Kaliumsparende Diuretika und ACE-Hemmer |
08.04.2008 17:38 Uhr |
Kaliumsparende Diuretika und ACE-Hemmer
Von Andrea Gerdemann, Nina Griese und Martin Schulz
ACE-Hemmer sowie AT1-Rezeptorantagonisten können mit kaliumsparenden Diuretika interagieren. Dabei besteht die Gefahr einer Hyperkaliämie, die lebensbedrohlich sein kann. Auf welche Symptome zu achten ist und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, verrät der folgende Artikel.
Zu der Gruppe der kaliumsparenden Diuretika gehören Aldosteronantagonisten wie Spironolacton und cyclische Amidin-Derivate wie Triamteren. Spironolacton ist ein kompetitiver Antagonist des Mineralcorticoids Aldosteron (1). Durch eine Verminderung der Resorption von Natriumionen im Tubulussystem und im Sammelrohr wird die Ausscheidung von Natriumionen und Chlorid verstärkt, während die Ausscheidung von Kaliumionen gesenkt wird. Hauptindikationen für Spironolacton sind die Behandlung des primären oder sekundären Hyperaldosteronismus sowie die Therapie von Ödemen bei chronischer Herzinsuffizienz. Die Ergebnisse der RALES-Studie (Randomized Aldactone Evaluation Study Investigation) von 1999 zeigen, dass niedrig dosiertes Spironolacton (12,5 bis 50 mg) bei Patienten mit Herzinsuffizienz zusätzlich zu einer Basistherapie aus ACE-Hemmern plus Schleifendiuretikum im Vergleich zu Placebo zur Verbesserung der Symptomatik und zur signifikanten Senkung der Mortalität um 30 Prozent führt (2). Durch die Ergebnisse der Studie lassen sich die in den vergangenen Jahren kontinuierlich ansteigenden Verordnungszahlen von Spironolacton-Monopräparaten erklären. In 2006 wurden 72 Millionen definierte Tagesdosen (DDD) verordnet; im Vergleich hierzu lagen die Zahlen 1998 bei 32 Millionen (3). Ein weiterer Aldosteronantagonist, der seit 2004 erhältlich ist, ist Eplerenon (3). Diese Substanz hat allerdings in Europa nur eine eingeschränkte Zulassung.
Die Nebenwirkungsrate unter der Therapie mit Spironolacton ist hoch, im Vordergrund stehen dabei Elektrolytstörungen (1). Bei alleiniger Gabe von Spironolacton liegt die Inzidenz einer Hyperkaliämie bei etwa 5 Prozent (4). Häufig geht sie einher mit einer Minderung der glomerulären Filtrationsrate, die bei der Einnahme von Spironolacton beobachtet wurde und nach Absetzen reversibel war (5).
Weitere kaliumretinierende Diuretika sind Triamteren und Amilorid. Sie wirken über eine direkte Blockade von Natriumkanälen im spätdistalen Tubulus und im Sammelrohr, die zu einer Steigerung der Ausscheidung von Natriumionen, Chlorid und auch Hydrogencarbonat sowie einer Hemmung der Kaliumionensekretion führt (1). Anwendungsgebiete von Triamteren sind arterielle Hypertonie, kardiale, hepatogene oder nephrogene Ödeme und chronische Herzinsuffizienz (3). Amilorid ist wie Triamteren nur als Kombinationspräparat (in der Regel kombiniert mit Hydrochlorothiazid) auf dem Markt. Es wird bei arterieller Hypertonie sowie kardialen und hepatischen Ödemen eingesetzt. Auch bei Amilorid und Triamteren stellt die Hyperkaliämie die wichtigste unerwünschte Wirkung dar.
ACE-Hemmer haben heute einen festen Platz in der Behandlung der Hypertonie und der Herzinsuffizienz (6). Nach aktuellen Leitlinien werden ACE-Hemmer als Mittel der Wahl zur antihypertensiven Therapie, insbesondere bei Risikopatienten mit Herzinsuffizienz, koronarer Herzkrankheit und Nephropathie, empfohlen (3). Bei der Herzinsuffizienz stellen ACE-Hemmer zudem die Basistherapeutika dar (7). Dabei ist die Dosis der ACE-Hemmer entscheidend für die Wirkung. In Studien, die einen Nutzen der ACE-Hemmer bei Herzinsuffizienz zeigten, wurde eine hohe Dosierung gegeben. Damit sind nur für diese hohen Dosierungen lebensverlängernde Effekte belegt (7). Allerdings sollte die Therapie des ACE-Hemmers in niedriger Dosierung beginnen.
