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Kopfschmerzen

NSAR und Triptane in der Selbstmedikation

08.03.2016  16:11 Uhr

Von Maria Pues /  Häufigste Anlaufstelle bei Kopfschmerzen ist die Apotheke. Eine sinnvolle Selbstmedikation setzt die Kenntnis von Kontraindikationen, Nebenwirkungen, Interaktionen, aber auch der Diagnosekriterien voraus.

Experten unterscheiden aktuell mehr als 350 verschiedene Kopfschmerzformen. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen primären/idiopathischen und sekundären Kopfschmerzen. Letztere sind definitionsgemäß Folge oder Begleiterscheinung einer Grunderkrankung. 

 

Hierfür kommen etwa Traumen an Kopf oder Halswirbelsäule infrage, beispielsweise ein Schleudertrauma. Auch Veränderungen an den Blutgefäßen im Gehirn können zu Kopfschmerzen führen. Zudem können eine ungeeignete Brille, Unregelmäßigkeiten am Kiefer oder eine Nasennebenhöhlenentzündung mit Kopfschmerzen einhergehen. Aber auch der Missbrauch sowie der Entzug, verschiedener Substanzen wie Alkohol, Cannabis oder Coffein kommen infrage. Extrem selten sind Kopfschmerzen infolge eines Hirntumors.

 

Extrem häufig hingegen, nämlich zu über 90 Prozent, handelt es sich um einen primären beziehungsweise idiopathischen Kopfschmerz. Drei Krankheitsbilder stehen dabei im Vordergrund:

 

  • Kopfschmerz vom Spannungstyp, kurz Spannungskopfschmerz,
  • Migräne mit und ohne Aura,
  • Clusterkopfschmerz.
     

Offen formulierte Fragen, auf die Betroffene etwa die Art ihres Kopfschmerzes, die Dauer ihrer Beschwerden sowie eventuelle Begleitsymptome mit eigenen Worten beschreiben, helfen, die Art des Kopfschmerzes einzugrenzen (siehe dazu Schnelltest auf Seite 22). Auch nach vorangegangenen Behandlungsversuchen sollte dabei gefragt werden.

 

Typisch Spannungskopfschmerz

 

Dumpf-drückend, beengend und beide Kopfhälften betreffend, so charakterisieren die Internationale Kopfschmerzgesellschaft (IHS) und die Leitlinie der Deutschen Neurologischen Gesellschaft (DGN) den Kopfschmerz vom Spannungstyp. Dieser ist meist mäßig bis mittelstark ausgeprägt. Weitere Symptome wie Übelkeit oder Erbrechen sowie erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Licht und Lärm treten nicht auf. Ein Spannungskopfschmerz verstärkt sich nicht durch körperliche Anstrengung.

 

Die IHS klassifiziert zudem anhand der Dauer und Häufigkeit Spannungskopfschmerzen in episodische und chronische Formen. Episo­discher Spannungskopfschmerz kann von 30  Minuten bis zu sieben Tage anhalten; tritt er weniger als einmal pro Monat beziehungsweise weniger als zweimal pro Jahr auf, spricht man von einem sporadischen Spannungskopfschmerz. Als häufig (aber noch nicht chronisch) bezeichnet man ihn, wenn er an höchstens 14 Tagen im Monat beziehungsweise zwölf bis 180 Tagen im Jahr auftritt. Als chronisch bezeichnet man Spannungskopfschmerz, wenn dieser an mindestens 15 Tagen pro Monat auftritt und jeweils für Stunden oder kontinuierlich andauert.

Wann zum Arzt

Schildern Patienten folgende Alarmsymptome, sollte ihnen zum sofortigen Arztbesuch geraten werden:

 

  • erstmaliges Auftreten der Kopfschmerzen nach dem 50. Lebensjahr,
  • schlagartiger Beginn sehr heftiger Kopfschmerzen,
  • stetige Zunahme der Kopfschmerzen,
  • Auftreten weiterer Symptome wie Krämpfe, motorische Störungen oder Nackensteifigkeit, Fieber, hoher Blutdruck oder Engefühl in der Brust.

