Alles auf Los |
07.03.2018 10:35 Uhr |
Von Stephanie Schersch und Ev Tebroke / Nach dem Ja der SPD zur Großen Koalition steht einer Neuauflage von Schwarz-Rot nichts mehr im Weg. Bereits in der kommenden Woche soll Jens Spahn (CDU) zum Gesundheitsminister ernannt werden. Seine Agenda für die kommenden vier Jahre ist lang und teuer.
Ein knappes halbes Jahr nach der Wahl kann die Bundesregierung endlich ihre Arbeit aufnehmen. Am kommenden Mittwoch soll Angela Merkel im Bundestag erneut zur Kanzlerin gewählt werden. Direkt im Anschluss wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) dann aller Voraussicht nach die Minister im Schloss Bellevue ernennen, danach erfolgt die Vereidigung im Bundestag. Jens Spahn wird dann offiziell Gesundheitsminister sein und Hermann Gröhe (CDU) ablösen, der aus dem Kabinett ausscheidet.
Die Regierungsbank wird noch einmal gründlich poliert. In Kürze soll hier das neue Kabinett Platz nehmen.
Foto: dpa
Viele Baustellen
Auf den neuen Minister warten im Gesundheitswesen zahlreiche Baustellen. Zwar ist die Ausgangslage vergleichsweise gut, wie ein Blick auf die stolzen Rücklagen der Krankenkassen zeigt (lesen Sie dazu auch Seite 10). Doch die im Koalitionsvertrag vereinbarten Reformen könnten am Ende mehrere Milliarden Euro verschlingen. Ganz oben auf seine Agenda hat Spahn nun den Kampf gegen die Kluft zwischen Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung (PKV) gesetzt. Alle Patienten müssten gleich schnell einen Termin beim Arzt bekommen, egal wie sie versichert seien, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD festgelegt, zu diesem Zweck zunächst die Servicestellen der Krankenkassen auszubauen, die ihren Versicherten Arzttermine vermitteln sollen.
Zugleich will Spahn aber auch eine offene Diskussion über die Vergütung der Ärzte in der Gesetzlichen Krankenversicherung führen. Bislang ist die Behandlung von Privatpatienten deutlich lukrativer, weshalb die SPD auf eine Angleichung der Honorare drängt – und darin einen wesentlichen Schritt in Richtung Bürgerversicherung sieht. Die ist allerdings keine Option für Spahn, der sich selbst tief in der Tradition der sozialen Marktwirtschaft verwurzelt sieht. »Wir brauchen Wettbewerb im Gesundheitswesen«, sagte er kürzlich im Interview mit dem »Handelsblatt«. »Mit mir wird es keine Einheitskasse für alle geben.«
Im Kern geht es Spahn um mehr Akzeptanz für das duale Versicherungssystem in Deutschland. In der Privaten Krankenversicherung sieht er »massiven Reformbedarf«, wie er dem RND sagte. »Wir müssen verhindern, dass für einen einfachen Polizisten stark steigende Beiträge im Alter zu einer sozialen Frage werden.« Im Koalitionsvertrag ist von einer Reform der PKV allerdings keine Rede. SPD-Gesundheitsexperte Professor Karl Lauterbach reagierte daher bereits leicht gereizt auf Spahns Ankündigung. »Wir werden mit der Union nur das umsetzen, was wir im Koalitionsvertrag verabredet haben«, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Schwerpunkt Pflege
Ein Schwerpunkt des neuen Ministers dürfte in jedem Fall das Thema Pflege werden. 8000 neue Fachkraftstellen sollen laut Koalitionsvertrag allein in den Pflegeeinrichtungen entstehen. Kliniken sollen zudem künftig ein separates Honorar für die Pflegekosten erhalten, um für mehr Personal auf den Stationen zu sorgen. Auch mit Blick auf die flächendeckende Versorgung gibt es Spahn zufolge viel zu tun. In diesem Kontext wollen sich Union und SPD auch dafür einsetzten, den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln zu verbieten, um die Apotheke vor Ort zu stärken, so zumindest steht es im Koalitionsvertrag. Hintergrund ist das Urteil am Europäischen Gerichtshof aus dem Herbst 2016, das ausländische Versandapotheken aus der deutschen Preisbindung für Rx-Präparate entlassen hat. Unklar ist noch, wann sich der neue Minister mit dem Vorhaben befassen wird, das ihm sein Vorgänger und Parteikollege Gröhe hinterlässt. Dieser hatte ein Versandhandelsverbot stets deutlich unterstützt – Spahn selbst brachte zuletzt hingegen weit weniger Begeisterung für das Projekt auf.
Ob das Thema innerhalb der Koalition noch einmal für Reibereien sorgen wird, bleibt abzuwarten. Schließlich hatte die SPD über Monate gegen ein Rx-Versandhandelsverbot gekämpft und sich bei den Koalitionsverhandlungen erst in letzter Minute bereit erklärt, das Vorhaben doch zu unterstützen. Für die Apotheker ist in der SPD künftig Edgar Franke ein wichtiger Ansprechpartner in dieser Angelegenheit. Er kümmert sich in der Fraktion ab sofort um alle Fragen zum Apothekenmarkt. Für Arzneimittelthemen ist nach wie vor Martina Stamm-Fibich bei den Sozialdemokraten zuständig.
Alternative zum Verbot
Der Jurist Franke, der zuletzt vier Jahre dem Gesundheitsausschuss im Bundestag vorsaß, übernimmt seinen neuen Posten von Sabine Dittmar, die zur gesundheitspolitischen Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion aufgestiegen ist. Gemeinsam hatten Dittmar und Franke in der letzten Legislaturperiode für eine Alternative zum Rx-Versandverbot plädiert. So wollten sie Rx-Boni auf höchstens 1 Euro begrenzen. Nach dem Schwenk der SPD bei diesem Thema dürften Franke und Dittmar nun aber der Koalitionsvorgabe treu bleiben.
Auch die Linken haben wie bereits berichtet die Sprecherposition im Bereich Arzneimittel neu besetzt. Als Nachfolgerin von Kathrin Vogler ist hier nun die Apothekerin Sylvia Gabelmann für das Thema verantwortlich. Bei der Union verantwortet weiterhin Michael Hennrich (CDU) die Themen Arzneimittel und Apotheken. Für die Grünen ist nach wie vor Kordula Schulz-Asche Berichterstatterin für diesen Bereich. In der FDP ist Christine Aschenberg-Dugnus als gesundheitspolitische Sprecherin auch für die Themen Apotheke und Pharma verantwortlich. /