Im Februar sechs neue Wirkstoffe |
04.03.2015 09:27 Uhr |
Von Brigitte M. Gensthaler, Kerstin A. Gräfe und Sven Siebenand /Das Indikationsspektrum der neuen Arzneistoffe ist breit gefächert. Es reicht von Apremilast zur Psoriasisbehandlung über Dulaglutid für Typ-2-Diabetiker bis hin zum Antikörper Ramucirumab bei Magenkrebs. Zudem ist erstmals eine Interferon-freie antivirale Dreifachkombination zur Hepatitis-C-Behandlung auf dem Markt.
Die Schuppenflechte ist eine systemische Erkrankung, die neben Hautsymptomen auch Gelenkbeteiligung und andere Begleiterkrankungen umfassen kann. Gemäß der aktuellen Leitlinie zur Therapie der Psoriasis vulgaris leiden in Deutschland etwa 1,5 Millionen Menschen an dieser häufigsten Psoriasis-Form (Plaque-Typ). Eine Psoriasis-Arthritis wird etwa bei jedem fünften Patienten diagnostiziert, der aufgrund einer Psoriasis beim Dermatologen ist.
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Apremilast
Seit Mitte Februar steht mit Apremilast ein Arzneistoff mit neuem Wirkmechanismus für Patienten mit Psoriasis und Psoriasis-Arthritis zur Verfügung (Otezla® 10 mg, 20 mg und 30 mg Filmtabletten, Celgene). Der niedermolekulare Wirkstoff hemmt die Phosphodiesterase-4 (PDE4) und soll auf diesem Weg in das Zytokin-Netzwerk eingreifen.
Bei Erwachsenen mit aktiver Psoriasis-Arthritis (PsA) darf Apremilast allein oder in Kombination mit krankheitsmodifizierenden antirheumatischen Arzneimitteln (DMARD) eingesetzt werden, wenn die Patienten auf eine frühere DMARD-Therapie unzureichend angesprochen oder diese nicht vertragen haben. Auch Erwachsenen mit mittelschwerer bis schwerer chronischer Plaque-Psoriasis dürfen die Tabletten erst verordnet werden, wenn andere systemische Therapien wie Ciclosporin, Methotrexat oder Psoralen in Kombination mit UVA-Licht nicht angesprochen haben, unverträglich waren oder kontraindiziert sind.
Apremilast
Wasserstoff: Hellblau Sauerstoff: Rot Stickstoff: Dunkelblau Schwefel:Gelb
Grafiken: Wurglics
Die Behandlung wird mit einer Dosis von 10 mg begonnen und innerhalb einer Woche sukzessive bis zur empfohlenen Dosis von zweimal täglich 30 mg (im Abstand von etwa zwölf Stunden) gesteigert. Patienten mit stark eingeschränkter Nierenfunktion erhalten in der Regel nur 30 mg einmal täglich. Die Einnahme ist unabhängig von einer Mahlzeit. Wenn sich nach sechs Monaten kein Nutzen zeigt, ist die Behandlung zu überdenken.
Eingriff in das Zytokin-Netzwerk
Apremilast hemmt das Enzym PDE4, eine für cyclisches Adenosinmonophosphat (cAMP) spezifische und in Entzündungszellen dominante Phosphodiesterase. In der Folge steigen die intrazellulären cAMP-Spiegel, wodurch die Expression von Zytokinen wie TNF-α, Interleukin-(IL-)23 und -17 und anderen entzündlichen Mediatoren reduziert wird. Zudem beeinflusst cAMP die Konzentration antiinflammatorischer Zytokine wie IL-10.
In der Summe wird das Netzwerk von pro- und antiinflammatorischen Mediatoren intrazellulär moduliert und es kommt zur Downregulation der Entzündungsreaktion. Der Einfluss auf die Zytokin-Expression konnte in klinischen Studien nachgewiesen werden.
