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ZL-Reihenuntersuchung

Oxycodon-Hydrochlorid-40-mg-Retardtabletten im Vergleich

01.04.2010  14:08 Uhr

Von Astrid Kaunzinger, Petra Grötsch, Jan Hüsch, Mona Tawab und Manfred Schubert-Zsilavecz / Das ZL hat 2008 eine vergleichende Untersuchung von retardierten Oxycodon-Hydrochlorid-40-mg-Präparaten des deutschen Marktes durchgeführt. Sieben Produkte wurden hinsichtlich ihrer pharmazeutischen Qualität geprüft. Im Rahmen dieser Reihenuntersuchung wurden die Identität, die Gleichförmigkeit der Masse, der Wirkstoffgehalt, das In-vitro-Freisetzungsverhalten geprüft und der Wirkstoff hinsichtlich seiner biopharmazeutischen Eigen­schaften klassifiziert.

Das Opioidanalgetikum Oxycodon ist seit Langem bekannt und wird seit 1919 als Analgetikum bei starken bis sehr starken Schmerzen therapeutisch genutzt. Die schmerzstillende Wirkung entspricht etwa der zweifachen des Morphins. Oxycodon ist in der Anlage 3 des BtMG als verkehrsfähiges und verschreibungs­fähiges Betäubungsmittel aufgeführt.

Eine erfolgreiche Analgesie bei starken Schmerzen war bis vor einigen Jahren nicht immer möglich, weil stark wirksame Opioide nur zurückhaltend verschrieben wurden und die kurzen Halbwertszeiten der Opioide (2-5 h) eine vier- bis sechsfache tägliche Gabe notwendig machten. Erst mit der Entwicklung peroraler Retardformulierungen, bei denen eine ein- bis zweimalige tägliche Applikation ausreicht, wurde die Schmerztherapie mit Opioiden nachhaltig verbessert. Retardierte Opioide sind mittlerweile fester Bestandteil der Therapierichtlinien und aus der modernen Schmerztherapie nicht mehr wegzudenken.

 

Retardierung

 

Die galenische Formulierung der in Deutschland erhältlichen Oxycodon-40-mg-Retardtabletten unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt. Bei dem Originalpräparat Oxygesic® wird ein kombiniertes Retardierungsprinzip mit Matrixtechnologie genutzt (AcroContin-System). Basierend auf Ammoniummethacrylat-Copolymer Eudragit RS und Stearylalkohol ermöglicht diese Technologie eine biphasische Resorption (= erstes rasches Anfluten, dann retardierte Freisetzung des Wirkstoffs mit Resorptionshalbwertszeiten von 37 min und 6,3 h).

In der Liste der sonstigen Bestandteile der Generika sind neben Ethylcellulose auch wasserlösliche quellende Substanzen, wie zum Beispiel PEG (Polyethylenglycol), HPMC (Hypromellose), HPC (Hyprolose) aufgeführt. Bei Verwendung von Ethylcellulose werden normalerweise Diffusionsüberzüge mit pH-unabhängiger Freisetzung erhalten. Durch Mischen der unlöslichen Ethylcellulose mit Substanzen wie HPMC, MC, PEG etc., die sich homogen im Film verteilen, kann die Freisetzung reguliert werden. Im Freisetzungsmedium werden diese Polymere aus dem Film herausgelöst, wobei sich Poren bilden, durch die vermehrt Flüssigkeit eindringt. Dieses Retardierungsprinzip unterscheidet sich vom Originalpräparat.

 

Material und Methoden

 

In Tabelle 1 sind die in die Untersuchung einbezogenen Fertigarzneimittel gelistet. Alle Präparate wurden über den pharmazeutischen Fachhandel bezogen.

