Zwischen Markt und Planung |
10.04.2012 14:58 Uhr |
Von Werner Kurzlechner, Berlin / Der Sinn wettbewerblicher Elemente im Gesundheitswesen und die Bedeutung der Gesundheitswirtschaft werden mittlerweile kaum noch bestritten. Umso beträchtlicher sind allerdings die Unterschiede in der Akzentuierung von Planung auf der einen und Markt auf der anderen Seite.
Die Kontraste zwischen schwarzer und roter Interpretation des Gesundheitswesens schärften sich, als Dr. Norbert Arnold zentrale Aussagen Armin Langs dezidiert angriff. »Sie hängen einem sehr paternalistischen Weltbild nach«, wandte sich Arnold, Teamleiter Gesellschaftspolitik der Konrad-Adenauer-Stiftung, direkt an Lang.
Soll man die Zukunft des Gesundheitsmarktes strategisch planen wie ein Schachspiel oder dem Markt freien Lauf lassen? Darüber gehen die Meinungen auseinander.
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Diesen hatte die Initiative Gesundheitswirtschaft (IGW) vergangene Woche in Berlin als sozialdemokratischen Gesundheitspolitiker und Vertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung eingeladen. Und Lang plädierte zwar einerseits für eine Stärkung der Patientenrechte, schränkte andererseits aber allzu große Erwartungen an mündige und mit Ärzten auf Augenhöhe diskutierende Patienten ein. »Ich habe da keine Illusionen«, sagte SPD-Mann Lang. »Die große Mehrheit ist auf dem Patientenstuhl ganz schön hilflos und abhängig.«
Der in CDU-Diensten forschende Arnold hatte zuvor gerade gegen ein holzschnittartiges Patientenbild angeredet, indem er detailliert verschiedene Milieugruppen unterschied. Die weit verbreitete Differenzierung alleine nach Schichtzugehörigkeit greife zu kurz, weil es in allen Einkommensgruppen diverse Lebensstile gebe, führte Arnold aus.
Patienten stellen unterschiedliche Ansprüche
Demnach gebe es am einen Ende der Skala zahlungsbereite und in höchstem Maße aufgeklärte Gruppen, denen ihre Gesundheit höchst wichtig sei, am anderen Ende Menschen mit geringem Einkommen, denen kurzfristige Genusserfüllung über alles gehe und die sich über Prävention keine Gedanken machten. »In diesem Milieu wird nicht einmal die Apotheken Umschau gelesen«, witzelte Arnold, der vor allen Dingen aber die diversen Abstufungen zwischen diesen Extremen betonte. Die Kernbotschaft: Es müsse zukünftig gelingen, die verschiedenen Milieus allesamt gezielt anzusprechen und im Rahmen ihrer Kräfte und Präferenzen Versorgungsspielräume zu eröffnen. Gefragt sei ein Wandel des »Versorgungsstaates« zum »Gewährleistungsstaat«, forderte Arnold in klarem Gegensatz zum Sozialdemokraten Lang. Zentral sei überdies, mit Gesundheitsbildung bereits in der Schule zu beginnen.
Volkswirtschaftliches Potenzial ist groß
Es wurde also durchaus kontrovers diskutiert während der IGW-Veranstaltung. Allerdings lag Armin Lang mit der Bemerkung nicht falsch, dass die Leitfrage »Zukunft Gesundheitswirtschaft: Zwischen Planung und Markt« nicht gänzlich treffend gestellt sei. Denn die Richtigkeit des IGW-Ansinnens, neben der Kostenseite der Gesundheitspolitik auch das volkswirtschaftliche Potenzial der Branche in den Fokus zu rücken, bestritt kein Podiumsteilnehmer. Ebenso plädierten alle für einen Mix aus staatlicher Kontrolle und wettbewerblichen Elementen.
Umso unterschiedlicher waren indes die jeweiligen Akzentuierungen und tagesaktuellen Schlussfolgerungen. Während Lang etwa den »gleichen Zugang für alle« zu Gesundheitsleistungen betonte, plädierte Marcus Bracklo, Vorstandsvorsitzender des Hygieneunternehmens Vanguard AG, dafür, mehr als bisher dem Markt zu vertrauen. Thomas Klöss, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Halle an der Saale, stützte Arnolds These, dass die Patienten meist genau wüssten, was sie wollten. Zugleich äußerte Klöss die Sorge, dass der Staat in der Praxis selbst seiner Gewährleistungsaufgabe nicht immer nachkomme. Der Mediziner nannte als Beispiel die Kontrolle von nach Sterilisation wiederverwendeten Medizinprodukten, wie sie Bracklos Unternehmen herstellt.
Nachdem das 20. Jahrhundert die Ära der Leistungserbringer gewesen sei, sei mittlerweile das Jahrhundert der Patienten angebrochen, erklärte programmatisch Andreas Meusch, Leiter der Landesvertretungen der Techniker Krankenkasse (TK). Zum Wohle der Patienten sei man als Kasse auch bereit, sich auf Wettbewerb einzulassen – »sofern man uns denn lässt«.
Meusch kritisierte in diesem Zusammenhang, dass derzeit das »zarte Pflänzchen« Integrierte Versorgung einzugehen drohe, obwohl die TK am Ausbau derartiger Verträge höchst interessiert sei. Das liege nicht einmal am Auslaufen der Anschubfinanzierung, sondern an bürokratischen und rechtlichen Hürden bei der Partnerauswahl. Die Kassen hätten es versäumt, sich beim Gesetzgeber rechtzeitig für die Integrierte Versorgung stark zu machen, sagte Meusch selbstkritisch. Zugleich habe es die Gesundheitspolitik versäumt, mit dem neuen Versorgungsstrukturgesetz die Versorgung psychisch Kranker zu verbessern, kritisierte der Kassenvertreter. /