Die breite therapeutische Bedeutung der ACE-Hemmer manifestiert sich in der Zunahme ihrer praktischen Anwendung. Das Verordnungsvolumen ist in den vergangenen zehn Jahren um das 3,5-Fache gestiegen und hat 2006 3,7 Milliarden definierte Tagesdosen (DDD) erreicht (3). Der Hauptteil der Patienten (76 Prozent) wurde mit einem Monopräparat behandelt, wobei Ramipril der am häufigsten verordnete ACE-Hemmer war.
ACE-Hemmer hemmen das Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems. Wichtiger Mediator dieses Systems ist Angiotensin II, einer der stärksten direkten Vasokonstriktoren (6). Zusätzlich hat Angiotensin II zahlreiche indirekte Gefäßeffekte, da es die Freisetzung von Noradrenalin, die adrenale Aldosteronsynthese, die tubuläre Natriumrückresorption und die Bildung von Wachstumsfaktoren erhöht.
Im Allgemeinen sind die ACE-Hemmer nebenwirkungsarm; bei bis zu 10 bis 15 Prozent der behandelten Patienten treten trockener Husten und in sehr seltenen Fällen (< 0,1 Prozent) Angioödeme auf (6). Eine weitere Nebenwirkung ist die Hyperkaliämie. Die Hyperkaliämie ist eine seltene Komplikation der Therapie mit ACE-Hemmern bei Patienten ohne Risikofaktoren. Da aber zum Beispiel circa 30 bis 50 Prozent der Patienten mit Herzinsuffizienz auch eine Niereninsuffizienz aufweisen, werden bei der aktuellen Verordnungspraxis viele Patienten mit erhöhtem Risiko für eine Hyperkaliämie mit diesen Arzneistoffen behandelt (8). Dies erklärt das häufige Auftreten einer Hyperkaliämie bei Einnahme von ACE-Hemmern in verschiedenen Untersuchungen. So hatten in einigen Studien 10 bis 38 Prozent der Patienten, die aufgrund einer Hyperkaliämie ins Krankenhaus eingeliefert wurden, ACE-Hemmer eingenommen hatten (9-11). In einer anderen Untersuchung entwickelten etwa 10 Prozent der mit ACE-Hemmern behandelten ambulanten Patienten innerhalb eines Jahres eine Hyperkaliämie (12). Die Entwicklung einer Hyperkaliämie stellt ein therapeutisches Dilemma dar, da Patienten mit hohem Risiko für diese unerwünschte Arzneimittelwirkung, das heißt Patienten mit Risikofaktoren, die gleichen Patienten sind, die am meisten von der Therapie mit ACE-Hemmern profitieren (9).
AT1-Rezeptorantagonisten sind eine sinnvolle Alternative zu ACE-Hemmern bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz, wenn eine Unverträglichkeit gegen ACE-Hemmer besteht (7). Bei akutem Myokardinfarkt mit Herzinsuffizienz oder linksventrikulärer Dysfunktion senken AT1-Rezeptorantagonisten und ACE-Hemmer in gleichem oder ähnlichem Maße die Sterblichkeit. Wie bei ACE-Hemmern ist eine Hyperkaliämie selten bei Patienten ohne Risikofaktoren (1). Je nach Komorbidität und Begleitmedikation kann das Risiko für eine Hyperkaliämie ansteigen.
Interaktionsmechanismus
Bei der Interaktion zwischen kaliumsparenden Diuretika und ACE-Hemmern/AT1-Rezeptorantagonisten handelt es sich um eine indirekte pharmakodynamische Interaktion, bei der die einzelnen, den Kaliumionenspiegel beeinflussenden Mechanismen der beiden Arzneistoffgruppen zu einem additiven Effekt führen (4).
