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Krankenkassen

Beitragshöhe nach oben offen

02.04.2014  10:28 Uhr

Von Ev Tebroke, Berlin / Die neue Beitragsfinanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist auf dem Weg. Das Bundeskabinett hat vergangene Woche den Gesetzentwurf zur Reform beschlossen. Zukünftig soll die Beitragsautonomie der Kassen für mehr Wettbewerb sorgen. Kritiker monieren dabei den Abschied vom paritätisch finanzierten System.

Das Maßnahmenpaket mit dem sperrigen Namen Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FQWG) erlaubt den Kassen zukünftig, einen einkommensabhängigen Zusatzbeitrag von den Versicherten zu verlangen, um eventuellen Finanzierungsbedarf zu decken.

 

Bislang können die Kassen in so einem Fall einen pauschalen Zusatzbeitrag erheben. Beitragssteigerungen müssen die Kassenmitglieder in Zukunft allein tragen, denn der Arbeitgeberanteil bleibt fix. Damit wird der Weg frei für eine beliebige Erhöhung der Beiträge – zulasten der Versicherten.

 

»Mit dem neuen Gesetz machen wir die Gesetzliche Krankenversicherung zukunftsfest«, sagte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) auf einer Pressekonferenz in Berlin. Stabile Lohnnebenkosten sollten Arbeitsplätze sichern, gleichzeitig entlaste künftig der Wettbewerb der Kassen die Beitragszahler, so der Minister.

 

Laut Gesetzentwurf sinkt der allgemeine Beitragssatz von derzeit 15,5 Prozent auf 14,6 Prozent, dabei entfallen je 7,3 Prozent auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Während der Arbeitgeberanteil auch künftig festgeschrieben bleibt, können die einzelnen Kassen den Versichertenanteil je nach Finanzierungsbedarf erhöhen. Angesichts der drohenden Kostensteigerungen im Gesundheitswesen scheint dies auch wahrscheinlich. Zwar tragen die Versicherten schon jetzt 0,9 Prozentpunkte des Beitragssatzes alleine. Zukünftig könnte der Beitragssatz dann aber auch deutlich über den momentanen 15,5 Prozent liegen.

 

So geht der Essener Gesundheitsökonom Prof. Jürgen Wasem davon aus, dass der Zusatzbeitrag ab 2016 jährlich im Schnitt um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte steigen wird. Manche Kassen könnten dies zunächst noch durch Rücklagen abfedern. »Für 2017 rechne ich mit Zusatzbeiträgen von 1,3 bis 1,5 Prozent«, sagte Wasem im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur.

 

Die einseitige Belastung der Arbeitnehmer stößt bei der Opposition auf Kritik. »Alle zukünftigen Beitragssteigerungen zahlen die Versicherten alleine«, so der gesundheitspolitische Sprecher der Linken, Harald Weinberg. Und die Gesundheitsexpertin der Grünen, Maria Klein-Schmeink, bemängelt, dass es anders als zuvor keine persönliche Belastungsgrenze mehr für den Anstieg der Beiträge gebe.

 

Zugeständnis an den Koalitionspartner

 

Selbst die SPD gibt sich kritisch. Deren gesundheitspolitische Sprecherin Hilde Mattheis nennt es »ein schmerzliches Zugeständnis an den Koalitionspartner«, dass Beitragssteigerungen zunächst nur von den Mitgliedern bezahlt werden müssen. Doch laut Mattheis sei der Arbeitgeberbeitrag nicht für alle Zeiten festgeschrieben.

 

Die Kassen zeigen sich erwartungsgemäß zufrieden mit dem geplanten Gesetz. Der vollständige Einkommensausgleich sorge für gerechte Rahmenbedingungen im Kassenwettbewerb, so der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Jürgen Graalmann. Der Verband der Ersatzkassen (vdek) sieht aber die Festschreibung des Arbeitgeberanteils kritisch. »Hier muss es Anpassungsmechanismen beim allgemeinen Beitragssatz geben«, forderte die vdek-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner.

 

Nach Ansicht des Gesundheitsministers werden künftig nur wenige Kassen über den bisherigen Beitragssatz von 15,5 Prozent hinausgehen. Grundsätzlich bestehe für die Versicherten bei einer Beitragserhöhung aber ein Sonderkündigungsrecht, so Gröhe. Gleichzeitig geht er davon aus, dass zunächst rund 20 Millionen GKV-Versicherte von einem niedrigeren Beitrag als bisher profitieren können.

 

Das Gesetz muss jetzt zunächst vom Bundestag verabschiedet werden. Zum 1. Januar 2015 soll die GKV-Reform in Kraft treten.  /

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