Tabelle 1: Untersuchte Oxycodon-Fertigarzneimittel (40-mg-Retardtabletten)

Nr. Handelsname Hersteller / Pharmazeutischer Unternehmer Charge Haltbarkeit
1 Oxygesic 40 mg Mundipharma GmbH 10049054 Jul 11
2 Oxycodon-HCl AbZ 40 mg AbZ Pharma I15100 Apr 10
3 Oxycodon-HCl ratiopharm 40 mg Ratiopharm GmbH I15102 Okt 10
4 Oxycodon-HCl Hexal 40 mg Hexal AG 8E0317 Okt 10
5 Oxycodon-HCl-CT 40 mg CT Arzneimittel GmbH I07844 Feb 10
6 Oxycodon-HCl beta 40 mg Betapharm Arzneimittel GmbH 1192007 Jan 10
7 Oxycodon-HCl Stada 40 mg Stada Arzneimittel AG 81104 Mrz 10

Die Analytik wurde nach der Monographie für »Oxycodon Hydrochloride Extended-Release Tablets« des Amerikanischen Arzneibuches (USP 31) unter Berücksichtigung des Europäischen Arzneibuches (Ph.Eur. 6.0) durchgeführt. Die Untersuchung der Präparate erfolgte hinsichtlich folgender Prüfpunkte: Identität, Gleichförmigkeit der Masse, Gehalt, In-vitro-Freisetzungs­verhalten (Tabelle 1). Alle Prüfungen erfolgten vor Ablauf der Verwendbarkeitsfrist

 

Gleichförmigkeit der Masse

 

Die Bestimmung erfolgte gemäß Europäischem Arzneibuch (Ph.Eur. 6.0, Ziffer 2.9.5, »Gleichförmigkeit der Masse einzeldosierter Arzneiformen«). Hierzu wurde durch Wägung von 20 einzelnen Tabletten eines jeden Präparates die prozentuale Standardabweichung jeder einzelnen Darreichungsform vom Mittelwert ermittelt. Die abhängig von der durchschnittlichen Tablettenmasse in der Pharmakopoe festgelegten Akzeptanzkriterien wurden erwartungsgemäß von allen untersuchten Präparaten voll erfüllt.

 

Gehaltsprüfung

 

Die Gehaltsbestimmung wurde nach der Monographie »Oxycodon Hydrochloride Extended-Release Tablets« der USP 31 durchgeführt. Der Arzneistoff wurde nach Probenaufarbeitung mittels Hochdruckflüssigchro­ma­tographie (HPLC) an RP18-Material als stationärer Phase und einem Acetonitril-Puffer Fließmittelgemisch unter Zusatz von Peakreagenz gegenüber externem Standard quantifiziert. Mit isokratischer Elution wurde die Absorption der Proben im UV bei 280 nm gegenüber Referenzstandard gemessen. Hierbei wurden die Akzeptanzkriterien von 90,0 bis 110,0 Prozent des deklarierten Gehalts, die in der betreffenden Monographie der USP 31 vorgeschrieben sind, von allen getesteten Produkten eingehalten. Mit dieser Methode wurden Werte zwischen 93,7 und 96,9 Prozent der deklarierten Konzentration bestimmt (siehe auch Tabelle 2, sowie Stellungnahme Hersteller).

Tabelle 2: Gehaltsbestimmung und Wirkstofffreisetzung

Nr. Handelsname Chargen-Nr. Gehalt [%] der Deklaration Freisetzung nach 8h [%]
1 Oxygesic 40 mg 10049054 95,6 90,3
2 Oxycodon-HCl AbZ 40 mg I15100 96,9 96,5
3 Oxycodon-HCl ratiopharm 40 mg I15102 95,2 98,3
4 Oxycodon-HCl Hexal40 mg 8E0317 96,7 96,6
5 Oxycodon-HCl-CT 40 mg I07844 94,9 94,6
6 Oxycodon-HCl beta 40 mg 1192007 95,8 94,2
7 Oxycodon-HCl Stada 40 mg 81104 93,7 94,7

In-vitro-Freisetzung

 

Auch die In-vitro-Freisetzung wurde nach den Vorgaben der Monographie für »Oxycodon Hydrochloride Extended-Release Tablets« der USP 31 durchgeführt. Als Freisetzungsmedium wurde SGF (simulated gastric fluid) verwendet. Nach 1, 2, 4, 6 und 8 Stunden Dissolution wurden Proben gezogen und deren Oxycodongehalt bestimmt. Gemessen wurden die UV-Absorptionen der Probelösungen bei 226 nm. Die Auswertung erfolgte durch Vergleich mit Oxycodon-HCl-Standard­lösung definierter Konzentration und Korrektur mit dem Blind­wert (SGF).

