Pharmazeutische Zeitung online
Pharmacon-Konzert

Meisterklasse in Meran

10.04.2012  11:48 Uhr

Von Barbara Haack / Fünf Musikerinnen zeigen in diesem Jahr in Meran ihr Können. Beim Konzert am 4. Juni gestalten die hoch­begabten jungen Frauen ein ebenso vielseitiges wie spannendes Programm.

Alexander Borodin lebte von 1833 bis 1887, wurde also nur 54 Jahre alt. Wie der dreifache Vater in diesem vergleichsweise kurzen Leben zugleich als Wissenschaftler und als Komponist große Erfolge erzielen konnte, ist der Nachwelt bis heute ein Rätsel. Früh entdeckte er seine Leidenschaft für die experimentelle Chemie und für die Medizin, war als Arzt tätig, hatte eine Professur für organische Chemie an der Akademie in St. Petersburg und betrieb Forschungen.

 

Weltweit bekannt wurde Borodin allerdings eher als Komponist. Als Mitglied der berühmten »Gruppe der Fünf«, einer stilistisch in der Romantik beheimateten Gruppe russischer Komponisten, schuf er Orchester- und Opernwerke, darüber hinaus wunderbare Kammermusik, die bis heute regelmäßig in Konzertsälen erklingt. Dazu gehört sein Streichquartett Nr. 2, das sich durch ein Neben­einander von wehmütig gefärbter Innerlichkeit und vitalem russischen Schwung auszeichnet.

Interpretiert wird das Werk im Meraner Konzert durch das »Quartetto Mobile«, einer Kammermusikformation, die sich aus vier 16- bis 17-jährigen jungen Damen zusammensetzt. Caroline Frey und Xenia Geugelin an der Geige, Shih Yu Tang an der Bratsche und Nina Behrend am Cello kommen aus dem Südwesten der Republik und haben sich für den Wettbewerb »Jugend musiziert« zum Streichquartett formatiert. Auf Anhieb schafften sie beim Bundeswettbewerb 2011 den ersten Bundespreis: für die jungen Musikerinnen allerdings keine ganz neue Erfahrung, denn in anderen Solo- wie Kammermusikwertungen durften sie sich auch in den Vorjahren über hohe Auszeichnungen freuen. Dass Shih Yu Tang beispielsweise neben dem ersten Preis in der Kammermusik im gleichen Jahr einen ebensolchen in der besonders hart umkämpften Wertung »Klavier solo« erhielt, steht wie nebenbei in ihrer Vita.

 

Welches Engagement, welche Leidenschaft für die Musik, welche Disziplin und Bereitschaft, auf anderes zu verzichten, einer solchen Leistung vorausgehen, mag der Zuhörer allenfalls erahnen. Das Quartett jedenfalls ist seit diesem Erfolg »gut im Geschäft«: Ihr Wettbewerbsrepertoire haben sie inzwischen um mehrere Werke erweitert, mit der Interpretation von Erwin Schulhoffs erstem Streichquartett wurden sie im Herbst 2011 gleich noch einmal ausgezeichnet und gewannen den ersten Preis in der Kategorie »Verfemte Musik« beim »Wochenende der Sonderpreise« in Freiburg.

 

In Sachen Vielseitigkeit eifern sie dem Komponisten Borodin im Übrigen durchaus nach. Das beginnt bei der Vielzahl von Instrumenten, die die vier neben den im Quartett verwendeten spielen: Das Spektrum geht vom Gesang über weitere Streichinstrumente bis zum Klavier. Alle sind musikalisch vielseitig engagiert: In Schulprojekten, Jugendorchestern und Konzerten. Shih Yu Tang hat bereits Soloabende mit eigenen Kompositionen gegeben – und Xenia Geugelin war Erste Deutsche Steptanz-Meisterin in der Kategorie »Kids«. Als Quartett stellen sie inzwischen eine feste Größe im Konzertleben ihrer Region dar, zuletzt haben sie sich beim Kammermusikkurs des Deutschen Musikrats unter die Fittiche des Fauré Quartetts, einer der renommiertesten Formationen in dieser Besetzung, begeben. Dort haben sie viel gelernt, um ihr eigenes Zusammenspiel zu perfektionieren. »Perfektion« meint dabei weniger technische Vollkommenheit, vielmehr eine musikalische Einheit in der Kammermusik. Die vier Musikerinnen möchten dieses Erlebnis nicht mehr missen. Die große Freude, die sie am musikalischen Miteinander haben, verbindet sich mit eiserner Übe-Disziplin: Mehrere Stunden täglich proben sie – einzeln und in der Gruppe. Neben Borodin wollen sie in Meran das Konzertpublikum mit einem Satz aus Franz Schuberts (unvollendetem) Quarett in c-Moll begeistern.

Mit einer furiosen »Rhapsodie espagnole« von Franz Liszt gewann die junge Pianistin Marie-Thérèse Zahnlecker die Jury des Bundeswettbewerbs »Jugend musiziert« für sich. Das Resultat: Sie wurde mit der Höchspunktzahl ausgezeichnet und darüber hinaus – wie das »Quartetto mobile« – mit dem Sonderpreis der Bundesapothekerkammer. Als »halsbrecherisch schwer« wird die Rhapsodie bezeichnet. Dabei charakterisiert sie sich nicht nur durch Virtuosität, sondern berührt den Zuhörer zutiefst. Liszt war zuvor durch Spanien und Portugal gereist und hatte sich von populären spanischen Melodien zu diesem Werk inspirieren lassen. Wer sich daranwagt und reüssiert, darf sich schon in die pianistische Meisterklasse einordnen.

 

 

Ludwig van Beethovens »Appassionata« gehört zu seinen bekanntesten Werken. Den Beinamen: »Die Leidenschaftliche« erhielt das Werk erst später. Er versinnbildlicht aber sehr deutlich seinen Charakter, dem sich kaum ein Zuhörer entziehen kann. Beethoven überwindet hier zunehmend formale Vorgaben, ein inidvidualistischer Ausdruckswille prägt diese Klaviersonate, die ebenfalls von Marie-Thérèse Zahnlecker dargeboten wird. Die gerade 20-jährige Musikerin wurde bereits 2009 als Vorstudentin an der Musikhochschule Würzburg angenommen. Neben verschiedenen Preisen bei »Jugend musiziert« wurde ihr der Klassikpreis der Stadt Münster und des WDR verliehen. Auch Marie-Thérèse schaut künstlerisch gerne mal über den Tellerrand: Seit ihrem sechsten Lebensjahr tanzt sie klassisches Ballett und interessiert sich außerdem für Literatur und Kunst. In Meran wird sie sich aber wie ihre Kolleginnen auf ihr Hauptinstrument konzentrieren – und dem Publikum zu einem weiteren unvergess­lichen Konzertabend verhelfen. /

Mehr von Avoxa