Tickende Zeitbombe |
04.03.2013 14:14 Uhr |
Von Marion Hofmann-Aßmus / Tumoren im Gehirn sind glücklicherweise selten, jedoch enorm gefährlich. Treten beim Erwachsenen plötzlich Sprachstörungen oder erstmals ein epileptischer Anfall auf, sind dies Alarmsignale, die einen dringenden Besuch beim Neurologen erfordern.
Gehirntumoren stellen etwa 2 Prozent aller Krebserkrankungen dar und gelten daher – im Unterschied zu Krebserkrankungen anderer Organe wie Brust, Prostata oder Darm – als vergleichsweise selten. Man schätzt, dass in Deutschland knapp 7000 Menschen jährlich neu erkranken. Insgesamt betrachtet sind Männer etwas häufiger betroffen als Frauen. Jedoch treten einzelne Tumoren wie das von den Hirnhäuten ausgehende Meningeom überwiegend bei Frauen auf.
Tumoren des Gehirns können jederzeit und unabhängig vom Alter entstehen, werden jedoch gehäuft bei Menschen zwischen 50 und 70 Jahren beobachtet. Männer erkranken im Mittel etwas früher als Frauen (mit 64 versus 68 Jahren). Bei Kindern stehen Gehirntumoren unter den bösartigen Tumorerkrankungen an zweiter Stelle nach der Leukämie.
Zu den Besonderheiten der Gehirntumoren gehört deren außerordentlich große Vielfalt. Bislang sind etwa 130 unterschiedliche Tumorarten des zentralen Nervensystems (ZNS) bekannt. Doch scheint diese Einteilung noch nicht auszureichen. Forscher arbeiten derzeit an der weiteren Klassifizierung der einzelnen Tumorarten, um beispielsweise mithilfe eines molekularen Fingerabdrucks differenziertere Therapien entwickeln zu können.
Gehirntumoren können gutartig (abgegrenzt, langsam) oder bösartig (infiltrierend, schnell) wachsen. Aufgrund der festen Begrenzung durch den Schädel lässt jedoch jede Zubildung letztlich den Hirndruck steigen und führt somit zu einer lebensbedrohlichen Situation.
Je nachdem an welcher Stelle der Tumor wächst, unterscheiden sich die klinischen Symptome. Sie reichen von unspezifischen Anzeichen wie Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen bis zu spezifischen neurologischen oder neuropsychiatrischen Symptomen wie Lähmungen, Gefühls-, Sprach- oder Sehstörungen, epileptischen Anfällen oder Persönlichkeitsveränderungen.
Metastasen im Gehirn
Eine weitere – wissenschaftlich noch nicht verstandene – Eigenheit von Gehirntumoren ist, dass sie selten Metastasen in anderen Organen verursachen. Selbst sehr bösartige Tumoren wie das Glio- oder das Medulloblastom bleiben meist auf das Gehirn beschränkt. Nur selten kommt es durch die Ausbreitung einzelner Tumorzellen über das Hirnwasser zu neuen Tumoren an entfernteren Orten innerhalb des ZNS. Umgekehrt können durch andere Krebserkrankungen im Körper sehr wohl Metastasen im Gehirn entstehen.
Etwa 7000 Menschen bekommen jedes Jahr die Diagnose Hirntumor.
Foto: Superbild
Etwa 30 bis 40 Prozent aller Hirntumoren entstehen als Metastasen anderer Tumoren. Dabei gelangen einzelne Tumorzellen mit der Hirnflüssigkeit (Liquor cerebrospinalis) ins Gehirn und siedeln sich dort an. Folgende bösartige Tumoren neigen dazu, Gehirnmetastasen zu entwickeln: Adenokarzinom der Lunge, Mamma-, Blasen- und Schilddrüsenkarzinome, malignes Melanom, Tumoren des Magen-Darm-Traktes sowie Lymphome.
