger als in der Schmerztherapie, berichtete die Ärztin. Bemerkenswert war, dass die Wirkung in der offenen Studienphase stabil blieb. »Die Patienten erhöhen die Dosis nicht«, betonte die Referentin.
Opioide kommen meistens bei schwerem Restless-Legs-Syndrom (siehe Kasten) zum Einsatz oder wenn die in erster Linie verwendeten Dopaminagonisten nicht wirken oder nicht vertragen werden. Sie können auch eine Therapieoption bei Augmentation darstellen. Dabei handelt es sich um die wichtigste Komplikation unter einer Therapie mit L-Dopa oder Dopaminagonisten.
Problemfall Augmentation
Die Augmentation ist keine Toleranzentwicklung, sondern eine paradoxe Reaktion, die sich in einem Nachlassen der Arzneimittelwirkung zeigt und deren Pathomechanismen bisher ungeklärt sind. Häufig tritt sie erst nach einer Behandlungsdauer von mehr als einem Jahr auf. Patienten bemerken, dass ihre Beschwerden früher beginnen als gewohnt, stärker auftreten und/oder sich auch auf bisher nicht betroffene Körperregionen ausbreiten.
Eine Dosiserhöhung kann eine Augmentation weiter verstärken. »In einem solchen Fall muss man die dopaminerge Medikation absetzen und die Therapie umstellen«, sagte die Neurologin. Bislang stünden für betroffene Patienten aber keine zugelassenen Substanzen zur Verfügung. Durch die vorgestellte Studie habe man nun eine wissenschaftlich fundierte Alternative zur dopaminergen Therapie, so Hornyak abschließend. /
Führendes Symptom des Restless-Legs-Syndroms (RLS) ist ein Bewegungsdrang, vor allem in den Beinen, der häufig mit Parästhesien verbunden ist. Die Beschwerden treten hauptsächlich abends und nachts auf und verschlimmern sich in Ruhe. Durch Bewegen der Beine lassen sich die Symptome lindern. Der oft hohe Leidensdruck der Patienten entsteht nicht zuletzt durch einen gestörten Schlaf. Welche Pathomechanismen dem RLS zugrunde liegen, ist nicht geklärt. Studien geben Hinweise darauf, dass nicht nur das zentrale dopaminerge System, sondern auch das opioiderge System, eine Disinhibition (eine Hemmung der Hemmung) corticospinaler Bahnen und Veränderungen im Eisenstoffwechsel eine Rolle spielen. Mediziner unterscheiden ein primäres, idiopathisches RLS von einem sekundären RLS, das in der Folge anderer Erkrankungen oder einer Pharmakotherapie entsteht. Dazu gehören eine dialysepflichtige Niereninsuffizienz, Eisenmangel oder eine rheumatoide Arthritis. Arzneistoffe, die ein RLS auslösen können, sind beispielsweise Mirtazapin und Metoclopramid. Auch während einer Schwangerschaft kann es zu RLS-Beschwerden kommen.