Spahn stellt die Systemfrage |
20.03.2012 16:37 Uhr |
Von Stephanie Schersch / CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn hat die Zukunft der Privaten Krankenversicherung (PKV) infrage gestellt. Damit bricht er ein Tabu in der Union.
Jens Spahn liebt die Provokation. Nicht selten prescht der gesundheitspolitische Sprecher der Union mit Ideen vor, die viele in seiner eigenen Partei so nicht unterstützen wollen. Das dürfte auch auf seine jüngsten Äußerungen zur PKV zutreffen. In einem Interview mit der Tageszeitung »Die Welt« bezeichnete er die Trennung in Gesetzliche und Private Krankenversicherung als »nicht mehr zeitgemäß«. »Dass nur Selbstständige, Beamte und Gutverdiener sich privat versichern können, lässt sich nur noch historisch begründen«, sagte Spahn.
Keine Mehrheit
Für die Zweiteilung der Krankenversicherung sei nicht einmal mehr auf einer CDU-Mitgliederversammlung eine Mehrheit zu finden. Ohnehin bewegten sich Gesetzliche und Private Krankenversicherung bereits jetzt immer weiter aufeinander zu. So profitierten Privatversicherer von gesetzlichen Arzneirabatten und die Krankenkassen nutzten mit Wahl- und Zusatztarifen typische Instrumente der privaten Anbieter.
Jens Spahn hält die Trennung in Gesetzliche und Private Krankenversicherung für nicht mehr zeitgemäß.
Foto: PZ/Archiv
Spahn sprach zudem von »existenziellen Problemen« der PKV. Wachsende Kosten würden zu steigenden Beiträgen führen. Darüber hinaus müssten die privaten Anbieter fast jede Rechnung bezahlen, die eingereicht wird. »Das nutzt ein Teil der Ärzte und Kliniken, aber auch der Versicherten aus.«
In einem einheitlichen Versicherungsmarkt solle als Grundversorgung der Leistungsumfang der heutigen Gesetzlichen Krankenversicherung gelten, so Spahn. Alles, was darüber hinausgeht, könne über Zusatzversicherungen laufen. »Entscheidend ist, dass jeder gleichberechtigt Zugang zur medizinisch notwendigen Versorgung hat.«
Dass diese Worte ausgerechnet aus der CDU kommen, überrascht. Die Union gilt eigentlich als Verfechterin der zweigeteilten Krankenversicherung. In der Schwesterpartei macht sich Spahn daher keine Freunde mit seinen Äußerungen. Der Vorschlag sei nicht abgestimmt gewesen, hieß es bei CSU-Gesundheitsexperte Johannes Singhammer. Er verwies auf den Koalitionsvertrag. Darin bekennen sich Union und FDP ausdrücklich zur PKV als Voll- und Zusatzversicherung. Auch Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) betonte, das System von Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung müsse erhalten bleiben. Applaus bekam Spahn hingegen aus der Opposition. »Die beste Lösung für die Privatversicherten wäre, das System geregelt abzuschaffen«, sagte Harald Weinberg von der Linkspartei.
Ginge es nach SPD, Grünen und Linken, wäre das Ende der Privaten Krankenversicherung längst beschlossene Sache. Sie wollen eine Bürgerversicherung einführen. Auch wenn die Modelle der Parteien in einigen Punkten auseinandergehen, laufen sie im Kern auf dasselbe Ziel hinaus: Langfristig sollen alle Bürger, auch Selbstständige und Beamte, in die Bürgerversicherung als eine Art Pflichtversicherung eintreten. Die PKV in ihrer heutigen Form wäre damit de facto abgeschafft. Spahn will innerhalb der Union ein Alternativmodell erarbeiten. »Wer den Wettbewerb im Interesse der Versicherten erhalten und stärken will, braucht eine überzeugende Alternative zur Bürgerversicherung«, sagte er.
Der Dachverband der Privaten Krankenversicherung reagierte alarmiert. Die gute medizinische Versorgung in Deutschland »kann nur mithilfe des stabilen Finanzbeitrags der Privaten Krankenversicherung gesichert werden«, sagte PKV-Verbandschef Volker Leienbach. Ähnlich äußerte sich der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery. »Die Koexistenz von Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung zählt zu den Stärken des deutschen Gesundheitssystems.«
Rechtliche Bedenken
Unklar ist, inwiefern eine Abschaffung der Privaten Krankenversicherung überhaupt möglich ist. Rechtsexperten bezweifeln, dass dies juristisch sauber gelöst werden kann. So ist nicht geklärt, was mit den Altersrückstellungen geschieht, die privat Versicherte angespart haben. Darüber hinaus gilt für die Verträge der privaten Anbieter Bestandsschutz, sie können also nicht einfach aufgelöst werden. Die SPD schlägt in ihrem Modell zur Bürgerversicherung daher vor, die bislang rund 9 Millionen privat Versicherten in der PKV zu belassen. Neukunden dürften die privaten Versicherer hingegen nicht mehr aufnehmen. Eine solche Variante würde vielen Anbietern jedoch vermutlich die wirtschaftliche Grundlage entziehen. Dagegen könnten sie klagen.
Nach Ostern wollen CDU und CSU auf einer Klausurtagung über die Zukunft der Privaten Krankenversicherung diskutieren. Auch wenn der Vorstoß Spahns nicht abgesprochen war, scheint der Rückhalt der PKV innerhalb der Union doch zu bröckeln. Von den im Bundestag vertretenen Parteien wäre dann nur noch die FDP für den bedingungslosen Erhalt der Privaten Krankenversicherung. /