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ABDA-KBV-Modell

»Für Apotheker eine riesige Chance«

02.04.2014  10:28 Uhr

Von Daniel Rücker und Ev Tebroke, Weimar / Ab April können sich Apotheker und Ärzte aus Sachsen und Thüringen in die Arzneimittelinitiative (ARMIN) einschreiben (ABDA-KBV-Modell). Die Vorsitzenden der beiden Landesapothekerverbände, Monika Koch (Sachsen) und Stefan Fink, rechnen fest mit einem Erfolg des auf fünf Jahre angesetzten Tests.

PZ: Für den Start des ABDA-KBV-Modells waren drei Jahre Vorarbeit notwendig. Seit wann war klar, dass der Starttermin zum 1. April steht?

 

Fink: Seit dem 11. Januar 2014, an diesem Tag haben wir uns über die Honorierung verständigt.

 

Koch: Wir haben uns mit den Kassenärzten und der AOK Plus darauf geeinigt, dass alle Leistungen angemessen honoriert werden und keine Quersubventionierung vorgesehen ist. Das war der entscheidende Grundstein für den Start.

 

PZ: Wo gab es Probleme?

 

Koch: Es war ein hartes Stück Arbeit, die Ärzte davon zu überzeugen, dass wir keine Therapieentscheidungen treffen werden, sondern uns auf unsere Kernkompetenz konzentrieren. Die Arbeitsteilung ist deshalb im Prinzip ganz einfach: Jeder macht das, was er am besten kann. Der Arzt stellt die Diagnose und entscheidet über die Therapie. Der Apotheker kümmert sich um alle Probleme inklusive der Compliance rund um das Arzneimittel.

 

PZ: Wie sieht die Arbeitsteilung in der Praxis aus?

 

Koch: Wir beginnen mit der Brown-Bag-Analyse, erfassen also die Gesamtmedikation des Patienten. Dazu bringt dieser seine Arzneimittel in die Apotheke und erklärt, wie und wofür er sie einnimmt. Der Apotheker dokumentiert dies und danach geht der Patient zum Arzt, der aus diesen Angaben einen Medikationsplan erstellt. Der Patient erhält dann in der Apotheke den finalen Medikationsplan ausgehändigt.

 

PZ: Welche Ärzte nehmen an ARMIN teil?

 

Koch: Überwiegend die Hausärzte. Aber auch Fachärzte dürfen mitmachen. Das war der KV Thüringen ein großes Anliegen. Es wird jedoch eher die Ausnahme sein, dass ein Patient sich statt eines Hausarztes einen Facharzt aussucht.

 

PZ: Wie kommt ein Patient in das Programm?

 

Fink: Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Er kann sich selbst darum kümmern, er kann aber auch beim Arzt oder Apotheker angesprochen werden, wenn diese die Teilnahme für sinnvoll halten. Dann muss er sich beim Arzt und in der Apotheke einschreiben.

 

PZ: Wie steht es um die Honorierung?

Fink: Wir haben viel erreicht. Unser Honorar ist angemessen. Apotheker und Arzt bekommen für den Patienten im ersten Versorgungsjahr jeweils 157,50 Euro. Das sind 94,50 Euro für das erste Quartal des Patienten und dann jeweils 21 Euro für die drei Folgequartale. Die Ärzte erhalten noch einen Bonus für die Einsparungen aus dem Medikationskatalog. Im zweiten Jahr sind es dann vier mal 21 Euro, weil die Brown-Bag-Analyse wegfällt. Aber das ist eine für den Aufwand angemessene Vergütung.

 

Wir haben sogar eine Dynamisierung dieser Beträge vereinbart. ARMIN wird nach meiner Einschätzung den Ertrag der teilnehmenden Apotheken stabilisieren. Rechnerisch kommen auf jede Apotheke in Sachsen und Thüringen jeweils 200 AOK-Plus Versicherte, die die Einschreibekriterien von ARMIN erfüllen, also die Einnahme von mindestens fünf Wirkstoffen in der Langzeitmedikation. Die Betreuung von durchschnittlich 50 Patienten pro Apotheke ist dabei realistisch. Teilnehmen können alle Apotheken, die Mitglied im Verband sind. Zusätzlich bekommen Sie für die Umsetzung jeder Wirkstoffverordnung eine Aufwandspauschale von 20 Cent pro abgegebenem Medikament.

 

PZ: ARMIN funktioniert nur, wenn der Patient von einem Apotheker und einem Arzt gemeinsam betreut wird. Was passiert, wenn der Apotheker die Brown-Bag-Untersuchung macht, der Arzt das Ergebnis bekommt, aber nicht antwortet?