Dass dies den Patienten nützt, zeigte ein umfangreiches Studienprogramm. Die Wirksamkeit von Apremilast wurde in zwei Hauptstudien bei Patienten mit Plaque-Psoriasis sowie in drei Hauptstudien bei PsA-Patienten untersucht. Alle Studien waren placebokontrolliert; einen direkten Vergleich mit einer anderen zugelassenen Therapie gab es nicht.
Lebensqualität signifikant verbessert
An den beiden doppelblinden randomisierten Hauptstudien ESTEEM-1 und -2 nahmen insgesamt 1257 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis teil. Primärer Endpunkt war der Anteil der Patienten, der nach 16 Wochen auf die Behandlung angesprochen hatte. Das Ansprechen war definiert als eine mindestens 75-prozentige Linderung der Symptome, gemessen mit dem Psoriasis Area Severity Index (PASI-75).
Unter Apremilast kann eine Gewichtsabnahme eintreten. Vor allem Untergewichtige sollten sich daher regelmäßig wiegen.
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Unter Verum erreichten in den beiden Studien 29 und 33 Prozent dieses Ziel (gepoolte Daten: knapp 29 Prozent). In der Placebogruppe waren es 5 und 6 Prozent der Teilnehmer. Das Ansprechen war bereits nach zwei Wochen sichtbar. Pluspunkt: Apremilast wirkte bei verschiedenen Manifestationen der Psoriasis, einschließlich Pruritus, Nagel- und Kopfhautbefall sowie bei verschiedenen Subgruppen, zum Beispiel Patienten mit Psoriasis-Arthritis in der Vorgeschichte, und unabhängig von der Vortherapie. Die Lebensqualität verbesserte sich signifikant.
In den PALACE-1- bis -3-Studien, an denen 1493 Patienten mit aktiver Psoriasis-Arthritis teilnahmen, wurde Apremilast mit Placebo verglichen. Patienten, die bereits DMARD wie Methotrexat, Sulfasalazin oder Leflunomid einnahmen, konnten diese Behandlung fortsetzen. Die Gabe von Biologika, zum Beispiel TNFα-Blockern, war nicht erlaubt. Primärer Endpunkt war eine 20-prozentige Besserung auf der Skala des American College of Rheumatology (ACR-20) nach 16 Wochen. Das ACR-20-Ziel erreichten in den drei Studien 32 bis 41 Prozent der Patienten unter Verum gegenüber 18 bis 19 Prozent in der Placebogruppe (gepoolte Daten: 37 versus 19 Prozent). Die Ansprechraten waren bei Patienten mit oder ohne Begleittherapie vergleichbar. Ebenso sprachen Patienten mit verschiedenen PsA-Unterformen an. Bei beiden Krankheitsbildern – Psoriasis und Psoriasis-Arthritis – hielt der Nutzen an, wenn die Behandlung auf 32 oder 52 Wochen verlängert wurde.
Psoralen in Kombination mit UV-A-Strahlung (PUVA) ist eine Möglichkeit, Psoriasis zu behandeln. Der neue Arzneistoff Apremilast darf erst zum Einsatz kommen, wenn diese oder andere systemische Therapien versagt haben oder unverträglich sind.
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Die in den Phase-III-Studien am häufigsten berichteten Nebenwirkungen waren Übelkeit und Durchfall; daran litten knapp 14 bis 16 Prozent der Teilnehmer. Meistens traten die Probleme in den ersten beiden Therapiewochen auf und besserten sich innerhalb von vier Wochen. Zu den weiteren häufig berichteten Nebenwirkungen gehören Infektionen der oberen Atemwege (Erkältungen), Kopfschmerzen und Spannungskopfschmerzen (8,4 bis 7,2 Prozent der Patienten).
