Verblisterung kann sich lohnen |
08.04.2008 17:37 Uhr |
Verblisterung kann sich lohnen
Von Annette Immel-Sehr
Die Neuverblisterung von Tabletten und Kapseln in der Apotheke ist zeit- und kostenträchtig. Doch es gibt gute Gründe, diesen Service anzubieten. Damit sich die Dienstleistung rechnet, ist ein professionelles Management nötig.
Gerade für die Arzneiversorgung in Alten- und Pflegeheimen kann die patientenindividuelle Neuverblisterung oraler Arzneiformen sinnvoll sein. Sie entlastet das Pflegepersonal erheblich und trägt zur Arzneimittelsicherheit bei. Eine Herstellungserlaubnis nach Arzneimittelgesetz brauchen Apotheken übrigens nicht, wenn sie für ihre Patienten verblistern.
In der Regel erfolgt die Neuverblisterung in der Apotheke manuell in Multi-dose- oder Unit-dose-Blisterkarten. Das Multi-dose-System in Form der Wochen-blisterkarte ist in Deutschland das gebräuchlichste: alle zu einem Einnahmezeitpunkt benötigten Tabletten befinden sich gemeinsam in einer Vertiefung der Blisterkarte. Bei dem hierzulande seltenen Unit-dose-System wird dagegen jedes Medikament einzeln für den Bedarf von vier Wochen gemäß Dosierungsschema verblistert. Sollte sich etwas an der Medikation ändern, braucht dann lediglich die entsprechende Blisterkarte ausgetauscht zu werden.
Eine patientenindividuelle Neuverblisterung ist nur bei einer stabilen Dauermedikation mit mehreren festen oralen Arzneimitteln sinnvoll. Bei dauernd wechselnder Dosierung oder häufiger zusätzlicher Akutmedikation macht die Neuverblisterung keinen Sinn. Idealerweise wird der gesamte Arzneimittelbedarf eines Patienten verblistert.
Tilo Stolzke, Geschäftsführer der Unternehmensberatung sananet GmbH, berät Apotheker, die überlegen, selbst zu verblistern. »Wenn jemand nur deswegen verblistern will, weil das Heim das verlangt, dann rate ich in der Regel ab. Ein solcher Zwang ist eine schlechte Grundlage für die erforderlichen organisatorischen Umstrukturierungen. Anders sieht es aus, wenn man aufgrund strategischer Überlegungen verblistern will. Dann lohnt es sich, einen strukturierten Prozess festzulegen und die Leistung schrittweise aufzubauen.«
Was benötigt wird
Wer in der Apotheke verblistern will, benötigt eine entsprechende Software für die Verwaltung und Dokumentation. Mit ihr werden unter anderem Name und Geburtsdatum des Patienten, Arzneimittel nach Art und Menge, Dosierungs- und Einnahmevorschriften, Arzt, Heim und Station erfasst. Die meisten Anbieter von Warenwirtschaftssystemen für Apotheken haben auch eine solche Software im Sortiment. Für das eigentliche Verblistern braucht man Blisterkarten und -folien und je nach System auch ein Schweißgerät. Des Weiteren sind Lagerbehältnisse und -platz für die noch nicht aufgebrauchten Arzneimittelpackungen der Patienten erforderlich.
Klein beginnen, langsam wachsen
»Für bis zu 50 Patienten kann man sozusagen nebenbei verblistern, indem man einen Arbeitsplatz dafür freiräumt und sich ausreichend Zeit für die Arbeit nimmt«, so Stolzke. »Hat man mehr Patienten zu versorgen, ist ein klar strukturierter Prozess nötig. Man braucht einen separaten Raum dafür und (um auch für den Krankheits- und Urlaubsfall gerüstet zu sein) mindestens drei Personen, die sich mit der Arbeit auskennen.« Verblistern per Hand ist eine absolute Konzentrationsarbeit. Da müssen auch die Pausen fest eingeplant werden.
Man sollte nicht mit zu vielen Patienten beginnen, rät Stolzke, sondern die Kapazität schrittweise erweitern. Einen Blisterautomaten anzuschaffen ist nach seiner Erfahrung erst erforderlich, wenn man plant, für mehr als 600 Patienten zu verblistern. Da ein solcher Automat jedoch eine größere Investition ist, haben sich in einigen Regionen Apotheken für die gemeinsame Anschaffung und Nutzung zusammengeschlossen. Grundsätzlich kann man die Verblisterung auch ganz auslagern und spezialisierte Anbieter beauftragen.
Damit alles gut läuft, muss im Apothekenteam die Zuständigkeit für Verblisterung und Kontrolle sowie die Vertretung klar festgelegt werden. Eine entsprechende Schulung des Personals für diese verantwortungsvolle Aufgabe sollte selbstverständlich sein. Auch muss klar sein, wer der feste Ansprechpartner für die Patienten, das Alten- oder Pflegeheim und den Arzt ist. Denn ein guter Informationsfluss ist unabdingbar, damit auf Änderungen in der Verordnung, gewünschte Selbstmedikation und auf arzneimittelbezogene Probleme sofort reagiert werden kann.
Lohnt sich der Aufwand?
Für die Neuverblisterung fallen Personal- und Materialkosten an: Man rechnet bei Verblisterung per Hand etwa 3,20 bis 6 Euro pro Blister. Leider sind Pflegeeinrichtungen nicht immer bereit, diese Kosten ganz oder zumindest teilweise zu übernehmen. Vielmehr erwarten sie die Verblisterung als kostenlosen Apothekenservice. Doch man sollte nicht gleich klein beigeben, schließlich ist die Neuverblisterung eine wertvolle pharmazeutische Dienstleistung, von der das Heim direkt durch die Arbeitsentlastung des Personals profitiert. Doch auch wenn die Heimleitung nicht von diesem Argument zu überzeugen ist, kann sich Verblisterung für den Apothekenbetrieb noch rechnen. »Wenn man bedenkt, was an dieser Leistung noch alles dranhängt und welches Potenzial darin steckt, dann kann sie für die Apotheke sehr lohnend sein und ein wichtiges Marketinginstrument für die Zukunft werden«, so Tilo Stolzke.
Neuverblisterung ist nicht nur ein Angebot in der Belieferung von Alten- und Pflegeheimen. Ein individueller Wochenblister ist auch für chronisch Kranke, die eine Vielzahl von Medikamenten einnehmen müssen, eine Hilfe. Gerade auch im Zusammenhang mit Pharmazeutischer Betreuung kann Neuverblisterung eine wertvolle Unterstützung der Compliance sein. Zudem ist sie zweifellos ein gutes Instrument zur Kundenbindung. Den Preis für diese Leistung kann der Apotheker übrigens frei kalkulieren.