Ursachen ungeklärt

 

Die genauen Pathomechanismen, die einem Spannungskopfschmerz zugrunde liegen, sind derzeit noch ungeklärt. Diskutiert werden eine erhöhte Anspannung der Nackenmuskulatur sowie eine Reizung von Triggerpunkten, die eine Senkung der Schmerzschwelle zur Folge haben könnte. »Normale« Reize könnten dann bereits einen Kopfschmerz auslösen. Auch nächtliches Zähneknirschen oder Stress kommen als Auslöser infrage. Dabei kann es hilfreich sein, zu fragen, ob ein häufig auftretender Kopfschmerz bereits am Morgen beim Aufstehen vorhanden ist oder eher am Abend. Im ersten Fall kommen nächtliches Zähneknirschen (Bruxismus) oder Schnarchen/Apnoe-Syndrom als mögliche Auslöser infrage, im zweiten unter anderem Bildschirmarbeit mit einer ungeeigneten Brille.

 

Akuter Kopfschmerz vom Spannungstyp lässt sich im Rahmen der Selbstmedikation mit den klassischen Analgetika meist gut lindern. Die DGN-Leitlinie empfiehlt etwa Acetylsalicylsäure (ASS) (500 bis 1000 mg), Paracet­amol (500 bis 1000 mg), Ibuprofen (200 bis 400 mg), die fixe Kombination aus ASS (250 mg), Paracetamol (250 mg) und Coffein (65 mg) sowie Naproxen (500 bis 1000 mg), wobei letzteres in der Selbstmedikation auf 600 mg täglich begrenzt ist. Die Anwendung sollte auf jeweils maximal zehn Tage im Monat begrenzt bleiben, um das Risiko für einen Medikamenten-induzierten Kopfschmerz gering zu halten.

 

Zwar mit einer niedrigeren Empfehlungsstufe, aber als ebenfalls wirksam hat sich der lokale Einsatz von Pfefferminzöl (Oleum menthae piperitae) in 10-prozentiger ethanolischer Lösung erwiesen. Triptane wirken bei Spannungskopfschmerz üblicherweise nicht. Als Diagnosekriterium sind sie dennoch nicht geeignet, da manche Patienten mit Migräne nicht auf sie ansprechen, manche Patienten mit Unterformen des Spannungskopfschmerzes sowie mit Clusterkopfschmerz hingegen schon.

 

Migräne mit . . .

 

Halbseitiger, klopfender, pulsierender oder pochender Kopfschmerz von mittlerer bis hoher Intensität, der sich bereits bei körperlicher Alltagsaktivität verstärkt und der von Symptomen wie Übelkeit und/oder Erbrechen oder Licht- und Lärmempfindlichkeit begleitet ist: so ist eine klassische Migräneattacke charakterisiert. Diese kann von vier bis 72 Stunden dauern. Dem eigentlichen Migräne-Kopfschmerz kann eine Aura vorausgehen. Dies ist jedoch nicht bei allen Patienten der Fall. Aber auch den umgekehrten Fall gibt es: dass nämlich nach einer Aura der Kopfschmerz ausbleibt, die Begleitsymptome aber auftreten. Dies ist bei Kindern häufiger der Fall als bei Erwachsenen. Auch die Kopfschmerzattacken dauern bei ihnen meistens kürzer an.

 

. . . und ohne Ansage

 

Manche Patienten bemerken erste Anzeichen bereits Tage oder Stunden, bevor sich Aurasymptome bemerkbar machen. Sie verspüren beispielsweise einen starken Appetit oder großen Durst, fühlen sich unruhig und können sich schlecht konzentrieren oder leiden an Verdauungsstörungen. Man spricht dann von einer Prodromalphase.