Gewicht kontrollieren
Apremilast kann zur Gewichtsabnahme führen. Der mittlere Gewichtsverlust bei Patienten, die bis zu 52 Wochen damit behandelt wurden, betrug fast 2 kg. Mehr als 14 Prozent der Patienten nahmen zwischen 5 und 10 Prozent ihres Gewichts ab, fast 6 Prozent sogar mehr als 10 Prozent. Laut Fachinformation sollte das Gewicht bei untergewichtigen Personen daher regelmäßig kontrolliert werden.
Wichtig für die Beratung: Apremilast ist während der Schwangerschaft kontraindiziert. Frauen im gebärfähigen Alter müssen zuverlässig verhüten.
vorläufige Bewertung: Schrittinnovation
Dulaglutid
Mit Dulaglutid (Trulicity® 0,75 mg und 1,5 mg Injektionslösung jeweils in einem Fertigpen, Lilly) kam im Februar ein weiterer lang wirksamer GLP-1-Agonist zur Behandlung erwachsener Typ-2- Diabetiker auf den Markt, der ebenfalls nur einmal wöchentlich appliziert werden muss. Eingesetzt werden darf der neue Wirkstoff zum einen als Monotherapie bei Patienten, bei denen Diät und Bewegung keine angemessene Blutzuckerkontrolle erzielt haben und bei denen Metformin wegen Unverträglichkeit oder Kontraindikationen nicht angezeigt ist. Zum anderen darf Dulaglutid in Kombination mit anderen blutzuckersenkenden Arzneimitteln einschließlich Insulin angewendet werden, wenn mit diesen zusammen mit Diät und Bewegung keine angemessene Blutzuckerkontrolle erreicht werden kann.
Glukagon-like peptide-1 (GLP)-Analoga wie Dulaglutid wirken als Agonisten am GLP-1- Rezeptor. Sie erhöhen in den Betazellen des Pankreas intrazellulär die Konzentration von cyclischem AMP (cAMP), was eine gesteigerte Glucose-abhängige Insulinsekretion zur Folge hat. Zudem unterdrücken GLP-1-Agonisten die Glukagon-Sekretion; infolgedessen wird weniger Glucose in der Leber freigesetzt. Des Weiteren verlangsamt der neue Arzneistoff die Magenentleerung.
Resistent gegen DDP-4
Dulaglutid ist ein rekombinantes GLP-1- Fusionsprotein. Es besteht aus zwei identischen, über Disulfid-Brücken verbundenen Ketten. Jede von ihnen enthält eine modifizierte GLP-1-Analogon-Sequenz, die kovalent an eine modifizierte Immunglobulin G4-Fc- Domäne gebunden ist. Im Gegensatz zu nativem GLP-1 ist Dulaglutid resistent gegenüber dem Abbau durch die körpereigene Dipeptidyl-Peptidase 4 (DPP-4). Zudem ist aufgrund seiner Größe die Absorption verlangsamt und die renale Clearance verringert. Daraus resultiert eine Halbwertszeit von 4,7 Tagen, was die einmal wöchentliche Injektion ermöglicht.
Trulicity steht in zwei Dosierungen mit jeweils eigenem Fertigpen zur Verfügung: für die Monotherapie in der empfohlenen Dosis von 0,75 mg einmal wöchentlich, für die Kombinationstherapie mit 1,5 mg einmal wöchentlich. Bei möglicherweise gefährdeten Personen wie Patienten ab 75 Jahren können auch 0,75 mg einmal wöchentlich in Betracht gezogen werden. Wird Dulaglutid zu einer bestehenden Metformin- oder Pioglitazon-Therapie hinzugefügt, können die bisherigen Dosierungen beibehalten werden. Im Fall von Sulfonylharnstoff oder prandialem Insulin sollte hingegen eine Dosisreduktion dieser Medikamente erwogen werden, um das Risiko einer Hypoglykämie zu reduzieren. Keine Dosisanpassung ist bei Patienten mit eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion erforderlich. Bei schwerer Funktionsstörung der Niere wird der neue Arzneistoff nicht empfohlen. Gleiches gilt für Typ-1-Diabetiker sowie für Schwangere und stillende Frauen.
