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Gefäßleiden

Besonderheiten bei Diabetes-Patienten

14.03.2018  09:34 Uhr

Von Brigitte M. Gensthaler, München / Patienten mit Typ-2- Diabetes weisen in Bezug auf Gefäßerkrankungen einige Besonderheiten auf. So ist bei der Kompressionstherapie wegen eines Venenleidens Vorsicht geboten. Denn aufgrund einer peripheren Polyneuropathie spüren die Patienten Druckstellen nicht.

Die Kompression ist auch für Diabetes-Patienten die Basistherapie bei chronisch-venöser Insuffizienz, zum Beispiel infolge Krampfaderleiden oder postthrombotischem Syndrom. Die Versorgung mit Kompressionsartikeln der Klasse 1, die nur leichten Druck ausüben, sei in der Regel unproblematisch. Bereits ab Klasse 2 sei die Indikation kritisch zu stellen und eine Kompression der Klassen 3 und 4 sei meist ungeeignet, sagte der Angiologe Dr. Gerson Strubel vom Zentrum Innere Medizin München bei der Tagung »Diabetologie grenzenlos« in München.

 

Vorsicht Druckstellen

 

Der Hintergrund hierfür: Wenn Strumpf oder Bandage nicht richtig sitzen, können Druck- oder Scheuerstellen entstehen. Patienten mit peripherer Neuropathie spüren die Schmerzen aber nicht. Dadurch können sich die Druckstellen zu Hautläsionen, Blasen, Schnürfurchen, Gewebeschäden bis hin zu Nekrosen entwickeln. Strubel empfahl eine »individualisierte Kompression« und gute Schulung von Patient, Angehörigen und Pflegedienst, um diese Komplikationen zu erkennen und zu vermeiden. Man müsse genau auf den korrekten faltenfreien Sitz von Strumpf oder Bandage achten. In Grenzfällen sollte man eine Kompression anlegen, nach zwei bis vier Stunden abnehmen und das Bein auf Druckstellen kontrollieren. Er empfahl, auf flachgestrickte Nahtware zu verzichten, da die Naht drücken kann, und Strümpfe ohne Naht zu bevorzugen.

 

Eine schwere periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) ist eine absolute Kontraindikation für eine Kompression. Der Arzt muss diese vor Therapiebeginn ausschließen. Wichtig zu wissen: Diabetes-Patienten haben trotz pAVK häufig keine »Schaufensterkrankheit« (Claudicatio intermittens). Sie zeigen dieses vorübergehende Hinken nicht, da sie die Schmerzen in den Beinen nicht spüren. Dabei erhöht Diabetes das pAVK-Risiko um den Faktor 3 bis 4, heißt es in der aktuellen pAVK-Pocketleitlinie der Deutschen Gesellschaft für Angiologie (2017; www.dga-gefaessmedizin.de).

 

Kaum Schaufensterkrankheit

 

An erster Stelle der apparativen Diagnostik der pAVK steht der Knöchel-Arm-Index (ABI). Dabei wird der Blutdruck am Unterschenkel (Knöchel) in Bezug gesetzt zum systemischen Blutdruck (am Arm gemessen). Ein Wert unter 0,9 zeigt eine pAVK an, ein Wert über 0,9 ist normal. »Diese Untersuchung sollte jeder Diabetes-Patient einmal pro Jahr bekommen«, sagte Strubel.

 

Allerdings liefert der ABI bei etwa 10 bis 30 Prozent der Diabetes-Patienten wegen einer Mönckeberg-Mediasklerose (Verkalkung der Tunica media mittelgroßer Arterien) falsch-positive Werte (über 1,3). Dann seien ergänzende Untersuchungen, zum Beispiel die Messung von Zehendruck (Zehen-Arm-Index, TBI) oder transkutanem Sauerstoffdruck oder die Oszillographie, aufschlussreich.

 

Diabetes fördert Lymphödem

 

Lymphatische Veränderungen bei Diabetes-Patienten werden laut Strubel oft wenig beachtet. Jedoch leiden viele an einem Lymphödem, gekennzeichnet durch die Ansammlung proteinreicher Flüssigkeit im Zwischenzellraum (Interstitium). Entgegen früherer Meinung werde die interstitielle Flüssigkeit nicht nur teilweise, sondern fast komplett über das Lymphsystem abtransportiert.

 

Diese interagiert mit dem Diabetes auf verschiedene Arten: Die diabetische Polyneuropathie kann zum Pumpversagen der Lymphgefäße führen, während eine Hypoglykämie die Gefäßpermeabilität erhöht, sodass mehr Flüssigkeit ins Gewebe austreten kann. Schließlich scheint eine Überexpression von Transmembranproteinen den Lymphtransport zu drosseln oder zu stoppen. Die Folge sind Wasseransammlungen im Zellzwischenraum. Die manuelle Lymphdrainage könnehier hilfreich sein, das Gewebe entstauen und Spätfolgen mildern, sagte der Angiologe. /

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