Neues Medikament bei Lungenfibrose |
18.03.2015 09:26 Uhr |
Von Brigitte M. Gensthaler, München / Für Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose steht seit Mitte März eine neue Therapieoption zur Verfügung. Der Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) Nintedanib kann den Verlust der Lungenfunktion und die Krankheitsprogression verlangsamen.
Im Januar kam das peroral bioverfügbare Nintedanib auf den deutschen Markt – als Vargatef® zur Behandlung bestimmter Lungenkrebs-Formen (lesen Sie dazu Neue Therapieoption bei Lungenkrebs, PZ 06/2015). Nahezu zeitgleich erfolgte die EU-Zulassung zur Behandlung von Patienten mit einer seltenen Erkrankung, der idiopathischen Lungenfibrose (IPF, Kasten). Unter dem Namen Ofev® steht das Medikament seit Mitte März als Erstlinien-Therapie für erwachsene IPF-Patienten zur Verfügung.
Verlust an Lungenvolumen
Typisch für die IPF: Es kommt zu einer ungebremsten Vermehrung von Fibroblasten und einer überschießenden Narbenbildung, vor allem im interstitiellen Bindegewebe der Lunge (Lungenparenchym). An diesem Prozess seien diverse Wachstumsfaktoren beteiligt, erklärte Dr. Matthias Klüglich von Boehringer Ingelheim bei der Launch-Pressekonferenz in München. Nintedanib hemmt unter anderem die Rezeptor-Tyrosinkinasen der Wachstumsfaktoren VEGF, FGF und PDGF, unterbricht den Signalweg und damit die pathologische Narbenbildung.
Die Computertomografie ist neben Lungenfunktionstest und -spiegelung ein Pfeiler der Diagnose der Lungenfibrose.
Foto: Shutterstock/Ikonoklast Fotografie
Den Beleg dafür, dass dies den Patienten nützt, lieferte die Phase-II-Studie TOMORROW mit 480 Patienten, berichtete der Forschungsleiter. Nahmen die Patienten zweimal täglich 150 mg Nintedanib ein, verlangsamte sich der Verlust an Lungenvolumen, gemessen als FVC (forcierte Vitalkapazität), deutlich und klinisch relevant im Vergleich zu Placebo, Der Effekt sei dosisabhängig.
Die beiden Phase-III-Studien INPULSIS-1 und -2 stellte Dr. Francesco Bonella vom Westdeutschen Lungenzentrum der Uniklinik Essen vor. In die placebokontrollierten Doppelblindstudien wurden weltweit 1066 IPF-Patienten, darunter 95 aus Deutschland, eingeschlossen. Sie erhielten 52 Wochen lang täglich zweimal 150 mg Nintedanib oder Placebo. Primärer Studienendpunkt war die Abnahme des FVC.
In beiden Studien halbierte sich unter Nintedanib in etwa der jährliche FVC-Verlust im Vergleich zu Placebo. Der Benefit sei hochsignifikant und unabhängig vom FVC-Ausgangswert gewesen, berichtete der Arzt. Dies bedeute, dass Patienten mit unterschiedlich schwerer Erkrankung von der Therapie profitieren können. Zudem sei der Anteil an Patienten mit jährlichen FVC-Verlusten von mehr als 5 oder mehr als 10 Prozent signifikant niedriger gewesen, wies Bonella auf einen sekundären Endpunkt hin. Dies zeige eine Verlangsamung der Krankheitsprogression an. Auch das Risiko für akute Exazerbationen – plötzliche massive Verschlimmerung der Atembeschwerden – ging deutlich zurück.
Nebenwirkungen gut beherrschbar
Nahezu zwei Drittel der Patienten litten unter Nintedanib an Durchfällen, die laut Bonella mit Antidiarrhoika meist gut beherrschbar waren. Dies sei eine typische Nebenwirkung von TKI. Ein Viertel litt an Übelkeit und bis zu 15 Prozent der Patienten husteten.
Derzeit läuft die Verlängerungsstudie. Nach Angaben des Arztes bekommen etwa 95 Prozent der Studienteilnehmer weiterhin Nintedanib. Ob dieses auch bei anderen fibrotischen Erkrankungen wirksam ist, wird noch untersucht. /
Die idiopathische Lungenfibrose (IPF) ist eine chronisch-progressive Lungenerkrankung, die die Patienten schwer beeinträchtigt und in der Regel zum Tod führt. In Deutschland sind etwa 16 000 Menschen erkrankt. Aus bislang unbekannter Ursache kommt es zu einer fortschreitenden Vernarbung (Fibrose) des Lungengewebes. Dadurch nimmt die Lungenfunktion kontinuierlich ab. Mit der Verdickung und Versteifung des Gewebes verliert das Organ allmählich seine Fähigkeit, Sauerstoff aufzunehmen und an den Blutkreislauf abzugeben. Menschen mit IPF leiden an zunehmender Atemnot und trockenem Husten; viele haben Probleme, alltägliche körperliche Tätigkeiten zu verrichten.
Die Prognose ist schlecht: Die mediane Überlebenszeit nach Diagnosestellung beträgt drei bis vier Jahre. Jedoch verläuft die IPF sehr variabel und kann auch langsam vorangehen. Mehr Informationen gibt es unter www.soundsofipf.de (von Boehringer) und beim Verein Lungenfibrose unter www.lungenfibrose.de.