Dulaglutid wird subkutan in Bauch, Oberschenkel oder Oberarm injiziert. Die Injektion kann unabhängig von der Tageszeit, Mahlzeiten und körperlicher Betätigung erfolgen. Ein Zusammenbauen oder Entlüften des Pens ist nicht notwendig. Die Dosis wird automatisch per Knopfdruck injiziert. Falls eine Dosis von Dulaglutid versäumt wurde, soll sie nur nachgeholt werden, wenn die nächste reguläre Gabe nicht weniger als drei Tage (72 Stunden) später vorgesehen ist.
Bauchspeicheldrüse beobachten
Bekannt ist, dass GLP-1-Agonisten mit gastrointestinalen Nebenwirkungen einhergehen können. Dies sollte vor allem bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion berücksichtigt werden, da Übelkeit, Erbrechen und Diarrhö zu einer Dehydratisierung führen. Die wiederum verschlechtert die Nierenfunktion.
Wichtig für die Beratung: Unter Dulaglutid kann wie bei anderen GLP-1- Agonisten eine akute Entzündung der Bauchspeicheldrüse auftreten. Die Patienten sollten daher über charakteristische Symptome aufgeklärt werden. Vermutet der Arzt eine akute Pankreatitis, muss der Arzneistoff abgesetzt werden. Bestätigt sich der Verdacht, darf die Therapie nicht wieder aufgenommen werden. Zudem sollten Apotheker im Hinterkopf behalten, dass Dulaglutid die Magenentleerung verzögert und damit potenziell die Absorption anderer Wirkstoffe beeinflusst. Vorsicht ist daher bei der gleichzeitigen Anwendung mit Arzneimitteln geboten, bei denen eine rasche Absorption erwünscht ist.
Liraglutid ebenbürtig
Die Zulassung basiert auf den Ergebnissen des AWARD-Studienprogramms. In sechs Phase-III-Studien mit mehr als 5000 Typ-2-Diabetikern wurde Dulaglutid mit verschiedenen Standardmedikationen verglichen: in Monotherapie mit Metformin (AWARD 3), als Zweifachkombination zusätzlich zu Metformin mit Sitagliptin und Liraglutid (AWARD 5 und 6) und als Dreifachkombination zusätzlich zu Metformin/Pioglitazon mit Exenatid (AWARD 1) sowie zusätzlich zu Metformin/Sulfonylharnstoff mit Insulin glargin (AWARD 2). Hauptindikator für die Wirksamkeit war jeweils die Änderung des HbA1c-Wertes. Dulaglutid zeigte sich in der höheren zugelassenen Dosierung (1,5 mg/Woche) in fünf der sechs Studien den jeweiligen Vergleichssubstanzen überlegen. Lediglich gegenüber Liraglutid erwies sich Dulaglutid als nicht unterlegen: In AWARD-6 verringerten 1,5 mg Dulaglutid gegenüber 1,8 mg Liraglutid den HbA1c-Wert in 26 Wochen um durchschnittlich 1,42 Prozent versus 1,36 Prozent.
Wie bei den anderen GLP-1-Agonisten sind unter Dulaglutid Erbrechen, Übelkeit und Diarrhö die häufigsten Nebenwirkungen.
vorläufige Bewertung: Analogpräparat
Das Bakterium Helicobacter pylori kann sich dauerhaft im Magen einnisten. Es erhöht dann das Risiko, an Magenkrebs zu erkranken.
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Ramucirumab
Das Magenkarzinom ist ein relativ aggressiver Tumor. In der Erstlinien-Therapie setzen Ärzte häufig Zweifach-Kombinationen aus einer Platin-Verbindung und einem Fluoropyrimidin ein, manchmal sogar eine Dreifach-Therapie mit zusätzlich Docetaxel oder Epirubicin. Mit Ramucirumab (Cyramza® 10 mg/dl Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, Lilly) wurde in der EU erstmals eine Therapie für die Zweitlinie zugelassen. Seit Anfang Februar ist das Präparat auf dem deutschen Markt verfügbar. Der monoklonale Antikörper ist in Kombination mit Paclitaxel für die Secondline-Therapie von Patienten mit fortgeschrittenem Adenokarzinom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs zugelassen. Gleichzeitig wurde der Angiogenese-Hemmer in dieser Indikation als Monotherapie für Patienten zugelassen, für die eine Kombinationstherapie mit Paclitaxel nicht geeignet ist.