Wie die von uns durchgeführten Freisetzungsuntersuchungen zeigen, sind die unterschiedlich­en Retardierungsprinzipen ins­besondere in den ersten 4 Stun­den der Freisetzung erkennbar. Nach 8 Stunden ist bei allen Präparaten eine nahezu voll­ständige Wirkstofffreisetzung einge­treten (Abbildung 1).

 

BCS

 

Für die Beurteilung der Löslichkeit wurden gemäß dem »Biopharmazeutischen Klassifizierungssystem« (BCS) Löslichkeitsversuche mit 80 mg Oxycodon, entsprechend der höchsten therapeutischen Tagesdosis, in jeweils 250 mL Testmedium mit unterschiedlichen pH-Werten (1,0, 4.6 und 6,8) bei 37 °C durchgeführt. In allen drei Testmedien ging der Wirkstoff komplett in Lösung. Oxycodon zeichnet sich damit durch eine hohe Löslichkeit im gesamten Gastrointestinaltrakt aus.

 

Die Permeabilität von Oxycodon wurde im ZL analog den Richtlinien mithilfe der CaCo-2-Zellkultur unter variablen experimentellen Bedingungen untersucht. Der im ZL ermittelte Permeationskoeffizient (apikal-nach-basolateral) für die höchste Einzeldosis beträgt 41,03 E-6 cm/s und deutet somit auf eine hohe Permeabilität von Oxycodon hin. Zudem weist der geringere Permeationskoeffizient von 9,65 cm/s bei 4 °C (apikal-nach-basolateral) auf eine deutliche Temperaturabhängigkeit des Transports und damit auf einen aktiven Transportmechanismus hin. Darüber hi-naus ist die Unabhängigkeit der Permeabilität von der Konzentration ein weiterer Indiz für einen aktiven Transportmechanismus (Permeationskoeffizient apikal-nach-basolateral für 40 mg Oxycodon 34.40 E-6 cm/s).

 

Der höhere Permeationskoeffizient von 101.88 E-6 cm/s in umgekehrter Transportrichtung (basolateral-nach-apikal) lässt darauf schließen, dass Oxycodon als Substrat für Efflux-Proteine fungieren kann. Allerdings handelt es sich bei Oxycodon nicht um ein p-Glykoprotein-Substrat, da die Zugabe von Verapamil zum Transportmedium zu keinen signifikanten Änderungen des Permeationskoeffizienten führte, weder in der apikalen-nach-basolateralen (34.83 E-6 cm/s) noch in der basolateralen-nach-apikalen (103.77 E-6 cm/s) Richtung.

 

Die in vitro ermittelten Permeabilitätsdaten spiegeln sich auch in vivo nach oraler Einnahme von Oxycodon wieder, wie die pharmakokinetischen Eigenschaften von Oxycodon bestätigen. So reflektiert sich die hohe Permeabilität und der Efflux in einer oralen Bioverfügbarkeit von 60 bis 87 Prozent wieder (1).

 

Auf der Basis der experimentellen Erkenntnisse im Rahmen des biopharmazeutischen Klassifizierungssystems ist Oxycodon den Arzneistoffen der BCS-Klasse I zuzuordnen, die eine hohe Löslichkeit und eine hohe Permeabilität aufweisen.

