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Brustkrebsrisiko

Wann ein Gentest sinnvoll ist

28.03.2018  10:13 Uhr

Von Annette Mende, Berlin / Eine Mutation in einem der Tumorsuppressor-Gene BRCA1 oder BRCA2 erhöht das Risiko für Brust- und Eierstockkrebs drastisch. Das ist einer breiten Öffentlichkeit spätestens seit Angelina Jolies prophylaktischer Brustentfernung bekannt. In der Mehrzahl der Fälle hat Brustkrebs aber andere Ursachen.

Wenn eine der schönsten Frauen der Welt bekannt gibt, dass sie keine Brüste mehr hat, erregt das große Aufmerksamkeit. Der Artikel in der »New York Times«, in dem die Schauspielerin Angelina Jolie 2013 über »My Medical Choice« (Meine Medizinische Entscheidung) informierte, fand deshalb ein starkes Echo. Mit einem Schlag wurde aller­orten über Risikogene, erhöhte Erkrankungswahrscheinlichkeiten und prophylak­tische Mastektomien diskutiert.

 

Bei den BRCA-Mutationen (die ­Abkürzung steht für Breast Cancer) handelt es sich, Ihrer Bekanntheit zum Trotz, um seltene Genveränderungen. »Sie liegen nur bei etwa 5 Prozent der Brustkrebspatientinnen vor«, sagte Dr. Karin Kast, gynäkologische Onko­login am Universitätsklinikum Dresden, beim Krebskongress in Berlin. Ein Gentest sei deshalb nur dann sinnvoll, wenn die Familien­anamnese auf ein stark erhöhtes Brust- oder Eierstockkrebsrisiko schließen lasse. Dafür, wann diese Voraussetzung erfüllt ist, hat das Deutsche Konsortium für Familiären Brust- und Eierstockkrebs Kriterien festgelegt (siehe Kasten).

 

Erhöhte Wahrscheinlichkeit

Der Nachweis einer BRCA1- oder BRCA2-Mutation bedeutet für die Frau, dass ihr Risiko für Brust- oder Eierstockkrebs deutlich erhöht ist. Laut einer 2017 im Fachjournal »JAMA« erschienenen Arbeit erkranken Frauen mit der etwas häufigeren BRCA1-Mutation bis zum 80. Lebensjahr mit einer Wahrscheinlichkeit von 72 Prozent an Brustkrebs und mit einer Wahrscheinlichkeit von 44 Prozent an Eierstockkrebs. Für BRCA2-Mutationsträgerinnen betrugen die entsprechenden Werte 69 Prozent beziehungsweise 17 Prozent (DOI: 10.1001/jama.2017.7112). »Dies sind jedoch keine absoluten Risiken«, betonte Kast. Das individuelle Risiko moduliere sich in Abhängigkeit von anderen, zusätzlich zur BRCA-Mutation vorliegenden genetischen Varianten und wahrscheinlich auch vom Lebensstil.

 

Weitere Genmutationen, die das Risiko für Brust- und/oder Eierstockkrebs erhöhen können, sind beispielsweise RAD51C, RAD51D, TP53, CDH1, CHEK2, PALB2 und ATM. Sie sind seltener als die BRCA-Mutationen und noch nicht so gut erforscht. Eine Quantifizierung, wie stark sie das jeweilige Risiko erhöhen, sei deshalb noch nicht abschließend möglich, so Kast.

 

Über BRCA weiß man dagegen schon genug, um betroffene Frauen hinsichtlich einer prophylaktischen Entfernung der Brüste beziehungsweise Eierstöcke beraten zu können. »Hier ist zu unterscheiden zwischen gesunden und bereits erkrankten Frauen«, sagte Kast. Bei Gesunden stehe außer Frage, dass dies die wirksamste Maßnahme ist, um das lebenslange Risiko zu reduzieren. Es sinke nach beidseitiger Brustentfernung um 90 bis 95 Prozent, unter das der Allgemeinbevölkerung. Gänzlich auszuschließen sei eine Brustkrebserkrankung jedoch auch dann nicht, da immer ein wenig Brustdrüsengewebe zurückbleibe.

 

Frauen mit BRCA-Mutation erkranken nicht nur häufiger an Brust- und Eierstockkrebs, sondern auch in jüngeren Jahren. Beim Brustkrebs ist das mittlere Erkrankungsalter 42 Jahre. »Die Entscheidung für oder gegen eine prophylaktische Brustentfernung kann also nicht ins 50. Lebensjahr hinaus­geschoben werden«, sagte Kast. Vor dem 25. Lebensjahr werde eine Mast­ektomie allerdings nur dann empfohlen, wenn Familienangehörige bereits in sehr jungen Jahren an Brustkrebs erkrankt sind. Hinsichtlich des Eierstockkrebses haben Betroffene etwas längere Bedenkzeit. Hier steigt das Risiko erst ab dem 40. Lebensjahr deutlich an, sodass die Entscheidung über eine vorsorgliche Entfernung Zeit hat bis nach Abschluss der Fami­lienplanung.

 

Erst die Therapie, dann die Prävention

 

Bei bereits erkrankten Frauen mit BRCA-Mutation steht zunächst die Behandlung der Krebserkrankung im Vordergrund. »Das Risiko für eine Metastasierung kann durch eine Entfernung der Brüste nicht gesenkt werden«, informierte Kast. Es sei deshalb möglich, eine prophylaktische Entfernung der nicht erkrankten Brust erst etwa zwei bis drei Jahre nach dem Abschluss der onkologischen Therapie in Angriff zu nehmen.

 

In jedem Fall müssen betroffene Frauen fundiert über die verschiedenen Optionen aufgeklärt und im Fall einer Operation psychologisch betreut werden. »Eine prophylaktische Brustentfernung ist keine Selbstverständlichkeit«, betonte Kast. Betroffene sollten sich in jedem Fall vorher eine Zweitmeinung in einem spezialisierten Zentrum einholen, das dem Deutschen Konsortium Familiärer Brust- und Eierstockkrebs angeschlossen ist (www.konsortium-familiaerer-brustkrebs.de/). /

Testvoraussetzungen

Das Deutsche Konsortium für Familiären Brust- und Eierstockkrebs hat Kriterien festgelegt, unter denen ein Test auf BRCA-Mutation sinnvoll ist. Die Familie des Vaters und die der Mutter sind dabei grundsätzlich getrennt zu beurteilen. Die Voraussetzungen sind (jeweils in einer Familie):

 

  • mindestens drei Frauen mit Brustkrebs, unabhängig vom Alter
  • mindestens zwei Frauen mit Brustkrebs, davon eine Erkrankung vor dem 51. Lebensjahr
  • mindestens eine Frau mit Brustkrebs und eine Frau mit Eierstockkrebs
  • mindestens zwei Frauen mit Eierstockkrebs
  • mindestens ein Mann mit Brustkrebs
  • mindestens eine Frau mit Eierstockkrebs und ein Mann mit Brustkrebs
  • mindestens eine Frau mit Brustkrebs vor dem 36. Geburtstag
  • mindestens eine Frau mit beidseitigem Brustkrebs, wobei die Ersterkrankung vor dem 51. Geburtstag war
  • mindestens eine Frau mit Brust- und Eierstockkrebs
  • mindestens eine Frau mit dreifach negativem Brustkrebs vor ihrem 50. Lebensjahr
  • mindestens eine Frau mit Eierstockkrebs vor ihrem 80. Lebensjahr

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