ACE-Hemmer und AT1-Rezeptorantagonisten erniedrigen die Aldosteronplasmaspiegel (9). Dies führt zu einer Retention von Kaliumionen. Zusammen mit dem kaliumsparenden Effekt von Amilorid, Triamteren und den Aldosteronantagonisten wie Spironolacton kann dies zu einer Hyperkaliämie führen. Normalerweise tritt eine Hyperkaliämie nur auf, wenn weitere Risikofaktoren vorhanden sind (4,9). Die sind vor allem Niereninsuffizienz sowie vorbestehende Nierenfunktionsstörungen, erhöhtes Lebensalter, Diabetes und eine Dosierung von Spironolacton größer als 25 mg pro Tag. Bei Diabetikern ist das Risiko für die Entwicklung einer Hyperkaliämie erhöht, da ein Insulinmangel die Aufnahme von Kaliumionen in den Intrazellularraum verringert (9).
Von einer Hyperkaliämie spricht man ab Kaliumionenwerten über 5,0 mmol/l. Eine Hyperkaliämie kann sich schnell, innerhalb einiger Tage, entwickeln, Kaliumionenwerte über 6,5 mmol/l sind bedrohlich, Werte über 8 mmol/l oft tödlich. Symptome sind unter anderem Herz-Kreislauf-Beschwerden (Arrhythmien, Blutdruckabfall, Herzstillstand) und neuromuskuläre Beschwerden (Muskelschwäche, Parästhesien). Insbesondere zu Beginn einer Hyperkaliämie kann diese allerdings bei vielen Patienten symptomarm verlaufen.
Die Interaktion zwischen ACE-Hemmern/AT1-Rezeptorantagonisten und kaliumsparenden Diuretika stellt wie viele pharmakodynamische Interaktionen eine Interaktion mit einen Klasseneffekt der beiden Arzneistoffgruppen dar. Daher kann diese Interaktion, wenn sie auftritt, nicht durch einen Wechsel innerhalb der Arzneistoffgruppen, sondern nur über eine Dosierungsänderung oder die Aufgabe der gemeinsamen Gabe verhindert werden.
Klinische Relevanz der Interaktion
Bei schwerer Herzinsuffizienz ist die Kombination von ACE-Hemmern und niedrig dosiertem Spironolacton heute wegen der Wirksamkeit und Sicherheit Teil der Standardtherapie. Auch bei einer persistierenden Hypokaliämie trotz ACE-Hemmer-Behandlung sollten Aldosteron-Antagonisten oder gegebenenfalls andere kaliumsparende Diuretika in Kombination mit ACE-Hemmern eingesetzt werden (7). Eplerenon ist zusätzlich zur Standardtherapie bei Patienten mit klinischen Zeichen einer Herzinsuffizienz nach kürzlich aufgetretenem Herzinfarkt zugelassen. Voraussetzung für die gemeinsame Gabe bei den oben genannten Indikationsgebieten ist allerdings ein engmaschiges Monitoring. Bei anderen als den genannten Indikationen sollte die Kombination möglichst vermieden werden, weil hier nach der aktuellen Studienlage das Risiko den Nutzen überwiegt.
Wie problematisch eine unkritische Kombinationstherapie von ACE-Hemmern/AT1-Rezeptorantagonisten und Spironolacton sein kann, zeigen verschiedene Untersuchungen (13-15). Danach ist ein gehäuftes Auftreten von Hyperkaliämien bei herzinsuffizienten Patienten zu verzeichnen, die mit ACE-Hemmern und Spironolacton aufgrund der Ergebnisse der RALES-Studie behandelt wurden. Eine Studie aus Deutschland berichtet über 44 Patienten mit Herzinsuffizienz, die von 1999 bis 2002 nach Einnahme von ACE-Hemmern oder AT1-Rezeptorantagonisten plus Spironolacton aufgrund einer schweren Hyperkaliämie stationär in einer Universitätsklinik aufgenommen werden mussten (15). Zwei der Patienten starben und 37 Patienten mussten dialysiert werden, wovon sechs Patienten dialysepflichtig blieben. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass alle Fälle vermeidbar gewesen wären. Die Analyse ergab nämlich, dass das Spironolacton, dessen Dosis bei dieser Indikation 25 bis maximal 50 mg pro Tag betragen sollte, zu hoch dosiert wurde oder dass vorbestehende Nierenfunktionsstörungen sowie Kontraindikationen, zum Beispiel hohe Kreatininserumkonzentrationen, bei der Dosierung nicht berücksichtigt wurden. Ein engmaschiges Monitoring hätte zudem ein frühzeitiges Eingreifen möglich gemacht.
