Verbraucherstreitbeilegungsgesetz verkündet |
29.02.2016 16:08 Uhr |
Von Matti Zahn, Berlin / Im Bundesgesetzblatt Teil I Nr. 9 vom 25. Februar 2016 ist das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten verkündet worden.
Wie sich bereits dem ausführlichen Gesetzestitel entnehmen lässt, hat der Gesetzgeber mit den nun verkündeten Regelungen EU-Recht umgesetzt.1 Ergebnis ist im Wesentlichen die Schaffung eines Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes (VSBG), welches Regelungen über die außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern durch sog. Verbraucherschlichtungsstellen enthält. Zuständig sind diese Verbraucherschlichtungsstellen für Streitigkeiten aus Verbraucherverträgen nach § 310 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Verbraucherverträge in diesem Sinne sind schlichtweg Verträge, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossen werden. Teilweise werden diese Verträge auch als B2C-Verträge (business to consumer) bezeichnet. Unternehmer ist dabei jede natürliche, juristische Person oder rechtfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt (§ 14 BGB).
Foto: Fotolia/Fontanis
Als Verbraucher gilt im Gegensatz dazu, jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden (§ 13 BGB). Diese Definitionen verdeutlichen die immense Bandbreite der betroffenen Verträge und damit auch die Vielzahl der vom Gesetz erfassten Unternehmer aus den verschiedensten Bereichen. Ausgenommen sind nach dem Wortlaut des Gesetzes allein arbeitsvertragliche Streitigkeiten. Allerdings hat der Gesetzgeber auch vorgesehen, dass Streitigkeiten aus Verträgen über Gesundheitsdienstleistungen nicht in die Zuständigkeit der sogenannten »Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstellen« fallen (§ 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1b) VSBG). Dies betrifft auch Verträge über die Abgabe und Bereitstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten. Soweit die Apotheke allerdings (wie in der weit überwiegenden Zahl der Fälle) auch Waren des Nebensortiments nach § 2 Absatz 10 Apothekenbetriebsordnung, wie beispielsweise Nahrungsergänzungsmittel oder Mittel zur Körperpflege, anbietet, ist die Zuständigkeit der Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstellen wiederum gegeben.
Wesentlich auch für Apotheken sind die in den §§ 36 und 37 VSBG geregelten Informationspflichten. Nach § 36 VSBG muss ein Unternehmer, der eine Webseite unterhält oder Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, den Verbraucher leicht zugänglich, klar und verständlich in Kenntnis davon setzen, inwieweit er bereit oder verpflichtet ist, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen. Zudem muss er auf die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle hinweisen, wenn er sich zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle verpflichtet hat oder wenn er hierzu aus anderem Rechtsgrund verpflichtet ist. Dieser Hinweis muss mit Angaben zur Anschrift und Webseite der Verbraucherschlichtungsstelle sowie mit der Erklärung des Unternehmers verbunden sein, an einem Streitbeilegungsverfahren vor dieser Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.
Weitgehend ungeklärt ist hingegen die Frage, ob Apotheken die in den §§ 36 und 37 VSBG aufgeführten Informationspflichten stets oder nur treffen, wenn sie (wie im Regelfall) entsprechende Waren des Nebensortiments führen. Da Nebensortimentswaren in nahezu allen Apotheken geführt werden, bestehen diesbezüglich auch Informationspflichten. Problematisch ist jedoch, ob eine solche Informationspflicht auch für Gesundheitsdienstleistungen besteht, wenn eine Verbraucherschlichtungsstelle ihre Zuständigkeit hierauf eigenständig erstreckt hat. Denkbar ist beispielsweise, dass in einem Bundesland sowohl eine »Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle« als auch eine Verbraucherschlichtungsstelle, die sich für Streitigkeiten aus Verträgen über Gesundheitsdienstleistungen zuständig erklärt hat, existiert. Muss die Apotheke nun auf beide Schlichtungsstellen trennt nach dem jeweiligen Sortiment (Arzneimittel/Medizinprodukte – Nebensortiment) hinweisen?
Ursächlich für diese Unsicherheit ist letztlich, dass der deutsche Gesetzgeber – anders die EU-Richtlinie – den Bereich der Gesundheitsdienstleistungen nicht generell von der Regelungswirkung des Gesetzes ausgenommen hat, sondern nur die Zuständigkeit der Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstellen beschränkt und gleichzeitig eine Zuständigkeitserweiterung ermöglicht hat.2 Es bleibt zu hoffen, dass bis zum Inkrafttreten der Regelung im Februar 2017 diesbezüglich noch Klarheit hergestellt werden kann. Apotheken ist nach gegenwärtigem Stand anzuraten, dass sie jedenfalls für den Fall, dass keine für sie zuständige Verbraucherschlichtungsstelle, die ihre Zuständigkeit auf Streitigkeiten aus Verträgen über Gesundheitsdienstleistungen erstreckt hat, existiert, auf ihrer Webseite und mit ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen den Hinweis geben, dass sie nicht bereit sind, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.