Bei Männern gehen die Metastasen vor allem auf Lungenkrebs zurück, bei Frauen häufig auf Brustkrebs. Ebenso wie die primären Gehirntumoren machen sich die Metastasen durch plötzlich auftretende neurologische Symptome oder einen epileptischen Anfall bemerkbar. Dann ist häufig nicht mehr der Primärtumor, sondern der Gehirnbefall ausschlaggebend für die Überlebenszeit des Patienten. Die Prognose verschlechtert sich durch eine Gehirnmetastase dramatisch. Diagnose und Behandlung entsprechen in der Regel der von primären Gehirntumoren.
Lebensgewohnheiten spielen keine Rolle
Bei der Ursachenforschung tappen die Wissenschaftler noch weitgehend im Dunkeln. Es sind kaum Faktoren bekannt, die die Entstehung von Gehirntumoren begünstigen. Weder die Ernährung noch Rauchen, Alkoholkonsum oder Stress spielen eine Rolle. Auch für den vieldiskutierten negativen Einfluss von elektromagnetischen Feldern etwa durch Mobiltelefone oder Hochspannungsleitungen gibt es keine fundierten Belege.
Das menschliche Gehirn besteht nur etwa zur Hälfte aus Nervenzellen, die übrigen 50 Prozent bilden Gliazellen. Ihre Bezeichnung stammt aus dem griechischen Wort für Leim (gr. gliocyti), da sie ursprünglich nur als Stützzellen für die Nervenzellen angesehen wurden. Mittlerweile weiß man, dass sie darüber hinaus auch für den Stoff- und Flüssigkeitstransport sowie für die Informationsverarbeitung, -speicherung und -weiterleitung eine wichtige Rolle spielen.
Im zentralen Nervensystem lassen sich diverse Gliazellen unterscheiden. Neben den Neuroglia, zu denen Astroglia (und Astrozyten), Oligodendroglia (und Oligodendrozyten) sowie Ependymzellen gehören, gibt es noch Radia- und Mikroglia. Radiaglia stellen eine spezielle Form von Astrozyten dar. Mikroglia, auch Hortega-Zellen oder Mesoglia genannt, bilden die aktive Immunabwehr des Gehirns, indem sie die inflammatorische Immunantwort vermitteln und eine ähnliche »Fressfunktion« abgestorbener Zellreste übernehmen wie Makrophagen.
Bei Menschen bestehen die Gliazellen vor allem aus Astrozyten. Die sternförmigen Zellen regulieren den Flüssigkeitshaushalt und den pH-Wert im Gehirn. Oligodendrozyten bilden das Myelin, sorgen also für die elektrische Isolation der Nervenzellen. Gemeinsam mit den Astrozyten werden sie häufig als Makroglia bezeichnet. Ependymzellen kleiden die inneren Hirnkammern im ZNS aus und bilden den Zentralkanal des Rückenmarks. Von den Gliazellen ausgehende Tumoren werden allgemein als Gliome bezeichnet und entsprechend ihrem Zelltyp weiter unterteilt.
Neben den Gliazellen gibt es noch die Plexusepithelzellen, die ein spezielles Adergeflecht, den Plexus choroideus auskleiden. Sie sind für die Bildung des Hirnwassers bedeutsam.
Ein leicht erhöhtes Risiko ist lediglich für Patienten bekannt, die aufgrund anderer Erkrankungen, zum Beispiel einer akuten Leukämie, einer direkten radioaktiven Bestrahlung des Nervensystems ausgesetzt werden. Etwas häufiger zeigen auch Patienten mit bestimmten Erbkrankheiten einen primären ZNS-Tumor. Dazu zählen
Bösartiger Gehirntumor (oben links), erkennbar in der Magnetresonanztomografie (MRT)
Foto: Weller/DGN
Vielfältige Gehirntumoren
Die verschiedenen Tumorarten wachsen sehr unterschiedlich: schnell, langsam, abgegrenzt oder infiltrierend. Und sie sprechen verschieden gut auf die Behandlung an. Für die Prognose des Patienten und seine Therapie ist es daher sehr wichtig zu wissen, zu welcher Art der Tumor gehört (Klassifikation) und welche biologische Wertigkeit (gut- oder bösartig) er hat.