 

Fink: Dann bekommt der Apotheker trotzdem das vereinbarte Honorar von 94,50 Euro. Das ist vertraglich vereinbart.

 

PZ: Wie viele Apotheker aus Thüringen und Sachsen werden nach Ihrer Erwartung bei ARMIN mitmachen?

 

Fink: ARMIN ist für Apotheker eine riesige Chance. Ich gehe von einer Quote um 75 Prozent aus. ABDATA hat zudem eine wichtige Hilfe für die Apotheker erstellt. Über eine sechsstellige Nummer wird für die rund 200 Wirkstoffe direkt das richtige Arzneimittel angezeigt. Das betrifft rund 25 000 PZN. Das geht deutlich schneller als bei der sonstigen Wirkstoffauswahl. Ein Vorteil ist, dass auch die Rahmenvertragsregelungen weiterhin gelten, nur deutlich großzügiger.

 

Nicht nur deshalb werden sich viele Apotheker sehr schnell für ARMIN interessieren. Wer sich vor dem 1. Oktober bei ARMIN einschreibt, bekommt für die Hardware, die für das Medikationsmanagement erforderlich ist, eine Anschub­finanzierung von 1500 Euro brutto.

 

Koch: Ich denke auch, dass Apotheker bei ARMIN mitmachen werden, weil sie so leichter junge Apotheker als Mitarbeiter bekommen. Für Berufsanfänger wird es besonders interessant sein, in einer ARMIN-Apotheke und damit sehr pharmazeutisch zu arbeiten. Für den Apothekenleiter hat dies auch Vorteile. Er kann ARMIN anbieten, auch wenn er selbst kein Medikationsmanagement machen will.

 

Fink: Weniger sicher ist dagegen, ob sich die Mehrheit der Ärzte einschreibt. Das können wir sehr schlecht beurteilen. Einige Ärzte werden für sich ein Zeitproblem sehen. Deshalb müssen wir bei Ärzten für ARMIN werben.

 

PZ: Was haben die Ärzte von einer Teilnahme?

 

Koch: Sie bekommen dasselbe Honorar wie die Apotheker. Das stärkere Argument dürfte aber sein, dass die Wirkstoffverordnungen im Rahmen von ARMIN nicht unter die Richtgrößenprüfung fallen.

 

PZ: Wie sieht nach der Einschreibung ab April der weitere Zeitplan aus?

 

Koch: Zum 1. Juli soll die Wirkstoffverordnung starten. Am 1. Januar 2015 beginnt das Medikationsmanagement, ab dann wird es auch für die Patienten interessant.

 

PZ: Müssen Ärzte und Apotheker alle Teile von ARMIN anbieten? Viele Ärzte wären wahrscheinlich schon mit der Wirkstoffverordnung zufrieden.

 

Koch: Nein, das geht nicht. Wer mitmacht, der kann das Medikationsmanagement nicht weglassen. Das ist vertraglich so vereinbart. Ärzte und Apotheker müssen dafür auch bis Ende 2015 eine Fortbildung absolvieren – eine zwingende Teilnahmebedingung.

 

PZ: Die Apotheker haben einige Zeit gebraucht, ARMIN an den Start zu bringen. Warum ist dies gerade mit der AOK Plus gelungen?

Fink: Die AOK Plus hat im Bundesdurchschnitt eine vergleichsweise niedrige Rabatt-Umsetzungsquote. Sie geht davon aus, diese mithilfe von ARMIN verbessern zu können. Die Neigung der Ärzte, Aut-idem auszuschließen, soll deutlich sinken.

 

Koch: Und natürlich soll die Zusammenarbeit von Ärzten und Apothekern die Zahl der Krankenhauseinweisungen senken und so helfen, unnötige Kosten zu vermeiden.

 

PZ: ARMIN ist auf fünf Jahre angelegt. Was wäre aus Ihrer Sicht das optimale Ergebnis?

 

Koch: Das Projekt soll aus unserer Sicht belegen, dass die Apotheker mit dem Medikationsmanagement einerseits die Gesundheit der Patienten verbessern und andererseits helfen, unnötige Ausgaben zu vermeiden. Um dies zu belegen, brauchen wir ausreichend viele Patienten, Apotheker und Ärzte, die sich einschreiben und eine saubere Evaluation des Modells.

 

Fink: Laut Vertrag mit der AOK und den beiden KVen können ein Jahr nach Start des Medikationsmanagements auch andere Kassen bei ARMIN einsteigen. Optimal wäre, wenn bis Auslaufen des Modells zum Jahresende 2018 das Ergebnis so gut ist, dass alle Kassen mitmachen wollen. /

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