§ 36 Absatz 3 VSBG enthält eine Ausnahmeregelung für kleine Betriebe mit 10 oder weniger Beschäftigen. Stichtag für die Berechnung der Anzahl der Betriebsangehörigen ist der 31. Dezember des Vorjahres, sodass Unternehmer zu Beginn jeden Kalenderjahres prüfen müssen, ob sie zur Einstellung der Informationen nach § 36 Absatz 1 VSBG auf ihrer Webseite und zur Information zusammen mit ihren allgemeinen Geschäftsbedingen verpflichtet sind.3 Gerade Betriebe, deren Mitarbeiterzahl regelmäßig knapp unter 10 Betriebsangehörigen liegt, sollten prüfen, ob es nicht sinnvoll ist, vorsorglich doch die entsprechende Information nach § 36 Absatz 1 VSBG auf ihrer Webseite und zusammen mit ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu geben. Leicht wird sonst bei einem Überschreiten der Zahl von 10 Betriebsangehörigen im Folgejahr die entsprechende Verpflichtung nach § 36 VSBG übersehen.
Die vorgenannte Ausnahmeregelung greift im Übrigen nicht für die Informationspflicht nach § 37 VSBG. Diese besteht auch für Unternehmer, die an Streitbelegungsverfahren nicht teilnehmen.4 Danach hat jeder Unternehmer den Verbraucher auf eine zuständige Verbraucherschlichtungsstelle unter Angabe von deren Anschrift und Webseite hinzuweisen, wenn die Streitigkeit über einen Verbrauchervertrag durch den Unternehmer und den Verbraucher nicht beigelegt werden konnte. Der Unternehmer muss zugleich angeben, ob er zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren bei dieser Verbraucherschlichtungsstelle bereit ist oder verpflichtet ist. Ist er zur Teilnahme am Streitbeilegungsverfahren einer oder mehrerer Verbraucherschlichtungsstellen bereit oder verpflichtet, so hat er diese Stelle oder diese Stellen anzugeben. All diese Hinweise sind in Textform zu geben.
Um diese Hinweise geben zu können, wird es notwendig sein, dass sich der Betriebserlaubnisinhaber vorab informiert. Geeignete Ansprechpartner werden hierzu vor allem die Kammern und Verbände sein. Von diesen können zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch natürlich noch keine detaillierten Auskünfte erwartet werden, da die entsprechenden Verbraucherschlichtungsstellen erst noch errichtet werden müssen. Der Gesetzgeber hat dem dadurch Rechnung getragen, dass die auch für Apotheken relevanten Regelungen zu den Informationspflichten nach §§ 36, 37 VSBG erst zum 01. Februar 2017 wirksam werden. Der überwiegende Teil der weiteren Vorschriften des VSBG tritt dagegen schon am 1. April 2016 in Kraft.
Bereits seit dem 9. Januar 2016 ist die sogenannte ODR-Verordnung in Kraft.5 Diese verpflichtet EU-weit ausschließlich Online-Händler – also auch Apotheken, die Versandhandel betreiben – auf eine entsprechende Plattform der EU (http://ec.europa.eu/consumers/odr) zu verlinken, damit EU-Bürger bei Streitigkeiten Beschwerden gegen den Händler dort einreichen können. Die OS-Plattform soll die Beschwerde dann an eine nationale sogenannte »Alternative Streitbeilegungsstelle« weiterleiten, die in dem Streitfall dann vermittelt. Zudem soll es dieses außergerichtliche Streitbeilegungssystem auch Händlern ermöglichen, sich über Problemkunden zu beschweren. Gegenwärtig wird es für Online-Händler aber vor allem wichtig sein, den entsprechenden Link in ihrem Internetauftritt zu setzen und Ihre E-Mail-Adresse anzugeben, um nicht Gefahr zu laufen, abgemahnt zu werden. Bis das System selbst in Deutschland funktioniert, dürfte es noch etwas dauern, da die nationalen »Alternativen Streitbeilegungsstellen« ja gerade erst durch das VSBG geschaffen werden. /
______________________________________________________________________________________
1) Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über die alternative Streitbeilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (ABl. L 165 vom 18. Juni 2013, S. 63); Verordnung (EU) Nr. 524/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (ABl. L 165 vom 18. Juni 2013, S. 1).
2) Bundestags-Drucksache 18/5089, S. 65.
3) Bundestags-Drucksache 18/5089, S. 95.
4) Bundestags-Drucksache 18/5089, S. 95.
5) Verordnung (EU) Nr. 524/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013.
Die Apothekerin und langjährige Kammerpräsidentin Erika Fink und die Kommunikationsexpertin und -trainerin Cornelia Tromm schulen den Sinn für ethische Prinzipien. Sie zeigen wie sich beispielsweise Fürsorgepflichten oder auch die Patienten-Autonomie im Beratungsgespräch mit Kunden umsetzen lassen. Daraus folgt ein wertschätzender und achtsamer Umgang mit den vielfältigen Menschen und Fragestellungen in der Apotheke. Die Beschreibung von ausgewählten Kundentypen und Indikationen zeigt die konkrete Umsetzung ethischer Prinzipien in die Apothekenkommunikation.
Mehr Informationen finden Sie unter www.govi.de.