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Osteoporose bei Männern

Außen hart, innen weich

15.03.2007  16:15 Uhr

Osteoporose bei Männern

Außen hart, innen weich

Von Kerstin A. Gräfe

 

Osteoporose - eine reine Frauenkrankheit? Weit gefehlt. Bereits jeder fünfte Osteoporose-Patient ist ein Mann. Auch das Risiko, nach einer Fraktur einen erneuten Knochenbruch zu erleiden, ist für Männer vergleichbar hoch. Doch nur ein Zehntel von ihnen erhält eine Therapie und auch bei den Optionen sind die Männer im Hintertreffen.

 

Die Osteoporose des Mannes ist zwar nicht so häufig wie bei der Frau, jedoch deutlich häufiger als bislang angenommen. Wie sehr die männliche Osteoporose unterschätzt wurde, verdeutlicht eine Studie an der Universität von Neusüdwales in Sydney (JAMA 297, 2007, 387). Das Team um Dr. Jacqueline Center begleitete hierfür 1760 Männer und 2245 Frauen ab einem Alter von 60 Jahren mit Befragungen und medizinischen Untersuchungen. Im Verlauf von 16 Jahren zeigte sich, dass die männlichen Probanden zwar deutlich seltener einen ersten Knochenbruch erlitten (337 Männer gegenüber 905 Frauen). Doch das absolute Risiko einer weiteren Fraktur stieg bei beiden Geschlechtern annähernd gleich an. Betrachtet man das relative Risiko für einen zweiten Bruch, war dies bei Frauen um das Doppelte, bei Männern sogar um das 3,5-Fache erhöht.

 

Eine medikamentöse Therapie nach dem ersten Bruch sei allerdings eher eine Rarität, so Center. Nur ein Drittel der Frauen in der Postmenopause und ein Zehntel der gleichaltrigen Männer erhalte nach dem ersten Knochenbruch eine Osteoporose-Behandlung. Den Studiendaten zufolge bräuchten jedoch die Männer einen solchen Schutz ebenso dringend wie die Frauen.

 

Unter den osteoporotischen Knochenbrüchen sind der Wirbel- und Oberschenkelhalsbruch die folgenschwersten. Beide sind beim Mann insgesamt seltener und treten später auf. Dies dürfte in erster Linie durch die unterschiedliche Knochengeometrie bedingt sein. So weisen zum Beispiel die Wirbelkörper beim Mann in der Regel einen größeren Querschnitt als bei der Frau auf. Dadurch bleibt der Wirbelkörper höher beanspruchbar und bricht in der Regel weniger leicht ein. Ein weiterer Grund sind vermutlich die beim Mann stärker ausgeprägten sogenannten Spondylophytenbildungen mit zunehmendem Alter an der Wirbelsäule. Darunter versteht man eine Art Ausstülpung oder Randzackenbildung an den Grund- und Deckplatten der Wirbelkörper. Diese sind unter anderem Folge einer Abstützungsreaktion, um Schmerzen nach Bandscheibenschäden zu vermeiden, wenn die Höhe der Bandscheiben infolge degenerativer Veränderungen (Abnutzung) abnimmt.

Osteoporose

Osteoporose ist definiert durch eine niedrige Knochenmasse und Verschlechterung der Mikroarchitektur des Knochens mit der Folge einer vermehrten Brüchigkeit. Nach neuesten Daten sind mehr als 25 Prozent aller Deutschen über 50 Jahren, etwa 7,8 Millionen Menschen, betroffen.

 

Man unterscheidet zwischen primärer und sekundärer Osteoporose. Zur insgesamt wesentlich häufigeren primären Osteoporose zählen die postmenopausale Osteoporose und die Altersosteoporose. Die sekundäre Osteoporose tritt unter anderem als Folge von Stoffwechselerkrankungen oder hormonellen Störungen auf. Sie ist beim Mann mit circa 50 Prozent die häufigste Ursache.

 

Osteoporotische Brüche finden sich vor allem an den Wirbelkörpern der Wirbelsäule, am Oberschenkelhals und am Handgelenk.

Noch gibt es für Männer keine eindeutig belegten Risikomerkmale. Es ist  aber anzunehmen, dass sich die Faktoren, die bei Männern zu Osteoporose führen, kaum von denen unterscheiden, die auch bei Frauen die Erkrankung auslösen. Nach Angaben des Kuratoriums Knochengesundheit zählen hierzu erbliche Belastung, Einnahme von Cortison-Präparaten über längere Zeiträume, eine calciumarme und phosphatreiche Ernährung, Verdauungsstörungen mit chronischen Durchfällen sowie Vitamin-D- und Bewegungsmangel. Zudem dominieren beim Mann Risikofaktoren wie starkes Rauchen, hoher Alkoholkonsum, Lebererkrankungen und angeborene Erkrankungen des Kollagenstoffwechsels (Glasknochenkrankheit).