Ramucirumab ist ein monoklonaler IgG1-Antikörper, der sich spezifisch gegen die extrazelluläre Domäne des VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor)-Rezeptors 2 richtet. Dieser gilt als wichtigster Mediator der Angiogenese. Durch seine Stimulierung werden zudem Faktoren gefördert, die das Tumorwachstum und die Metastasierung begünstigen. Anders als zum Beispiel Bevacizumab, das nur gegen den Rezeptorliganden VEGF gerichtet ist, blockiert Ramucirumab komplett den VEGF-Rezeptor 2. Durch die spezifische Rezeptorblockade kommt es zur Senkung der VEGF-A-vermittelten Tumorangiogenese, zur Gefäßnormalisierung und zu einer Hemmung der VEGF-induzierten Immunsuppression.
Die empfohlene, intravenös infundierte Dosis von Ramucirumab beträgt 8 mg/kg Körpergewicht alle zwei Wochen, wenn der Antikörper als Monotherapeutikum zum Einsatz kommt. Wird er mit Paclitaxel kombiniert, beträgt die empfohlene Dosis 8 mg pro kg Körpergewicht an den Tagen 1 und 15 eines 28-Tage-Zyklus. Ramucirumab wird dabei jeweils vor der Paclitaxel-Infusion verabreicht. In der Fachinformation wird eine Prämedikation mit einem H1-Rezeptorantagonisten, etwa Diphenhydramin, empfohlen. Kam es bei einem Patienten bereits zu infusionsbedingten Reaktionen von Grad 1 oder 2, muss vor allen weiteren Infusionen eine Prämedikation verabreicht werden. Nach einer zweiten infusionsbedingten Reaktion der Grade 1 oder 2 sollte Dexamethason oder ein Äquivalent gegeben werden. Vor allen weiteren Infusionen müssen dann ein H1-Rezeptorantagonist, Paracetamol und Dexamethason verabreicht werden.
Gesamtüberleben signifikant verlängert
Die chemische und physikalische Stabilität von Ramucirumab nach Zubereitung in einer 0,9-prozentigen Kochsalzlösung wurde für 24 Stunden bei 2 bis 8 Grad Celsius und vier Stunden bei 25 Grad Celsius gezeigt. Ramucirumab darf nicht mit Dextrose- Lösungen verabreicht oder gemischt werden.
Grundlage der Zulassung sind die Ergebnisse der randomisierten Phase-III- Doppelblindstudien REGARD (n = 355) und RAINBOW (n = 665). In REGARD wurde untersucht, ob Patienten mit fortgeschrittenem Adenokarzinom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs von einer Monotherapie mit Ramucirumab plus bestmöglicher supportiver Therapie (BSC) in der Zweitlinie profitieren. Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben (OS). Unter der Behandlung mit Ramucirumab plus BSC verlängerte sich im Vergleich zu BSC allein das OS signifikant (5,2 versus 3,8 Monate). Darüber hinaus konnte im Ramucirumab-Arm im Vergleich zur Kontrollgruppe auch das progressionsfreie Überleben (PFS) signifikant verlängert werden (2,1 versus 1,3 Monate).
In der randomisierten RAINBOW-Studie erhielten die Patienten entweder Ramucirumab plus Paclitaxel oder Paclitaxel plus Placebo. Das Ergebnis: Unter Ramucirumab/Paclitaxel wurde im Vergleich zu Paclitaxel/Placebo eine signifikante Verlängerung des OS erreicht (9,6 versus 7,4 Monate). Auch das PFS war in der Kombinationsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant verlängert (4,4 versus 2,9 Monate).
