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Rabattverträge

Was bei Biologicals zu beachten ist

09.03.2010  15:27 Uhr

Von Nina Griese, Ralf Goebel und Martin Schulz / Am 1. Januar dieses Jahres trat eine Neufassung des Rahmenvertrags über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Absatz 2 SGB V in Kraft. Diese enthält eine Regelungsergänzung zur Auswahl biotechnologisch hergestellter Arzneimittel. Was bedeutet diese für die Apothekenpraxis?

Aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 129 SGB V sind Arzneimittel mit Rabattvertrag nach § 130a Absatz 8 SGB V im Aut-idem-Bereich vorrangig abzugeben. Dies gilt sowohl bei namentlicher Verordnung des Arzneimittels als auch bei Wirkstoffverordnungen. § 4 Absatz 1 des Rahmenvertrages bestimmt die Voraussetzungen für die Arzneimittelauswahl.

Die allgemeinen Voraussetzungen, nach denen die Software prüft, ob Rabattarzneimittel im Aut-idem-Bereich vorliegen, sind:

 

a) gleicher Wirkstoff

b) gleiche Wirkstärke

c) gleiche Packungsgröße

d) gleiche oder austauschbare Darreichungsform

e) gleicher Indikationsbereich

f) keine einer Ersetzung des verordneten Arzneimittels entgegenstehenden betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften.

 

Der Begriff »gleicher Wirkstoff« bezieht sich auf § 24b AMG, der die bezugnehmende Zulassung von Generika regelt. Wirkstoffgleich sind danach Generika, die eine bezugnehmende Zulassung besitzen. Dies bedeutet, dass vom Zulassungsinhaber der Nachweis der Bioäquivalenz, in der Regel mit dem Originalprodukt des Erstanbieters, erbracht wurde. Als wirkstoffgleich gelten dabei auch verschiedene Salze, Ester, Ether, Isomere, Mischungen von Isomeren, Komplexe und Derivate eines Wirkstoffes, es sei denn, ihre Eigenschaften unterscheiden sich nach wissenschaftlichen Erkenntnissen erheblich hinsichtlich der Unbedenklichkeit und der Wirksamkeit.

 

Biologicals?

 

Biotechnologische Prozesse ermöglichen seit einiger Zeit die Herstellung komplexer Arzneimittelmoleküle, sogenannter Biologicals, mit einer Protein- beziehungsweise Glykoproteinstruktur. Das Molekulargewicht dieser rekombinanten Arzneistoffe ist um einiges höher als das von chemisch synthetisierten Wirkstoffen. Sie besitzen eine komplexe Molekülstruktur. Wegen ihrer Größe können sie nicht durch einen klassischen chemischen Prozess hergestellt werden. Vielmehr werden Biologicals aus lebenden Organismen (zum Beispiel E. coli) hergestellt oder abgeleitet.

 

Biosimilars sind biotechnologisch hergestellte Nachfolgeprodukte eines nicht mehr patentgeschützten Biologicals. Hierbei ist nicht nur das Molekül, sondern auch der Herstellungsprozess zu kopieren. Dies hängt damit zusammen, dass das Biological und dabei vor allem die Tertiärstruktur des Proteins von seinem Herstellungsprozess geprägt wird. Aufgrund des Zusammenhangs zwischen Produkt und Herstellungsprozess, der bei jedem Nachfolgeprodukt Unterschiede aufweist, können Biosimilars nicht gleich, sondern nur ähnlich sein. Unterschiede beim Herstellungsprozess resultieren zum Beispiel aus unterschiedlichen Organismen, auf denen das Zielprotein exprimiert wird, und Unterschieden bei Abtrennung und Reinigung des Produktes. Anders als die klassischen, molekülstruktur-definierten Arzneistoffe sind Biosimilars also nicht völlig identisch zum Original und erfordern deshalb auch aufwendigere Zulassungsverfahren und Überwachungsmaßnahmen als die klassischen Generika. Der Hersteller muss zeigen, dass er einen Prozess entwickelt hat, aus dem ein ebenso funktionsfähiges, wie verträgliches Protein resultiert wie beim Herstellungsprozess des Originals. In Europa werden Biosimilars in einem zentralisierten Verfahren der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) auf der Grundlage von eigenen Studien zur Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zugelassen. Neben Biosimilars gibt es zudem Bioidenticals. Dies sind biotechnologisch hergestellte Arzneimittel aus einem unter identischen Bedingungen ablaufenden Herstellungsprozess. Bioidenticals werden allerdings von verschiedenen Zulassungsinhabern auf den Markt gebracht.

