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Interaktionen

Klinisch relevante Wechselwirkungen

Datum 25.03.2014  16:45 Uhr

Von Maria Pues, Frankfurt am Main / Inhaltsstoffe aus Ginkgo, Johanniskraut oder auch Grapefruit können die Wirkung anderer Arzneimittel verstärken oder abschwächen. Viel relevanter als die meisten Interaktionen von Phytopharmaka sind dabei die Wechselwirkungen mit Grapefruitsaft.

Die Zahl der Veröffentlichungen zu Wechselwirkungen zwischen pflanz­lichen und synthetischen Arzneistoffen ist in den letzten Jahren geradezu exponenziell angestiegen: Von elf Reviews und 146 Originalarbeiten im Jahr 1997 auf 500 Reviews und 1681 Originalarbeiten im vergangenen Jahr. Das zeigt eine PubMed-Literaturrecherche. »Doch gilt das auch für die Zahl der Interaktionen selbst?« Mit dieser Frage leitete Privatdozent Dr. Matthias Unger von der Universität Würzburg seinen Vortrag ein, den er im Rahmen einer Reihe der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft in Frankfurt am Main hielt.

 

CYP3A4 in Leber und Darm

Dreh- und Angelpunkt zahlreicher Wechselwirkungen ist das Cytochrom-P-450-Enzym 3A4 (CYP3A4). Zu etwa 60 Prozent findet es sich in der Leber, aber auch im Dünndarm wird es stark exprimiert. Es ist am Metabolismus von gut der Hälfte aller Arzneistoffe beteiligt. Zu Wechselwirkungen kann es dabei nicht nur mit anderen Arzneistoffen kommen, sondern auch mit Lebensmitteln – allen voran Grapefruitsaft, erläuterte Unger. Dabei erhöht sich die Bioverfügbarkeit von Arzneistoffen mit hohem intestinalem First-Pass-Effekt, indem CYP3A4 in den Enterozyten des Dünndarms gehemmt wird. Der First-Pass-Effekt nimmt ab, die Bioverfügbarkeit steigt und damit auch die Gefahr von Nebenwirkungen.

 

Betroffene Arzneistoffe sind zum Beispiel viele Statine (aber nicht Prava­statin), Nifedipin oder Ciclosporin. »Verantwortlich für den Effekt sind vermutlich Bestandteile aus der Grapefruitschale, die beim industriellen Pressen in den Saft gelangen«, erläuterte Unger. Sie blockieren CYP3A4 im Dünndarm schnell und irreversibel; bis neues CYP3A4 nachproduziert ist, dauert es bis zu drei Tage.

 

In der Leber wird das Enzym hingegen erst nach Genuss größerer Mengen Grapefruitsafts gehemmt. Eine frühere Lehrmeinung, wonach der regelmäßige Genuss von Grapefruitsaft den Effekt ausgleiche, gilt damit als widerlegt. Wer betroffene Arzneimittel benötigt, sollte keinen Grapefruitsaft trinken, da dann keine kalkulierbare und reproduzierbare Wirkung mehr zu erzielen sei, so Unger. Zu bedenken sei dabei auch, dass Grapefruitsaft keine gleichbleibende Zusammensetzung habe.

 

Johanniskraut und Ginkgo

 

Johanniskraut induziert die Bildung einer ganze Reihe von Cytochrom- P-450-Enzymen und des Transportproteins P-Glykoprotein (P-gp), und zwar im Dünndarm, in der Leber und in der Niere. »Verantwortlich dafür ist Hyperforin«, informierte Unger. Die Enzym­induktion führt dazu, dass betroffene Arzneistoffe nach einigen Tagen stärker abgebaut werden als ohne die Einnahme eines Johanniskrautpräparats und die Wirkspiegel sinken. Dies kann beispielsweise bei Verwenderinnen von oralen Kontrazeptiva zu Zwischenblutungen führen. Sie sollten daher zusätzliche Methoden zur Empfängnisverhütung einsetzen, riet Unger. Weitere Studien zeigten eine klinisch relevante Abnahme der Wirkspiegel von verschiedenen Chemotherapeutika, Simvastatin und Omeprazol.

Entwarnung gab Unger für Echinacea-Präparate, sofern sie in Europa als Arzneimittel zugelassen sind. Studien haben hier zwar einen Effekt gezeigt, dieser sei klinisch aber nicht relevant. Anders sehe es mit Nahrungsergänzungsmitteln aus den USA aus, da diese häufig höher konzentriert seien und mehr Wurzelanteile enthielten.

 

Ginkgoextrakte verursachen in therapeutischen Dosen keine Änderung der Bioverfügbarkeit von synthetischen Arzneistoffen, beruhigte der Referent. Diese Aussage gelte für Arzneimittel, die nach den Vorschriften des europäischen Arzneibuches hergestellt und standardisiert seien. »Goldstandard ist der Extrakt EGb 761®«, so Unger.

 

In-vitro-Studien zeigen zwar ein hohes Interaktionspotenzial. Demnach hemmt Ginkgo biloba in Zellstudien CYP1A2/ 2C9 und CYP3A4, erhöht bei Ratten Lebergewicht und verändert das Steroidmuster, inhibiert OATP2B1 oder induziert unter anderem CYP2B6 und CYP3A4. Klinische Effekte ließen sich aber nicht eindeutig zeigen. So erhöhte EGb 761 in einer Studie zwar die Wirkspiegel von Midazolam, in einer anderen senkte der Extrakt sie aber. Oft stellte sich gar kein statistisch signifikanter Effekt ein.

 

Die Zahl der bekannten Wechselwirkungen zwischen pflanzlichen und synthetischen Arzneimitteln sei nicht in demselben Ausmaß angewachsen wie die Veröffentlichungen zu diesem Thema, schloss Unger. Außer bei Arzneimitteln mit Johanniskraut seien bisher keine klinisch relevanten Wechselwirkungen mit zugelassenen Phytopharmaka bekannt. Voraussetzung für eine zuverlässige Beurteilung sei aber, dass arzneibuchkonforme Extrakte in regulären Dosierungen verwendet würden. Zwar gebe es eine große Zahl von Studien zu möglichen Wechselwirkungen, doch seien aus In-vitro-Daten Aussagen zu klinisch relevanten Interaktionen nicht ohne Weiteres ableitbar. Eine positive In-vitro-in-vivo-Korrelation fehle häufig. /

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