Blutdruck kontrollieren
Sehr häufige Nebenwirkungen sind unter anderem Fatigue, Leukopenie, Neutropenie, Durchfall, Nasenbluten und Hypertonie. Die berichteten schwerwiegendsten Nebenwirkungen waren unter anderem gastrointestinale Perforationen, Blutungen im Magen-Darm-Bereich sowie arterielle thromboembolische Ereignisse. Ärzte sind angehalten, den Blutdruck der Patienten vor jeder Infusion zu überprüfen und entsprechend zu behandeln, wenn es klinisch nötig ist. Im Fall einer schweren Hypertonie muss die Antikörper-Therapie vorübergehend unterbrochen werden, bis der Blutdruck wieder unter Kontrolle ist. Zudem sollen Patienten hinsichtlich einer Entstehung oder Verschlechterung einer Proteinurie unter Ramucirumab beobachtet werden. Unter Umständen muss der Arzt die Therapie unterbrechen, die Dosis reduzieren oder das Mittel ganz absetzen. Ferner muss mindestens vier Wochen vor einer geplanten Operation die Therapie mit dem Antikörper unterbrochen werden.
Gebärfähige Frauen müssen effektive Maßnahmen zur Kontrazeption während und bis zu drei Monate nach der Behandlung anwenden. In der Schwangerschaft darf Ramucirumab nur zum Einsatz kommen, wenn der potenzielle Nutzen für die Mutter das Risiko während der Schwangerschaft rechtfertigt. Frauen sollten während der Therapie das Stillen abbrechen und auch nach Therapieende mindestens drei Monate nicht stillen.
vorläufige Bewertung: Schrittinnovation
Foto: Abbvie
Viekirax und Exviera
Seit Februar ist zur Hepatitis-C- Behandlung das erste Interferon-freie Therapieregime mit drei direkt antiviral wirksamen Substanzen verfügbar: Viekirax® und Exviera® von Abbvie. Zum Einsatz kann es – mit oder ohne Ribavirin – bei Infizierten mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) vom Genotyp 1 kommen. Viekirax erhielt in Kombination mit Ribavirin zudem die Zulassung zur Behandlung von Hepatitis-C-Patienten mit dem Genotyp 4.
Viekirax enthält die neuen Wirkstoffe Paritaprevir, einen HCV-NS3/4A-Protease-Inhibitor, und Ombitasvir, einen Hemmer von HCV-NS5A. Zudem befindet sich Ritonavir zur Boosterung von Paritaprevir in der Tablette. Wirksubstanz in Exviera ist der neue HCV-RNA-Polymerase-Hemmer Dasabuvir. Die Kombination von Viekirax und Exviera ermöglicht also den Angriff auf die Viren in drei Phasen ihres Lebenszyklus. Die Behandlungsdauer bei Patienten mit dem Genotyp 1 beträgt für fast alle Patientengruppen einheitlich zwölf Wochen. Nur Patienten mit kompensierter Zirrhose nehmen die Tabletten 24 Wochen ein.
Ob zwölf oder 24 Wochen: Grundsätzlich gilt, dass die Patienten mit dem Genotyp 1 einmal täglich zwei Viekirax-Tabletten, also 150 mg Paritaprevir, 100 mg Ritonavir und 25 mg Ombitasvir plus zweimal täglich eine Exviera-Filmtablette à 250 mg Dasabuvir einnehmen. Gegebenenfalls müssen sie zusätzlich zweimal täglich Ribavirin schlucken.
Einnahme zu einer Mahlzeit
Patienten mit dem Genotyp 4 nehmen einmal täglich Paritaprevir/Ritonavir (150 mg/100 mg) mit Ombitasvir (25 mg), also zwei Viekirax-Tabletten, sowie zweimal täglich Ribavirin ein. Apotheker können darauf hinweisen, dass die Tabletten immer zusammen mit einer Mahlzeit eingenommen werden sollten.