Interventionsmöglichkeiten
Um eine Interaktion zu verhindern, sollten Spironolacton und Eplerenon möglichst niedrig dosiert eingesetzt werden (4, 15). Zur diuretischen Wirkung oder zum Ausgleich einer Hypokaliämie bei einer schweren Herzinsuffizienz werden initial 50 bis 100 mg Spironolacton pro Tag gegeben, als Erhaltungsdosis werden nach 3 bis 6 Tagen 25 (bis maximal 50 mg) pro Tag eingesetzt (7). Die Erhaltungsdosis kann je nach Bedarf auch jeden zweiten oder jeden dritten Tag verabreicht werden. Insbesondere wenn Risikofaktoren vorliegen, sollte Spironolacton nicht über 25 mg pro Tag als Erhaltungsdosis verordnet werden (15).
Wird ein ACE-Hemmer/AT1-Rezeptorantagonist zu einer bestehenden Therapie mit kaliumsparenden Diuretika (oder einer Kaliumsubstitution) gegeben, sollte, unter anderem wegen der Gefahr einer Hyperkaliämie, zu Beginn der Therapie die Gabe von kaliumsparenden Diuretika ausgesetzt werden. Serumkreatinin und Serumkalium steigen bei den meisten Patienten unter einer alleinigen ACE-Hemmer-Therapie initial an, bleiben dann aber konstant oder fallen wieder ab (7).
Bei Beginn einer Therapie mit kaliumsparenden Diuretika und schon bestehender ACE-Hemmer/AT1-Rezeptorantagonisten-Therapie sind Kontrollen von Kalium-ionen- und Kreatininspiegel zunächst in Abständen von fünf bis sieben Tagen notwendig. Bei der Dauertherapie sollten alle drei bis sechs Monate Kontrollen durchgeführt werden (7). Bei Serumkreatininkonzentrationen größer als 2,5 mg/dl oder einem Serumkaliumionen-Spiegel größer als 5 mmol sollte keine Neuverordnung der Kombination erfolgen, bei einer bestehenden Kombinationstherapie wird bei diesen Werten eine Dosisreduktion empfohlen (7). Hierbei sollte die Dosierung des Spironolactons erniedrigt werden, da nur für hohe Dosierungen der ACE-Hemmer bei Herzinsuffizienz lebensverlängernde Effekte belegt sind (5).
Die Medikationshistorie von Patienten, die ACE-Hemmer/AT1-Rezeptorantagonisten und Spironolacton bekommen, sollte beim Start der Kombinationstherapie auf weitere, den Kaliumspiegel erhöhende Arzneistoffe (zum Beispiel nicht steroidale Antirheumatika und Ciclosporin) überprüft werden und, wenn möglich, die Einnahme solcher Arzneistoffe abgebrochen werden (16). Kommen neue Arzneistoffe zu dieser Kombination hinzu, sollte immer hinterfragt werden, ob diese das Risiko für eine Hyperkaliämie erhöhen. Wenn möglich, ist insbesondere die Einnahme von nicht steroidalen Antirheumatika in der Selbstmedikation zu meiden.
Es ist wahrscheinlich, dass das Auftreten von Hyperkaliämien in den nächsten Jahren zunimmt, da vermehrt höhere Dosierungen von Spironolacton und Kombinationen von Arzneistoffen, die den Kaliumionenspiegel erhöhen, verordnet werden (9). Daher wird es umso wichtiger, Patienten mit erhöhtem Risiko zu identifizieren und einem Monitoring zuzuführen, damit die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Hyperkaliämie reduziert werden kann.
Literatur
... bei den Verfassern
Kontakt:
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