Tumortyp | WHO-Grad |
---|---|
Astrozytome | |
Glioblastom | WHO-Grad IV |
diffuses Astrozytom | WHO-Grad II |
anaplastisches Astrozytom (anaplastisch: geringer differenzierte Zellen) | WHO-Grad III |
pilozytisches Astrozytom (vor allem bei Kindern, Tumorzellen ähneln Pilozyten = Haarzellen) | WHO-Grad I |
Oligodendrogliome | je nach Subtyp WHO-Grad II, III |
Ependymome (vor allem bei Kindern) | je nach Subtyp WHO-Grad I, II, III |
Um das festzustellen, muss der Arzt etwas Tumormaterial entnehmen, entweder während einer offenen Operation oder mittels Biopsie. Anschließend begutachtet ein möglichst erfahrener Neuropathologe die Herkunft der Zellen und stellt die genaue Diagnose anhand der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegebenen »Klassifikation der Tumoren des zentralen Nervensystems«. Zusätzlich zur Art des Tumors ordnet die WHO jedem Tumor einen Grad (I bis IV) zu, der Aufschluss über Prognose und Heilungschancen gibt.
Der WHO-Grad I bedeutet ein gutartiges, langsames Tumorwachstum und eine sehr gute Prognose. Tumoren im WHO-Grad II sind noch gutartig, haben aber eine erhöhte Neigung zu wiederholtem Auftreten; der Übergang in bösartige Tumoren ist möglich. Im WHO-Grad III sind die Tumoren bereits bösartig; nach der Operation sind Strahlen- und/oder Chemotherapie notwendig. Der WHO-Grad IV beschreibt ein sehr bösartiges, rasches Tumorwachstum. Nach der Operation sind Strahlen- und/oder Chemotherapie notwendig; die Patienten haben eine schlechte Prognose (Quelle: Leitlinien der Deutschen Krebsgesellschaft e. V.).
Prinzipiell können sich aus allen Zellpopulationen im Gehirn Tumoren entwickeln. Die Nervenzellen selbst, die Neuronen, bilden allerdings nur sehr selten Tumoren. Vermutlich, weil sie sich im ausgereiften Hirngewebe in der Regel nicht mehr teilen. Geht die Tumorbildung von Zellen der Hirnhäute aus, spricht man von Meningeomen. Diese Tumoren stellen die zweithäufigste Gruppe der primären Gehirntumoren nach den Gliomen dar. Werden Plexusepithelzellen als Ursprungszellen ausgemacht, handelt es sich um Plexuspapillome (eher gutartig) oder Plexuskarzinome (bösartig). Als Neurinome oder Schwannome bezeichnet man Tumoren der Hirnnerven und Rückenmarkswurzeln. Diese machen etwa 8 Prozent der Tumoren im Schädelinneren und 29 Prozent der Rückenmarkstumoren aus.
Die Mehrzahl der Hirntumoren (60 Prozent) entsteht jedoch aus den Stützzellen, den Gliazellen. Diese Tumoren werden als Gliome zusammengefasst. Da sich die Gliazellen aus Astrozyten, Oligodendrozyten und Ependymzellen zusammensetzen, unterscheidet man diverse Tumoren (Tabelle 1).
Es gibt auch Mischgliome aus astrozytären und oligodendroglialen Tumorzellen. Weitere wichtige, primär im Gehirn entstehende Tumoren sind Hypophysentumoren, Kraniopharyngeome, Lymphome und Medulloblastome.
Gehirntumoren bei Kindern
Über 20 Prozent aller im Kindesalter auftretenden Krebserkrankungen sind Gehirntumoren. Im Gegensatz zu Erwachsenen entwickeln sich hier insbesondere gutartige Gliome oder bösartige Medulloblastome des Kleinhirns. Bei den gutartigen Tumoren handelt es sich vor allem um das pilozytische Astrozytom. Dieser Tumor wächst langsam und relativ gut abgegrenzt, oft im Bereich der vorderen Sehbahn, des Hypothalamus oder im Kleinhirn. Sofern möglich wird er operativ entfernt und gilt damit häufig als geheilt. Eine Bestrahlung erfolgt nur, wenn der Tumor inoperabel ist.