 

Auch bei der Migräne sind die zugrunde liegenden Pathomechanismen noch nicht vollständig bekannt. Mediziner gehen von einer genetischen Disposition aus, in deren Folge Betroffene schneller auf bestimmte Trigger­faktoren reagieren, etwa Hormonschwankungen, ein verändertes Schlafverhalten meist mit verkürztem Nachtschlaf oder Flackerlicht. Das Gehirn registriert eine Überlastung und drückt selbst den »Resetknopf«. Betroffene haben dann das starke Bedürfnis, sich in einen ruhigen, abgedunkelten Raum zurückzu­ziehen.

 

Bis vor einigen Jahren nahm man an, dass eine Gefäßerweiterung, bei der Schmerzrezeptoren in den Blutgefäßen gereizt werden, den Ausgangspunkt einer Migräneattacke darstellt (vaskuläre Hypothese). Heute gibt es weitere Hypothesen. Die Übererregbarkeitshypothese geht von der Beobachtung aus, dass es in bestimmten Hirnregionen zu einer Ausschüttung von Kalium-Ionen kommt. Die dabei entstehende Depo­larisation breitet sich über weitere Hirnregionen aus, etwa auf das Seh­zentrum, wodurch sich die beobachteten Sehfeldausfälle erklären lassen. Die Hypothese der neurogenen Entzündung setzt Entzündungsmediatoren, von denen während eines Migräne­anfalls eine ganze Reihe ausgeschüttet wird, in den Fokus, zum Beispiel Substanz P, Calcitonin Gene-related Peptide (CGRP) oder Neurokinin A.

 

Triptane als Mittel der Wahl

 

Mittel der ersten Wahl bei Migräne sind Triptane. Studien zufolge waren sie bei dem Endpunkt »schmerzfrei nach zwei Stunden« wirksamer als Analgetika wie ASS oder Paracetamol. Eine Anwendung in der Selbstmedikation setzt jedoch voraus, dass der Patient zwischen 18 und 65 Jahre alt ist und ein Arzt eine entsprechende Diagnose gestellt hat. Dann stehen – unter Berücksichtigung von Kontraindikationen wie unkontrollierter Bluthochdruck – verschiedene Wirkstoffe wie Almotriptan oder Naratriptan zur Verfügung.

 

Bei den Analgetika haben sich laut Leitlinie ASS und Ibuprofen als am wirksamsten erwiesen, wobei die Kombination mit Coffein noch etwas wirksamer war. Wichtig ist, dass Betroffene das Triptan oder Analgetikum so früh wie möglich einnehmen.

 

Selten, aber heftig

Nicht so häufig, aber mit sehr heftigen, anfallsartig einschießenden, halbseitigen Schmerzen tritt der Clusterkopfschmerz auf. Er gehört zu den Trigeminus-autonomen Kopfschmerzen. Die drei Äste des Trigeminus-Nervs führen zu den Augen, zum Oberkiefer und zum Unterkiefer. Daher kommt es beim Clusterkopfschmerz stets auch zu weiteren Symptomen wie einem geröteten und/oder tränenden Auge, einer verstopften oder laufenden Nase oder Rötungen und Schwitzen auf der betroffenen Gesichtshälfte.

 

Auch Auren wie bei einer Migräne sowie eine verstärkte Licht- und Lärmempfindlichkeit können vorkommen. Clusterkopfschmerz tritt bei einem Patienten häufig stets zur selben Tageszeit auf, etwa nach dem Einschlafen oder in den frühen Morgenstunden. Darüber hinaus gibt es Häufungen im Frühjahr und im Herbst.

 

Im akuten Anfall empfiehlt die Leitlinie als Mittel der ersten Wahl die Gabe von reinem Sauerstoff, Sumatriptan 6 mg subkutan oder Zolmitriptan 5 bis 10 mg nasal. Bei Verdacht auf einen Cluster-Kopfschmerz sollte daher an einen Arzt verwiesen werden. /

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