Kontraindiziert ist Viekirax bei Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung und bei Anwendung ethinylestradiolhaltiger Arzneimittel. Auch Arzneimittel, deren Abbau und Ausscheidung stark von CYP3A4 abhängen und bei denen ein erhöhter Wirkstoffspiegel mit schwerwiegenden Ereignissen vergesellschaftet ist, dürfen nicht zusammen mit Viekirax angewendet werden. Dies gilt ebenfalls für starke oder moderate CYP3A4-Induktoren und -Inhibitoren. Exviera ist kontraindiziert bei Anwendung ethinylestradiolhaltiger Arzneimittel sowie bei der gleichzeitigen Anwendung von CYP3A4-Induktoren und CYP2C8- Inhibitoren wie Gemfibrozil.
Hohe Heilungsraten
Wirksamkeit und Sicherheit von Viekirax in Kombination mit Exviera mit und ohne Ribavirin wurden in sechs randomisierten klinischen Studien der Phase III mit insgesamt mehr als 2300 Hepatitis-C-Patienten vom Genotyp 1 untersucht. Das anhaltende virologische Ansprechen (SVR), ein Marker für die Ausheilung einer Hepatitis C unter einer antiviralen Therapie, stellte den primären Endpunkt der Studien dar. Das Ergebnis: Unter Viekirax plus Exviera mit oder ohne Ribavirin konnten 97 Prozent der HCV-Patienten mit dem Genotyp 1 geheilt werden.
Eine weitere randomisierte Studie mit 135 Patienten vom HCV-Genotyp 4 ohne Leberzirrhose untersuchte Sicherheit und Wirksamkeit von Viekirax mit oder ohne Ribavirin. Der primäre Endpunkt war auch hier die SVR nach zwölf Wochen. Dieses Ziel konnte je nachdem, ob Ribavirin zusätzlich gegeben wurde oder nicht, bei nicht vorbehandelten Patienten zu 100 beziehungsweise 91 Prozent erreicht werden. Bei mit pegyliertem Interferon und Ribavirin vorbehandelten Patienten betrug die SVR nach zwölf Wochen ebenso 100 Prozent, wenn sie Exviera plus Ribavirin über diesen Zeitraum eingenommen hatten.
Patienten, die Viekirax und Exviera einnahmen, berichteten in Studien häufig über Juckreiz. Wurde zusätzlich Ribavirin eingenommen, traten sehr häufig Schlaflosigkeit, Übelkeit, Juckreiz und Erschöpfung auf. Insgesamt war die Abbruchrate aufgrund von Nebenwirkungen bei der Therapie mit Viekirax und Exviera mit oder ohne Ribavirin mit 0,2 Prozent gering.
Hinsichtlich der Wechselwirkungen gibt es einiges zu beachten. Das legen schon die zuvor genannten Kontraindikationen nahe. In den Fachinformationen der beiden neuen Präparate können sich Apotheker sehr detailliert auf mehreren Seiten über weitere mögliche Wechselwirkungen informieren. So kann die gleichzeitige Anwendung von Viekirax die Exposition gegenüber Arzneimitteln, die durch CYP2C19 metabolisiert werden, senken und eine Dosisanpassung beziehungsweise klinische Überwachung erforderlich machen.
Paritaprevir, Ritonavir und Dasabuvir sind in vivo auch Hemmer des Breast Cancer Resistance Proteins (BCRP). Die gleichzeitige Anwendung von Viekirax mit oder ohne Exviera zusammen mit Arzneimitteln, die Substrate dieses Transportproteins sind, kann zu erhöhten Plasmakonzentrationen dieser Substanzen führen und möglicherweise eine Dosisanpassung oder eine klinische Überwachung erforderlich machen. Zu diesen Arzneimitteln zählen zum Beispiel Imatinib, Sulfasalazin und einige Statine. Zu bedenken ist ferner, dass sich Viekirax und Exviera auch gegenseitig beeinflussen, wenn sie zusammen eingenommen werden. Daher muss das Wechselwirkungsprofil der Wirkstoffe in der Kombination betrachtet werden.