Tumor | Häufigkeit (Prozent der hirneigenen Tumoren | Inzidenz pro 100 000/Jahr | Mittleres Alter bei Diagnose (Jahre) | 2-Jahres- Überleben (Prozent) | 5-Jahres- Überleben (Prozent) |
---|---|---|---|---|---|
Glioblastom | 22,6 | 2,94 | 62 | 9 | 3 |
Anaplastisches Astrozytom | 4,3 | 0,54 | 50 | 46 | 31 |
Oligodendrogliom | 2,6 | 0,32 | 41 | 80 | 63 |
Diffuses Astrozytom | 1,3 | 0,17 | 47 | 67 | 49 |
Unter den bösartigen Gehirntumoren im Kindesalter dominiert das Medulloblastom des Kleinhirns (WHO-Grad IV). Unter diesem Begriff fassen die Ärzte mehrere, molekularbiologisch sehr unterschiedliche Tumoren zusammen. Daher versuchen Forscher derzeit, einzelne Tumorarten genauer zu differenzieren und in Gruppen einzuteilen.
Die Behandlung umfasst die Operation mit nachfolgender Chemo- und Strahlentherapie. Bei einer Chemotherapie werden grundsätzlich mehrere Substanzen kombiniert. Gemäß der Leitlinie der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie sind mehrere Zytostatika bei der adjuvanten Therapie etabliert: Nitrosoharnstoffderivate (CCNU, BCNU) sowie Platinderivate (Cisplatin, Carboplatin) und Vincristin. Bei neoadjuvanter Gabe kommen alkylierende Substanzen wie Ifosfamid und Cyclophosphamid, Platinderivate wie Cis- und Carboplatin sowie Alkaloide (Vincristin), Topoisomerasehemmer (Etoposid) und eventuell auch Antimetabolite (hoch dosiertes Methotrexat) infrage. Die Kombination von Carboplatin und Etoposid ist auch bei Rezidiven wirksam. Gegen Hirndrucksymptome wird eine antiödematöse Therapie mit Dexamethason empfohlen.
Kinder unter drei bis vier Jahren werden nicht bestrahlt. Sie können jedoch eine intraventrikuläre Chemotherapie mit Methotrexat erhalten, sofern sie keine Metastasen haben.
Trotz der umfassenden Behandlung entwickeln etwa 40 Prozent der Kinder anschließend Rezidive und rund 30 Prozent sterben daran. Die Überlebenden leiden häufig unter dauerhaften Behinderungen und einer verminderten Lebensqualität.
Schlechte Prognose beim Glioblastom
Das Glioblastom gilt als der häufigste und aggressivste Tumor bei Erwachsenen (Tabelle 2). Er entwickelt sich vor allem im Großhirn und gilt aus verschiedenen Gründen als besonders bösartig. Er wächst sehr rasch und invasiv in angrenzendes gesundes Gewebe und ist daher schwer zu operieren. Zudem ist er resistent gegenüber dem körpereigenen Immunsystem und fördert die Bildung von Gefäßen (Neoangiogenese), die den Tumor versorgen.
Viele Patienten mit aggressiven Hirntumoren bekommen nach der Operation zusätzlich eine Chemotherapie.
Foto: Fotolia/ Africa Studio
Ein weiteres Problem: Einzelne Glioblastom-Zellen wandern früh in der Entstehung weit in gesunde Gehirnareale hinein, teilen sich zunächst nicht und bleiben so von Chemotherapie oder Bestrahlung unbehelligt. Später bilden sie jedoch Rezidive.
Nach der Operation kommt es daher häufig innerhalb weniger Monate zu einer neuerlichen Tumorbildung. Die Prognose der Patienten ist dementsprechend schlecht. Selbst unter einer intensiven Therapie führen Glioblastome meist innerhalb eines Jahres zum Tod. Eine frühe Diagnose ist laut Leitlinie ohne relevanten Stellenwert, eine Prävention nicht möglich.