 

Austausch?

 

Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Biologicals in der Apotheke untereinander ausgetauscht werden können beziehungsweise müssen, war bisher umstritten. In der Neufassung des Rahmenvertrags nach § 129 Absatz 2 SGB V wurde daher eine klare und in der Praxis gut umsetzbare Regelung zu biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln ergänzt: Wirkstoffgleich sind biotechnologisch hergestellte Arzneimittel, sofern diese auf das Referenzarzneimittel Bezug nehmend zugelassen sind und sich in Ausgangsstoffen und Herstellungsprozess nicht unterscheiden; die Verpflichtung der Apotheke zur Berücksichtigung dieser biotechnologisch hergestellten Arzneimittel bei der Auswahl besteht nur für die in der Anlage 1 als untereinander wirkstoffgleich aufgeführten Arzneimittel. Das heißt, Biologicals sind nur wirkstoffgleich, wenn ein Bioidentical vorliegt. Biosimilars sind dagegen nicht wirkstoffgleich und dürfen nicht gegeneinander ausgetauscht werden.

In der Apotheke ist es allerdings in der Regel nicht möglich zu erkennen, ob es sich um ein Original oder ein Biosimilar handelt. So kann zum Beispiel die Wirkstoffbezeichnung von Original und Biosimilar gleich sein, muss es aber nicht. Dies wird am Beispiel von Epoetin deutlich. So heißen einige zugelassene Biosimilars zum Original von Epoetin alfa ebenfalls Epoetin alfa, teilweise Epoetin zeta. Auch eine Unterscheidung zwischen Biosimilar und Bioidentical ist in der Apothekenpraxis nicht möglich. So sind beispielsweise die verschiedenen Insuline in aller Regel Biosimilars und keine Bioidenticals und somit nicht autauschbar. Daher wurde in der Neuregelung aufgenommen, dass nur für die Bioidenticals, die in der Anlage 1 des Rahmenvertrages nach § 129 Absatz 2 SGB V aufgeführt sind, eine Verpflichtung zum Austausch besteht. Die Anlage 1 existiert zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch nicht.

 

Sobald diese Anlage zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem Deutschen Apothekerverband e. V. (DAV) abgestimmt wurde, besteht für die darin aufgeführten Wirkstoffe eine Verpflichtung zum Austausch gegen ein Rabattarzneimittel. Auf Grundlage der Daten der Anlage 1 ist es für die Apothekensoftware dann auch möglich, die Verpflichtung zum Austausch anzuzeigen.

 

Allerdings gilt auch bei diesen Bioidenticals, dass nicht jeder Austausch eines verordneten Arzneimittels durch ein Rabattarzneimittel, der von der Apothekensoftware vorgeschlagen wird, unproblematisch und ohne Risiken ist. Von der Verpflichtung zur Abgabe eines rabattbegünstigten Arzneimittels kann auch bei Bioidenticals in Fällen der Akutversorgung, im Notdienst sowie bei pharmazeutischen Bedenken abgewichen werden. Damit besteht auch bei Bioidenticals die Möglichkeit, von der Verpflichtung zur Abgabe rabattbegünstigter Arzneimittel abzusehen, wenn der Abgabe aus Sicht des Apothekers im konkreten Einzelfall pharmazeutische Bedenken entgegenstehen. Pharmazeutische Bedenken könnten zum Beispiel dann notwendig sein, wenn sich die (Selbst-)Applikation (zum Beispiel Injektion) von zwei Bioidenticals relevant unterscheidet. Werden pharmazeutische Bedenken bei Stoffen der Anlage 1 angemeldet, ist wie bei chemisch definierten Wirkstoffen das bekannte Sonderkennzeichen (2567024) und eine kurze Begründung auf dem Rezept anzugeben.

 

Fazit

 

Biosimilars sind nicht wirkstoffgleich und dürfen nicht gegeneinander ausgetauscht werden. Bioidenticals sind dagegen wirkstoffgleich. Solange die Anlage 1 noch nicht erstellt ist, gibt es auch für Bioidenticals keine Austauschverpflichtung in der Apotheke. /

Anschrift der Verfasser:

Geschäftsbereich Arzneimittel der ABDA, Zentrum für Arzneimittelinformation und Pharmazeutische Praxis (ZAPP)

Jägerstraße 49/50

10117 Berlin

arzneimittel(at)abda.aponet.de

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