 

Die häufigste Ursache für die Ausbildung einer Osteoporose beim Mann ist jedoch ein Hypogonadismus, also der Mangel an männlichem Sexualhormon Testosteron. Insofern spielt beim Mann die sekundäre Osteoporose eine wesentlich größere Rolle als bei der Frau. Im Gegensatz zum Estrogenabbau lässt sich der Testosteronabbau allerdings nicht so deutlich beobachten. Ein akuter Mangel kann jedoch schon in kurzer Zeit die Knochendichte verringern. Mit einer Androgensubsitution kann er kausal und wirksam therapiert werden. Bei Männern mit nachgewiesenem Hypogonadismus führt Testosteron zu einer signifikanten Zunahme der Knochendichte. Der Nachweis, dass eine Hormonersatztherapie mit Testosteron bei hypogonaden Männern die Frakturrate senkt, steht jedoch noch aus.

 

Basisdiagnostik erst nach Fraktur

 

Verdachtsmomente auf das Vorliegen einer Osteoporose beim Mann sind unklare Rückenschmerzen, Größenabnahme, Rundrückenbildung, Kalksalzminderung im Röntgenbild und periphere Frakturen zum Beispiel im Unterarm nach Bagatellverletzungen. Ob zur Abklärung eine Basisdiagnostik vorgenommen wird, ist vom Alter abhängig. Sie wird für den 60- bis 70-jährigen Mann nur empfohlen, wenn bereits ein osteoporotischer Wirbelbruch vorliegt. In der Altersgruppe der 70- bis 80-Jährigen wird zur Diagnsotik geraten, wenn Risikofaktoren wie eine periphere Fraktur nach einem Bagatellunfall, Oberschenkelhalsbruch bei einem der Elternteile, Rauchen und/oder Untergewicht vorliegen. In der Altersgruppe der über Achtzigjährigen ist die Knochenbruchgefahr so groß, dass für die Entscheidung zur Basisdiagnostik keine zusätzlichen Risikofaktoren erforderlich sind.

Basismaßnahmen zur Prophylaxe bei Männern vor dem 60. Lebensjahr

regelmäßige körperliche Aktivität mit der Zielsetzung, Muskelkraft und Koordination zu fördern.

bei Über-70-Jährigen jährliche Sturzanamnese

ausreichende Ernährung (Body-Mass-Index größer 20), Abklärung der Ursache von Untergewicht

kein Nikotin

calciumreiche Ernährung (täglich 1200 bis 1500 mg Calcium )

ausreichende Sonnenlichtexposition (pro Tag 30 Minuten), 400 bis
1200 IE Vitamin D oral.

Ausschluss von »Knochenräubern« (aluminiumhaltige Antazida, Antibiotika, Antihypertensiva, Antikonvulsiva, Aromatasehemmer, Chemotherapeutika, Diuretica, Glucocorticoide, GnRH-Agonisten, Heparin, Immunsuppressiva, Isoniazid, Lithium, Antikoagulantien, Schilddrüsenhormone, Tamoxifen)

 

Die Basisdiagnostik umfasst Anamnese und eine körperliche Untersuchung, bei der Körpergröße und Gewicht zur Berechnung des Body-Mass-Index bestimmt werden. Beurteilt werden zudem mögliche Wirbelsäulenverformungen (Rundrücken), lokaler Druck- oder Klopfschmerz über einzelnen Wirbelkörpern sowie Muskelkraft und Gleichgewichtssinn. Weiterhin wird eine Knochendichtemessung (Osteodensitometrie) durchgeführt. Derzeit wird von der Weltgesundheitsorganisation WHO ausschließlich die DXA-Technik (dual energy X-ray absorptiometry) empfohlen. Dabei werden zwei Röntgenstrahlen unterschiedlicher Stärke durch das Knochengewebe an der Lendenwirbelsäule (L1 bis L4) und am Oberschenkelhals (Gesamtdichte) geschickt. Ob eine Therapie erforderlich ist, richtet sich nach dem sogenannten T-Wert. Dieser vergleicht den Befund mit den Werten eines jungen Erwachsenen. Die Differenz zwischen dem T-Wert und dem Referenzwert wird als Standardabweichung (SD) bezeichnet. T-Werte von minus 1 SD und schlechter deuten auf eine krankhafte Knochenveränderung hin. T-Werte unter minus 2,5 SD zeigen eine Osteoporose an und müssen behandelt werden.