 

Zusammenfassung

 

Die vorliegende Studie belegt zweifelsfrei die pharmazeutisch-technologische Qualität der untersuchten Arzneimittel. Während die generischen Präparate vergleichbare beziehungsweise nahezu identische Freisetzungsprofile zeigen, unterscheidet sich das Freisetzungsverhalten des Innovatorproduktes nicht unerheblich von jenem der generischen Produkte. Opioid-Retardpräparate gehören zu jenen Arzneimitteln, deren Austausch unseres Erachtens nur nach den Kriterien der GSP-Leitlinie der DPhG erfolgen sollte.

 

Hinweis

 

Die Hersteller der geprüften Produkte wurden vor der Publikation und unter Vorgabe einer Widerspruchsfrist von den Ergebnissen unterrichtet. Folgende Stellungnahmen und Einsprüche gegen die Veröffentlichung der Daten sind im ZL eingegangen: Die Fa. ratiopharm meldet, »...die Nachuntersuchung von Rückstellmustern der betroffenen Chargen mit der für diese Produkte zugelassenen, validierten Methode ergab deutlich abweichende (höhere) Werte für den Wirkstoffgehalt. Die Abweichung gegenüber Ihren Ergebnissen lag außerhalb der normalen analytischen Schwankungsbreite... Wir gehen daher davon aus, dass die von Ihnen gewählte Untersuchungsmethode nach USP für unsere Produkte ungeeignet ist. Auch die für das Produkt gemeldete und damit gültige Spezifikation für die Freisetzung unterscheidet sich deutlich von der von Ihnen zugrunde gelegten USP Spezifikation. Die Nachuntersuchungen der betroffenen Chargen bestätigen, dass die Produkte immer noch voll der Freigabespezifikation entsprechen. Im Übrigen halten wir den Bezug von europäischen Fertigarzneimitteln auf eine USP Monographie für grundsätzlich unzulässig, es sei denn im Zulassungsdossier ist dieser Bezug explizit festgelegt...«

 

Die Fa. Stada bittet um Bekanntmachung, »...unser Produkt ist nicht auf Basis der USP Monographie zugelassen. Die dortigen Spezifikationen entsprechen nicht denen in unserem Zulassungsdossier. Der Nachweis der Eignung der USP-Monographie steht aus, auch hat Ihnen kein Placebo vorgelegen, um ggfls. Hilfsstoffeinwirkungen auszuschließen... Die Prüfungen an unseren Referenzmuster mit den Methoden aus dem Zulassungsdossier ergaben Werte innerhalb unserer Laufzeitspezifikation«.

Abschließende Bemerkung des ZL

 

Das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker hat als unabhängige Instanz den satzungs­gemäßen Auftrag, einen Beitrag zur Arzneimittelsicherheit in der Bundesrepublik Deutschland zu leisten. In unseren vergleichenden Untersuchungen können wir uns nur nach den Vorgaben geltender Arzneibücher richten, da deren Methoden als valide zu betrachten sind.

 

Wir möchten an dieser Stelle aber hervorheben, dass die in den Pharmakopöen veröffentlichten Verfahrensweisen häufig von den herstellerspezifischen Methoden abweichen.

 

Eine Gehaltsbestimmung oder Freisetzungsuntersuchungen nach Arzneibuchmonographie für Darreichungsformen können (im Gegensatz zu Methoden für den reinen Wirkstoff) zu Ergebnissen führen, die von denen der Hersteller abweichen, weil normalerweise erst nach einer Validierung in Bezug auf die Produktmatrix aussagekräftige Ergebnisse erhalten werden. Wir bitten (auch die Hersteller) um Verständnis, wenn das ZL leider nicht für jedes einzelne Präparat Untersuchungen anstellen kann, die mit gerade den Methoden erfolgen, die speziell für die jeweilige Formulierung entwickelt und validiert wurden. /

Literatur

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Ordóñez Gallego A, González Barón M, Espinosa Arranz E. Oxycodone: a pharmacological and clinical review. Clin Transl Oncol, 2007, 9(5), 298–307.

 

Kontakt:

Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker e. V.

Carl-Mannich-Straße 20

65760 Eschborn

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