Keine Zulassung als Monotherapie
In den Fachinformationen wird ferner darauf hingewiesen, dass beide neuen Präparate nicht als Monotherapeutika zum Einsatz kommen sollen. Viekirax wurde nur in Kombination mit Exviera und/oder Ribavirin untersucht, Exviera nur in Kombination mit Viekirax mit oder ohne Ribavirin. Die Anwendung der Präparate mit anderen antiviralen Wirkstoffen wurde nicht untersucht und kann nicht empfohlen werden.
Während der Schwangerschaft oder bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht zuverlässig verhüten, sollte Viekirax nicht angewendet werden. Auch Exviera sollte vorsichtshalber in der Schwangerschaft vermieden werden. Bei Stillenden ist zu entscheiden, ob das Stillen oder die Behandlung mit Viekirax beziehungsweise Exviera zu unterbrechen ist.
vorläufige Bewertung: Schrittinnovation
Dasabuvir
Wasserstoff: Hellblau Sauerstoff: Rot Stickstoff: Dunkelblau Schwefel: Gelb
Ombitasvir
Wasserstoff: Hellblau Sauerstoff: Rot Stickstoff: Dunkelblau
Paritaprevir
Wasserstoff: Hellblau Sauerstoff: Rot Stickstoff: Dunkelblau Schwefel: Gelb
Geringe Fortschritte im Februar
Von den sechs neuen Wirkstoffen können fünf als Schrittinnovationen bewertet werden. Lediglich der lang wirksame GLP-1-Agonist Dulaglutid (Trulicity®), der bei Typ-2-Diabetikern eingesetzt wird, ist als Analogpräparat zu bewerten. Als fünfter Vertreter dieser Wirkstoffgruppe zeigt Dulaglutid gegenüber Liraglutid keine Vorteile.
Mit Apremilast (Otezla®) wurde ein neuer Wirkstoff für die Indikationen Psoriasis und Psoriasis-Arthritis eingeführt. Der Phosphodiesterase-4-Hemmer stellt für diese Indikationen ein neues Wirkprinzip dar und ist für die Secondline-Therapie zugelassen. Die Hemmung der PDE-4 führt zu einer Steigerung der intrazellulären cAMP-Konzentration, was zu einer Reduktion unter anderem von TNF-αmit der Folge einer statistisch relevanten Verbesserung der Psoriasis-Symptomatik führt. Apremilast kann als Schrittinnovation angesehen werden.
Mit Ramucirumab (Cyramza®) wurde ein neuer monoklonaler Antikörper zur Zweitlinien-Therapie des Magenkarzinoms eingeführt. Er wird in erster Linie zusammen mit Paclitaxel eingesetzt. Der Antikörper richtet sich spezifisch gegen die extrazelluläre Domäne des VEGF-Rezeptors-2, dessen Stimulierung das Tumorwachstum und die Metastasierung fördert. Mit Ramucirumab konnte das Überleben signifikant verlängert werden. Ramucirumab kann als Schrittinnovation bewertet werden.
Die übrigen drei neuen Arzneistoffe Dasabuvir (Exviera®), Ombitasvir kombiniert mit Paritaprevir (Viekirax®) sind direkt antiviral wirksame Stoffe, die nicht mit Interferon kombiniert werden müssen. Viekirax und Exviera werden laut Fachinformation immer miteinander kombiniert und decken den Bedarf der Hepatitis-C-Patienten mit Genotyp 1 und 4 ab. Die Heilungsraten bewegen sich zwischen 91 und 100 Prozent. Damit können die drei Stoffe als Schrittinnovationen bewertet werden.
Professor Dr. Hartmut Morck
Universität Marburg