Eins, vier, Oma |
02.04.2014 10:28 Uhr |
Von Annette Mende, Berlin / Der ursprünglich gegen Asthma entwickelte Anti-Immunglobulin-(Ig)-E-Antikörper Omalizumab (Xolair®) hat eine Zulassungserweiterung gegen chronische spontane Urtikaria (csU) erhalten. Die Wirksamkeit in dieser Indikation ist so überzeugend, dass er bereits Eingang in die internationale Leitlinie gefunden hat.
»Die neue Formel zur csU-Therapie lautet eins, vier, Oma«, sagte Professor Dr. Marcus Maurer von der Berliner Charité auf einer Pressekonferenz von Novartis in Berlin. Die griffige Formulierung fasst die leitliniengerechte Eskalationsbehandlung bei csU zusammen: Begonnen wird mit einem H1-Antihistaminikum der zweiten Generation in normaler Dosierung.
Bei ausbleibender Wirkung wird die Dosis auf das bis zu Vierfache erhöht. Spricht der Patient auch darauf nicht an, ist Omalizumab indiziert. »Damit erreicht man bei 99 Prozent der Patienten das Therapieziel Symptomfreiheit«, sagte Maurer.
Dass Omalizumab bei csU so gut wirkt, war eigentlich nicht zu erwarten. Denn es blockiert selektiv IgE, das Schlüsselmolekül der allergischen Reaktion. »Chronische spontane Urtikaria ist aber keine Allergie« betonte der Dermatologe. Auslöser sei nie eine Sensibilisierung etwa gegen Hausstaub, Katzen- oder Hundehaare. Trotzdem habe jeder zweite Patient mit csU erhöhte Gesamt-IgE-Werte. Bei jedem Vierten mit csU seien zudem Schilddrüsen-Autoantikörper nachweisbar.
Allergie gegen sich selbst
Wie passt das zusammen? Maurers Arbeitsgruppe stellte die Hypothese auf, dass man gegen sich selbst allergisch sein kann. Das Immunsystem reagiert in diesem Fall auf ein körpereigenes Protein, beispielsweise die Schilddrüsen- Peroxidase, wie auf ein Allergen. Dieses vernetzt Zell-gebundenes IgE, was wiederum zu einer Aktivierung der hochaffinen IgE-Rezeptoren FcεRI auf Mastzellen und letztlich zur Ausschüttung von Entzündungsmediatoren führt. Diese Reaktion unterscheidet sich von der bei Autoimmunerkrankungen, bei denen der Körper gegen eigene Strukturen IgG-Antikörper bildet.
Der Erfolg erster Therapieversuche mit Omalizumab gab Maurers Team recht. »Urtikaria-Patienten, die innerhalb von Tagen nach der Injektion ihre Krankheitsaktivität verlieren, das gab es bis dato noch nicht«, berichtete er. Seine Einschätzung: »Xolair wirkt gegen Urtikaria zehnmal besser und zehnmal schneller als gegen Asthma.«
Zugelassen ist Xolair seit dem 6. März 2014 zur Behandlung von Patienten ab zwölf Jahren in der Dosierung 300 mg alle vier Wochen. Während es sich bei der Dosierung Maurer zufolge um eine One-Size-fits-All-Dosis handelt, ist das starre Injektionsintervall nicht für alle Patienten geeignet. »Manche brauchen die nächste Dosis schon nach drei Wochen, bei anderen geht die Krankheitsaktivität erst nach fünf Wochen wieder hoch. Das individuelle Intervall ändert sich beim jeweiligen Patienten aber nicht«, so Maurer.
Andere Optionen Off-Label
Laut der im August 2013 im »Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft« veröffentlichten aktuellen Fassung der Leitlinie stellt Omalizumab eine von drei Möglichkeiten der Therapieintensivierung dar, wenn Patienten mit csU nicht auf Antihistaminika ansprechen (doi: 10.1111/ddg.12194). Die beiden anderen zur Verfügung stehenden Wirkstoffe sind Ciclosporin A und Montelukast, wobei es sich in beiden Fällen um einen Off-Label-Einsatz handelt. Gleiches gilt im Übrigen auch für die – leitliniengerechte – Vierfach-Dosierung von Antihistaminika bei csU. /
Kennzeichen der Nesselsucht (Urtikaria) ist das spontane oder induzierte Auftreten von juckenden, geröteten Quaddeln und/oder schmerzhaften Angioödemen. Typischerweise wandern die Quaddeln, das heißt sie verschwinden spontan und tauchen an anderer Stelle wieder auf. Von einer akuten Urtikaria spricht man, wenn die Symptome nach sechs Wochen verschwunden sind. Alles, was länger dauert, ist chronisch. Ist kein Auslöser erkennbar, handelt es sich um eine spontane Urtikaria. Anders die induzierbare Urtikaria: Hierbei lösen Reize wie Reibung, Kälte, Druck, Wärme, Licht oder Vibration die Hautreaktionen aus.