Licht setzt Wirkstoff frei |
10.04.2012 14:41 Uhr |
Von Ulrike Viegener / Stickstoffmonoxid (NO) ließe sich vielfältig therapeutisch nutzen, wenn es nicht ein so leicht flüchtiges Gas wäre. Forscher der Universität Jena haben jetzt einen Wirkstoffträger entwickelt, aus dem NO durch Lichteinwirkung gezielt freigesetzt werden kann.
Es war eine Riesenüberraschung, als sich herausstellte, dass Stickstoffmonoxid bei diversen physiologischen Prozessen eine wichtige Rolle spielt. Die Pioniere auf diesem Forschungsgebiet, Robert Furchgott, Louis Ignarro und Ferid Murad, wurden 1998 mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet. Sie hatten entdeckt, dass NO als gefäßerweiternder Signalstoff des Herz-Kreislauf-Systems fungiert und identisch ist mit dem lange Zeit mysteriösen sogenannten Endothelium Derived Relaxing Factor (EDRF).
NO erweitert die Blutgefäße. Dadurch senkt es den Blutdruck und hilft gegen Angina pectoris.
NO ist als Vasodilatator auch am Zustandekommen der Erektion beteiligt.
NO hemmt die Aggregation von Blutplättchen sowie die Oxidation von LDL-Lipoproteinen – Prozesse also, die bei der Atherosklerose von zentraler Bedeutung sind.
NO wirkt relaxierend auf die Bronchialmuskulatur.
NO spielt bei der Wundheilung sowie bei der Abwehr von Bakterien eine wichtige Rolle. Makrophagen setzen bei Bakterienkontakt NO in großen Mengen frei.
NO dient als Signalstoff des Nervensystems beziehungsweise des Gehirns.
Die zahlreichen physiologischen Effekte (siehe Kasten) machen Stickstoffmonoxid zu einer interessanten Substanz für die medizinische Anwendung. Die Crux dabei: NO ist bei Raumtemperatur ein Gas mit extremer Reaktionsfreude, was einerseits seine äußerst kurze Lebensdauer und andererseits seine Toxizität bedingt. Mit dem Blutfarbstoff reagiert NO rasch zu Methämoglobin, das keinen Sauerstoff binden kann. Es wird daher unmittelbar am Wirkort mithilfe der NO-Synthase durch Abspaltung von der Aminosäure L-Arginin gebildet.
In einigen pulmonalen Indikationen, zum Beispiel pulmonaler Hypertonie oder Atemnot-Syndrom bei Neugeborenen, kommt NO tatsächlich als Gas zur Anwendung. Und auch bei akutem Schlaganfall könnte das Einatmen von NO eventuell ein therapeutischer Ansatz werden, denn laut tierexperimentellen Daten steigert es in dieser Indikation den zerebralen Blutfluss und kann den Gewebeuntergang begrenzen.
Das von den Jenaer Forschern entwickelte Kunststoffvlies.
Foto: Jan-Peter Kasper/FSU
Für andere potenzielle Indikationen ist die Gasform aber ungeeignet. Stattdessen setzt man etwa in der Therapie der Angina pectoris Nitrate ein, aus denen Stickstoffmonoxid am Wirkort abgespalten wird. Eine ganz andere Idee hatten jetzt Forscher am Jena Center for Soft Matter, einem interdisziplinären Forschungsinstitut der Universität Jena, an dem polymere Stoffe mit unterschiedlichen Funktionen maßgeschneidert werden.
Für Stickstoffmonoxid entwickelten die Designer dort einen photolabilen Ruthenium-Nitrosyl-Komplex, der in ein Vlies aus feinsten, nur einen halben Mikrometer dicken, Polymerfasern eingebettet ist. Bestrahlung mit UVA-Licht setzt NO aus dem Metallkomplex ins wässrige Medium frei. Dabei bietet das Polymervlies eine große Oberfläche für eine effiziente Wechselwirkung mit Licht, schreiben die Wissenschaftler im »Journal of Materials Chemistry« (doi: 10.1039/c2jm15410b).
Die Idee ist, das Vlies am Zielort zu platzieren und dann per Bestrahlung die Wirkstofffreisetzung auszulösen. Als potenzielle Einsatzorte kommen laut den Jenaer Forschern zum Beispiel Haut, Speiseröhre und Luftröhre infrage. Die gute Gewebeverträglichkeit der Polylaktidfasern sei am Menschen bereits dokumentiert. Und auch andere medizinische Anwendungsmöglichkeiten für das innovative Trägersystem seien denkbar. Das Patent wurde bereits angemeldet. /