Neuer Wirkstoff in den USA |
10.04.2012 16:28 Uhr |
Von Mario Wurglics und Manfred Schubert-Zsilavecz / Auch nach Einführung der antiretroviralen Therapie stellen Durchfallerkrankungen bei HIV-Patienten ein großes Problem dar. Mit Crofelemer steht in den USA ein neuer Wirkstoff vor der Zulassung.
In der Zeit vor der antiretroviralen Therapie (ART) litten bis zu 80 Prozent aller HIV-Infizierten unter Durchfällen. Ursache dafür waren in erster Linie opportunistische Infektionen. Mit Einführung der ART und der damit einhergehenden Aufrechterhaltung der Immunabwehr der Patienten konnte die Zahl der Diarrhöen massiv gesenkt werden.
Foto: Fotolia/Nedjo
Dennoch treten bei circa 15 Prozent der Patienten auch unter ART immer wieder Durchfälle auf. Zumeist kann dabei kein Erreger identifiziert werden; die Symptomatik wird dabei entweder HIV selbst oder der ART zugeschrieben. Die Diarrhö kann dabei Ausmaße annehmen, die Einschränkungen der Therapie beziehungsweise deren Abbruch nach sich ziehen können. Unter den antiretroviralen Wirkstoffen sind es neben den Nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren vor allem die Protease-Inhibitoren, zum Beispiel Ritonavir, die diese Nebenwirkung verursachen.
Für die Behandlung der HIV-assoziierten Diarrhö wurde in den USA jüngst für Crofelemer der Zulassungsantrag gestellt. Crofelemer ist eine komplexe Mischung verschiedener Proanthocyanidin-Oligomere, die aus dem Harz der südamerikanischen Pflanze Croton lechleri, einem Wolfsmilchsgewächs, gewonnen wird.
Wirkmechanismus geklärt
Der Wirkmechanismus von Crofelemer konnte im Laufe eines 15-jährigen Entwicklungsprogramms weitgehend aufgeklärt werden. Crofelemer besitzt eine antisekretorische Wirkung, die auf einer Hemmung von Chloridkanälen, vorwiegend dem CFTR-Kanal (Cystic Fibrosis Transmembrane conductance Regulator) und dem calciumaktivierten Chloridkanal (CaCC), im Gastrointestinaltrakt beruht. Bei einer Diarrhö kommt es zu einer Dysbalance der intestinalen Resorption und Sekretion von Elektrolyten und Wasser. Eine zentrale Rolle spielt dabei der CFTR-Kanal, der im Kontext einer Diarrhö vermehrt exprimiert wird. Dies führt zu einer vermehrten Sekretion von Chloridionen in das Darmlumen, gefolgt von einer in passiven Diffusion von Natriumionen und Wasser (Abbildung). Die gesteigerte Chloridionen-Sekretion kann dabei durch unterschiedliche Trigger ausgelöst werden, unter anderem durch Bakterientoxine, Serotonin, Entzündungsmediatoren oder durch Arzneistoffe wie Protease-Inhibitoren.
Studienergebnisse
In In-vitro- und In-vivo-Studien hat Crofelemer eine Hemmung der Chlorid-ionen-Sekretion und damit eine verminderte Flüssigkeitsansammlung im GI-Trakt gezeigt, wobei die Darmmotilität nicht beeinflusst wurde. Da Crofelemer nicht systemisch verfügbar ist, beschränkt sich dessen Wirkung auf Calciumkanäle des GI-Traktes.
Die Phase-III-Studie ADVENT wurde im Dezember 2011 beendet. Eine vollständige Auswertung der Daten liegt noch nicht vor. Nach einer Zwischenauswertung wurde die Studie mit der niedrigsten Dosis (zweimal täglich 125 mg) fortgeführt, da höhere Dosen bis zu zweimal täglich 500 mg keinen Zusatznutzen erbrachten. Die Gabe von zweimal täglich 125 mg Crofelemer reduzierte die Anzahl wässriger Stühle auf zwei innerhalb von zwei Wochen und war damit Placebo bei gleichzeitig guter Verträglichkeit statistisch signifikant überlegen.
Crofelemer besitzt eine antisekretorische Wirkung, die auf einer Hemmung von Chloridkanälen, vorwiegend dem CFTR-Kanal und den calciumaktivierten Chloridkanälen, im Gastrointestinaltrakt beruht. Bei einer Diarrhö kommt es zu einer vermehrten Sekretion von Chlorid-ionen in das Darmlumen. Den Chloridionen folgen in passiver Diffusion Natriumionen und Wasser. Die gesteigerte Chloridionen-Sekretion kann durch unterschiedliche Ursachen ausgelöst werden, unter anderem durch Bakterientoxine, Serotonin, Entzündungsmediatoren oder Arzneistoffe (zum Beispiel Protease-Inhibitoren).
Weitere Einsatzgebiete
Neben dem Einsatz von Crofelemer bei der HIV-assoziierten Diarrhö ist auch dessen Einsatz bei Reisediarrhö sowie beim Reizdarmsyndrom denkbar. Auch die Anwendung von bei Durchfallerkrankungen von Kindern ist vorstellbar.
Das Zulassungsverfahren wird aktuell von einem Rechtsstreit zwischen dem ursprünglichen Entwickler von Crofelemer, Napo Pharmaceuticals, und der Partnerfirma Salix Pharmaceuticals, die das Zulassungsverfahren vorantreiben soll, begleitet. Napo Pharmaceuticals wirft dem Partnerunternehmen ein zu langsames Vorgehen vor und hat die Verträge einseitig gekündigt. Salix Pharmaceuticals bestreitet jedoch die Vorwürfe und gibt an, dass die Kündigung nicht rechtskräftig sei. Welche Auswirkungen dieser Rechtsstreit auf die Zulassung dieses neuen Antidiarrhoikums hat, lässt sich derzeit nicht abschätzen. /
Literatur bei den Verfassern