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Korruption

Schwarze Schafe in weißen Kitteln

03.04.2012  17:09 Uhr

Von Annette Mende, Berlin / Ärzte und andere Heilberufler sind per se keine schlechteren, aber auch keine besseren Menschen als andere. Sie sind daher auch gegen Vorteilsnahme nicht immer gefeit. Die SPD fordert schärfere Gesetze, um Korruption im Gesundheitswesen besser zu bekämpfen. Der Vorstoß wurde im Gesundheitsausschuss des Bundestags kontrovers diskutiert.

Schmiergeldzahlungen für die Terminvergabe oder Behandlungen gegen Vorkasse sind hierzulande zum Glück nicht an der Tagesordnung. Doch darüber, wie korrupt das deutsche Gesundheitssystem tatsächlich ist, lässt sich naturgemäß nur mutmaßen. Die SPD-Fraktion beruft sich in ihrem Antrag auf Schätzungen des »European Healthcare Fraud and Corruption Network«, wonach zwischen 3 und 10 Prozent der Gesundheitsausgaben durch Korruption, Abrechnungsbetrug und Falschabrechnung verloren gehen. Allein in der Gesetzlichen Krankenversicherung wären das laut Antrag zwischen 5 und 18 Milliarden Euro jährlich. Nicht quantifizieren lassen sich die Nachteile, die Patienten entstehen, wenn für die Auswahl ihrer Therapie nicht medizinische Gründe entscheidend sind, sondern finanzielle Vorteile des Verordners.

Insbesondere bei der Einstufung der Korruption niedergelassener Vertragsärzte als Straftat sieht die SPD Handlungsbedarf. Nach derzeitiger Rechts­lage gilt der Paragraf 299 Strafgesetzbuch (StGB), der »Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr« regelt, nur für Angestellte oder Beauftragte eines geschäftlichen Betriebes. Diese Voraussetzung erfüllen zwar angestellte Klinikärzte. Ob jedoch niedergelassene Vertragsärzte als Beauftragte der Krankenkassen gelten und somit auch unter diesen Paragrafen fallen, ist eine offene Frage, die zurzeit den Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigt. Unabhängig von der ausstehenden BGH-Entscheidung drängt die SPD darauf, die Korruption niedergelassener Ärzte als Straftatbestand zu verankern.

 

Sanktionsmöglichkeiten im Berufsrecht

 

Keinen strafrechtlichen Regelungsbedarf sah dagegen bei der Anhörung im Gesundheitsausschuss die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Das Vertragsarztrecht biete bereits jetzt genügend Sanktionsmöglichkeiten, sagte KBV-Vertreter Stefan Gräf. So sei es beispielsweise möglich, einem Vertragsarzt, der sich für die Zuweisung von Versicherten bestechen lässt, in einem Disziplinarverfahren eine Geldbuße von bis zu 10 000 Euro aufzuerlegen oder ihm für maximal zwei Jahre die Zulassung zu entziehen.

 

Ein weiterer Punkt des SPD-Antrags zielt darauf ab, Abrechnungsbetrug von Krankenhäusern zu sanktionieren. Momentan muss eine Klinik, die gegenüber einer Krankenkasse falsch abgerechnet hat, der Kasse nur den Fehlbetrag erstatten, wenn der Fehler entdeckt wird. Prüft eine Kasse eine Klinikrechnung und findet nichts Beanstandenswertes, muss sie dem Krankenhaus 300 Euro zahlen. »Diese ungleiche Regelung schafft Anreize zur systematischen Falschabrechnung, auch wenn dies den Krankenhäusern keinesfalls grundsätzlich unterstellt wird«, heißt es in der Begründung des Antrags.

 

10 Prozent der Rechnungen werden geprüft

 

Den Vorwurf, dass Krankenhäuser im großen Stil falsch abrechnen, wies Georg Baum von der Deutschen Krankenhausgesellschaft entschieden zurück. »Ich habe keine Kenntnis von mehr als zehn Fällen, die irgendwo staatsanwaltlich anhängig wären«, sagte Baum. In 70 Prozent aller Streitfälle gehe es zudem gar nicht um falsch abgerechnete Leistungen, sondern um die Frage, ob ein Patient überhaupt hätte stationär behandelt werden dürfen oder ob er zu lange im Krankenhaus war. Die Kassen prüften im Schnitt etwa 10 Prozent der Klinikrechnungen; davon werde am Ende etwa die Hälfte beanstandet. Baum zog daraus den Schluss, dass »95 Prozent völlig unbeanstandete Fälle sind«.

 

Das bezeichnete Monika Kücking vom GKV-Spitzenverband als »Milchmädchenrechnung«. Aus der Tatsache, dass circa 10 Prozent der Einrichtungen geprüft werden, könne man nicht ohne Weiteres ableiten, dass alle anderen richtig rechnen. Es habe sich gezeigt, dass die Quote beanstandeter Rechnungen über die Jahre immer weiter gestiegen sei. So waren im Jahr 2006 knapp 35 Prozent Abrechnungen fehlerhaft, im Jahr 2010 aber fast 50 Prozent – und das trotz kontinuierlicher Überprüfungen. »Das ist aus meiner Sicht schon problematisch«, sagte Kücking. /

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