Operation als wichtigste Maßnahme
Zur bildlichen Abklärung von Hirntumoren wird vor allem die Magnetresonanztomografie (MRT) des Schädels eingesetzt. Ist eine MRT nicht möglich, führt der Arzt eine Computertomografie (CT) durch. Wichtig ist zudem die Gewebeentnahme, anhand derer die endgültige Diagnose gestellt wird.
Therapeutisch steht – bei Erwachsenen wie bei Kindern – die operative Entfernung des Tumors an erster Stelle. Anschließend folgen in der Regel eine Strahlentherapie sowie zusätzlich eine Chemotherapie. Für Letztere wird mittlerweile häufig Temozolomid eingesetzt, da es sich als besser verträglich erwiesen hat als beispielsweise die Nitrosoharnstoffe wie Carmustin (BCNU), Lomustin (CCNU) und Nimustin (ACNU) (Tabelle 3). Für die chemotherapeutische Behandlung von primären zerebralen Lymphomen spielt Methotrexat (MTX) eine wichtige Rolle.
Parallel zu den gängigen Therapieschemata werden neuere Ansätze in Studien getestet. Dazu zählt etwa der monoklonale VEGF-Antikörper Bevacizumab. Der Angiogenesehemmer soll den Tumor quasi »aushungern«, indem er die Neubildung von Blutgefäßen unterdrückt. Erste Studien an Patienten mit Glioblastom-Rezidiven verliefen so hoffnungsvoll, dass der Antikörper in der GLARIUS-Studie nun auch an Patienten mit Primärtumoren getestet wurde. Die Studie ist bereits abgeschlossen, derzeit erfolgen die Nachbeobachtungen und Auswertungen.
Im Einzelfall hängt die Behandlung von verschiedenen Faktoren ab, etwa dem Alter des Patienten sowie der Tumorart und dessen molekularbiologischen Eigenschaften. So ist eine Chemotherapie etwa beim diffusen Astrozytom nicht indiziert. Dagegen ergaben neue Studien beispielsweise, dass Patienten mit anaplastischem oligodendroglialem Tumor mit bestimmten Deletionen (kombinierter Verlust chromosomaler Abschnitte auf 1p und 19q) deutlich länger leben, wenn sie zusätzlich zur Strahlentherapie eine Chemotherapie nach dem PCV-Schema (Procarbazin, Lomustin und Vincristin) erhalten (5).
Fachleute diskutieren derzeit über die Bedeutung eines Biomarkers (Methylierung des Promotors des O6-Methylguanyltransferase (MGMT)-Gens) als prädiktiver Marker bei älteren Glioblastom-Patienten. Generell leben die Patienten mit MGMT-Promotor-Methylierung l deutlich länger, wenn sie zusätzlich zur Strahlentherapie mit Temozolomid behandelt werden. Ältere Patienten (ab 70 Jahren) scheinen jedoch von der Kombination nicht zu profitieren. Dennoch wird ihr MGMT-Status für die Therapieentscheidung herangezogen. Denn ältere Patienten mit MGMT-Promotor-Methylierung zeigten ein verlängertes Gesamtüberleben, wenn sie nur Temozolomid bekamen, nicht aber, wenn sie bestrahlt wurden. Umgekehrt überleben ältere Glioblastom-Patienten ohne MGMT-Promotor-Methylierung länger unter alleiniger Strahlentherapie.
Insgesamt sprechen Hirntumorzellen sehr unterschiedlich auf die Therapien an. Während sich etwa anaplastische Oligodendrogliome häufig auch langfristig gut in Schach halten lassen, erweisen sich Glioblastome meist als therapieresistent. Die Therapie zielt daher häufig auf die Linderung des Leidens (palliativ) und nicht mehr auf Heilung ab.