 

Zur Knochendichtemessung stehen des Weiteren quantitative Ultraschallverfahren oder eine quantitative Computertomographie zur Verfügung. Diese Methoden sind derzeit aber noch Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen und werden daher noch nicht allgemein empfohlen. Die »T-Werte« dieser Messverfahren sind nicht auf die T-Werte der DXA-Messung übertragbar.

 

Ebenfalls zur Basisdiagnostik gehört eine Blutuntersuchung und Röntgenaufnahme der Wirbelsäule. Das Blutbild soll abklären, ob andere Erkrankungen vorliegen, die eine Osteoporose-Entwicklung  begünstigen. Ziel der Röntgenuntersuchung von Brust- und Lendenwirbelsäule ist der Nachweis von osteoporotischen Wirbelkörperbrüchen und die Differenzialdiagnose von Rückenschmerzen.

 

Andere bildgebende Verfahren wie Computertomographie, Magnet-Resonanz-Tomographie und szintigraphische Untersuchungen haben keinen Stellenwert in der Basisdiagnostik. Sie spielen eine Rolle bei der differenzialdiagnostischen Abklärung und bei bestimmten Fragestellungen der Therapie. Auch die Knochenbiopsie gehört nicht zur Routinediagnostik. Sie erlaubt aber bei unklaren oder unplausiblen Befunden über die Klinik und Laboruntersuchungen hinaus die Diagnose seltener sekundärer Formen einer Osteoporose.

 

Für Männer nur Bisphosphonate

 

Bislang wurde eine Therapie unabhängig vom Lebensalter ab einem T-Wert von minus 2,5 empfohlen. Dies gilt jetzt nur noch für Frauen über 70 Jahre und Männer über 80 Jahre.  Insgesamt geht der Trend weg von einer Überwertung der Knochendichte als alleinigen Gradmesser hin zu einer umfassenden Risikobewertung aller Komponenten einer erhöhten Knochenbrüchigkeit wie Alter, Geschlecht sowie Stürze et cetera. Die 2006 aktualisierte Leitlinie des Dachverbandes Osteologie e. V. (DVO) zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose kann unter www.lutherhaus.de/dvo-leitlinien als Kurz-, Lang- und Kitteltaschenfassung herunter geladen werden.

Grundlage jeder Osteoporosebehandlung sind Calcium und Vitamin D. Es wird eine Zufuhr von 1200 bis 1500 mg Calcium und 400 bis 1200 IE Vitamin D täglich empfohlen. Die Therapie der männlichen Osteoporose ist bisher in nur wenigen Studien untersucht. Hinsichtlich der Vielzahl der Behandlungsoptionen sind die Männer im Nachteil. Während zur Behandlung der postmenopauslaen Osteoporose  als Mittel der Wahl Alendronat, Raloxifen, Risedronat, Ibandronat, Strontium Ranelat und Teriparatid zur Verfügung stehen, sind für den Mann lediglich Alendronat und Risedronat zugelassen. Zwar wurde für die meisten im Handel befindlichen Bisphosphonate in Pilotstudien ein positiver Effekt bei Männern mit niedriger Knochendichte oder Osteoporose nachgewiesen, jedoch wurden nur für Alendronat und Risedronat größere Studien durchgeführt. In der Schweiz ist auch Teriparatid zur Behandlung der männlichen Osteoporose zugelassen.

 

Tipps für Beratung

 

Wichtig für die Beratung: Bisphosphonate sollten nach dem Aufstehen auf nüchternen Magen mit mindestens 120 ml mineralstoffarmem Wasser eingenommen. Zwei- und dreiwertige Ionen wie Ca2+, Mg2+ und Fe2+/3+ können durch Komplexbildung die Resorption verhindern. Um ösophagale und gastrointestinale Beschwerden zu verhindern, sollte der Patient danach mindestens 30 Minuten in aufrechter Haltung bleiben.

Links

Kuratorium Knochengesundheit

www.osteoporose.org

 

Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie

www.bvonet.de

 

Dachverband Osteologie

www.dv-osteologie.org

 

Informationen rund um die Osteoporose

www.osteoporose.com

 

Deutsche Gesellschaft für Ernährung

www.dge.de

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