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Verbraucherzentrale

Auch bei Apotheken sparen

09.03.2010  18:11 Uhr

Von Werner Kurzlechner, Berlin / Die Debatte um die Kopfpauschale führt nach Ansicht der Verbraucherzentralen an den echten Problemen im Gesundheitswesen vorbei. Größeren Reformbedarf sehen sie anderswo – auch bei den Gewinnmargen für Apotheken.

Ginge es nach dem Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), käme möglicherweise auch eine Senkung des pauschalen Apothekenzuschlags ins Gesundheitsreform-Paket. Das verrieten der Verbandsvorsitzende Gerd Billen und Gesundheitsfachbereichsleiter Dr. Stefan Etgeton in Berlin, als sie vor der ersten Zusammenkunft der Regierungskommission die Forderungen der Verbraucher präsentierten.

Mehr Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen ist eines der von Billen formulierten Kernziele, das unter anderem über eine deutliche Reduzierung der Arzneimittelkosten erreicht werden soll. Zuallererst will der VZBV dabei genau dort ansetzen, wo es laut Presseberichten auch das von Philipp Rösler (FDP) geführte Bundesgesundheitsministerium tun will. Aus dem Ministerium sickerte durch, dass die Preisverhandlungen für neue Medikamente zwischen Herstellern und Krankenkassen beschleunigt und der Druck auf die Pharmaindustrie erhöht werden soll. Geschehen soll dies durch die Einführung von Höchstpreisen, falls nach einer bestimmten Frist keine Einigung erfolgt sei. Genau dieser Ansatz ist aus Sicht der Verbraucherzentrale richtig. »Mit jedem Verhandlungsmonat verdienen die Firmen am von ihnen festgelegten höheren Preis«, sagte Etgeton. »Es fehlt an Anreizen für die Industrie, die Verhandlungen schnell zum Abschluss zu bringen.« Außerdem sei dafür zu sorgen, dass die Hersteller einzeln mit den Kassen verhandelten und nicht etwa vertreten durch den Verband forschender Arzneimittelhersteller (VFA).

 

Neben dieser Primärforderung einer beschleunigten Kosten-Nutzen-Bbewertung bestehe weiteres Einsparpotenzial im Vertrieb – insbesondere bei den Gewinnmargen von Großhandel und Apotheken, so Etgeton weiter. In einem neuen Positionspapier des VZBV heißt es dazu in aller Deutlichkeit: »Die Kosten der über 20 000 Apotheken in Deutschland müssen auf den Prüfstand gestellt werden. Sollte die Ausweitung des Wettbewerbs im Arzneimittelvertrieb keine Aussicht auf mehr Wirtschaftlichkeit bringen, muss die Reduzierung der Gewinnmargen auf allen Stufen der Vertriebskette in Angriff genommen werden.« Bezug nimmt der Verband hier auf eine Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) aus dem vergangenen Jahr. Darin wurde vorgerechnet, dass eine Senkung des Apothekenzuschlages um 2 Euro die GKV um rund 1,28 Milliarden Euro entlasten würde. Die Konsequenzen einer derartigen Absenkung für die flächendeckende Arzneimittelversorgung sprach Etgeton nicht an. In Gedanken mag Etgeton auch das Mehr- und Fremdbesitzverbot störend erscheinen, allerdings ist hier die politische Meinung eindeutig.

 

Trennung von GKV und PKV überholt

 

Die Arzneimittelpreise sind bei Weitem nicht das einzige Feld, auf dem der VZBV Sparpotenzial sieht. Erneut forderten Etgeton und Billen die Aufhebung der aus ihrer Sicht überholten Trennung von Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung. Die Morbiditätsorientierung in der Finanzierung der Kassen müsse erhalten bleiben, weil sonst Anreize zur Versorgung der bedürftigen Patienten verloren gingen. »Bei den Älteren und chronisch Kranken spielt in der Versorgung die Musik«, so Etgeton. Um das Gefälle zwischen mit Ärzten über- und unterversorgten Gebieten auszugleichen, fordert der VZBV Ab- und Aufschläge in der Vergütung der Mediziner. Wer sich in einer ländlichen Gegend mit Ärztemangel niederlässt, soll besser verdienen; wer eine weitere Praxis etwa in Berlin-Charlottenburg eröffnet, muss ein geringeres Salär einplanen. Etgeton lobte auch die Ansätze einer qualitätsorientierten Vergütung für Hausärzte in Bayern: »Das sind Systeme, die es auszubauen gilt.« Krankenhäuser sollten nach Ansicht der Verbraucherschützer komplett von den Krankenkassen finanziert werden – ein Plädoyer für die Abschaffung der Beteiligung der Länder. Für mehr Effizienz müssten Überkapazitäten abgebaut werden. Den Politikern fehle dafür der Anreiz, weil sie bei den Wählern durch den Erhalt auch überflüssiger Kliniken punkten wollten.

 

Im Gegensatz zu diesen Forderungen führe die aufgeregte Debatte um die Einführung einer Kopfpauschale an den wirklichen Problemen vorbei. »Darüber werden derzeit unerträgliche politische Hahnenkämpfe ausgetragen«, sagte Billen. Dass Systeme mit Kopfpauschale funktionierten und auch sozial gerecht sein könnten, zeige der Blick in die Niederlande. /

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