Protokoll | Dosierung |
---|---|
Temozolomid | 150 bis 200 mg/m2 peroral, Tag 1 bis 5, alle 4 Wochen |
Nitrosoharnstoffe (ACNU, BCNU, CCNU) | Verschiedene Schemata |
PCV | Procarbazin 60 mg/m2 peroral, Tag 8 bis 21 CCNU 110 mg/m2 peroral, Tag 1 Vincristin 1,4 mg/m2 intravenös, Tag 8 + 29, alle (6 bis ) 8 Wochen |
Daher empfehlen die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN, 2008), Patienten mit erhöhtem Hirndruck mit hoch dosierten Corticosteroiden und gegebenenfalls mit Osmotherapeutika (Mannit, Glycerin) zu behandeln. Leidet der Patient unter starken Schmerzen, sind mittelstarke und starke Opioide angeraten. Gegen die erhöhte postoperative Thromboemboliegefahr helfen niedermolekulare fraktionierte Heparine.
Viel Forschung, aber kein Quantensprung
Weil man den aggressiv wachsenden Glioblastomen bislang kaum etwas entgegensetzen kann, werden sie mit modernen molekularbiologischen Methoden näher analysiert. So gelang es einem internationalen Forscherteam unter Federführung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg, die Glioblastome von insgesamt 210 Patienten in sechs verschiedene Gruppen zu unterteilen (2).
Warum den Forschern die genaue Unterscheidung der einzelnen Tumorgruppen so wichtig ist, erklärt der Studienleiter Professor Dr. Stefan Pfister: »Die präzise Kenntnis der verschiedenen molekularen Hintergründe des Glioblastoms könnte der Kompass sein, der uns zu neuen Behandlungsansätzen führt, die speziell auf eine der Untergruppen zugeschnitten sind.«
Auch an anderen Zentren wird intensiv an neuen Therapiemöglichkeiten geforscht. So testet man am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH) in Tübingen die Wirkung von Mistelextrakten auf Gliomzellen (3). In der Zellkultur zeigten sich mehrere positive Effekte, beispielsweise eine verminderte Fähigkeit der Zellen zu wandern oder eine bessere Immunreaktion. Im Tiermodell konnte das Tumorwachstum verlangsamt werden, wenn der Mistelextrakt direkt in den Tumor injiziert wurde.
Ebenfalls am HIH versucht man, speziell konstruierte Adenoviren im Kampf gegen Tumorzellen einzusetzen. Die Viren sollen die Krebszellen zerstören und sie zudem sensibler gegenüber der Chemotherapie machen. Diese Arbeiten stecken noch tief in der Grundlagenforschung und sind in absehbarer Zeit nicht in der Klinik anwendbar.
Etwas hoffnungsvoller stimmen Versuche, gegen das Glioblastom zu impfen. Die Impfung wird nach der etablierten Behandlung eingesetzt und soll Rezidive verhindern. Einer der untersuchten Ansätze scheint Patienten zu helfen, deren Hirntumoren unter dem Einfluss eines sehr aggressiven Krebsgens stehen (epidermal growth factor receptor variant III, EGFRvIII). Die geimpften Patienten zeigten in einer kleinen Studie eine signifikant längere Gesamtüberlebenszeit von durchschnittlich 26 Monaten, verglichen mit nicht geimpften Probanden, die im Mittel nur 15 Monate überlebten (4). Diese Form der Impfung kommt nur für etwa ein Drittel aller Glioblastom-Patienten infrage.
Experten wie Professor Dr. Bernhard Hemmer von der Technischen Universität München sehen derzeit keine bahnbrechende therapeutische Neuerung. Jedoch lasse sich durch weitere Optimierungen der Therapie sowohl die Zahl der Überlebenden als auch die Überlebenszeit schrittweise verbessern. Beim Glioblastom allerdings könne man bestenfalls die Tumormasse verkleinern. Heilbar ist dieser Tumor laut Hemmer auf absehbare Zeit nicht. /
Literatur
Marion Hofmann-Aßmusabsolvierte eine Ausbildung als veterinärmedizinisch-technische Assistentin (VMTA) und studierte anschließend Diplom-Biologie an der Ludwig-Maximilians-Universität, München. Promoviert wurde sie 1999 mit einer Arbeit zu molekularer Kardiologie an der Chemischen Fakultät der LMU München. Seither ist sie freiberuflich in verschiedenen Redaktionen und als Fachjournalistin tätig.