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Anhörung

Experten fordern Rückkehr zur Parität

02.03.2016  09:05 Uhr

Von Jennifer Evans, Berlin / Über eine faire Verteilung der Beitragskosten in der Gesetzlichen Krankenversicherung debattierten Fachleute im Gesundheitsausschuss des Bundestags. Die Rückkehr zur Parität fand viele Befürworter.

Anlass der Anhörung in Berlin war die Forderung von Bündnis 90/Die Grünen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer wieder je zur Hälfte am Beitragssatz zu beteiligen. Die Fraktion Die Linke verlangte in ihrem Antrag zudem, die Parität auch auf die soziale Pflegeversicherung auszudehnen und die Zusatzbeiträge ganz abzuschaffen. Bislang ist der Beitrag der Arbeitgeber bei 7,3 Prozent gedeckelt. Die Zusatzbeiträge, über die die Kassen steigende Kosten kompensieren, tragen allein die Arbeitnehmer. Ausgehend von einem durchschnittlichen Zusatzbeitrag von 1,1 Prozent, zahlen diese zurzeit einen Beitragssatz von 8,4 Prozent. Für die Zukunft ist ein weiterer Anstieg dieser Beiträge prognostiziert.

 

Kein Zurück mehr

Das verdeutlichte auch Michael Weller, Leiter des Stabsbereichs Politik im GKV-Spitzenverband: »Die Zusatzbeiträge werden unausweichlich steigen, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden.« Bis 2019 sei ein Anstieg des Zusatzbeitrags auf 1,4 bis 1,8 Prozent realistisch.

 

Auch die Verbraucherschützer befürworten die Parität, weil sie den Preiswettbewerb mindere. Derzeit gehe es um die geringsten Zusatzbeiträge, nicht aber um die beste Qualität, kritisierte Kai Helge Vogel, Gesundheitsexperte des Verbraucherzentrale Bundesverband. Für Versicherte sei es darüber hi­naus schwierig, überhaupt Informationen oder Übersichten zu bekommen – sowohl zu den Serviceleistungen als auch zu den Rabattverträgen einer Kasse. Diese Punkte seien aber besonders für ältere Menschen ein ausschlaggebendes Kriterium für die Wahl ihrer Krankenkasse. Von den Kassen forderte er daher mehr Transparenz in Bezug auf die Service- und Leistungsqualität.

 

»Kann es überhaupt zu viel Wettbewerb geben? Das ist mir unbegreiflich«, erwiderte Volker Hansen, Abteilungsleiter Soziale Sicherung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Jeder Versicherte könne die Mehrbelastung schließlich durch einen Kassenwechsel vermeiden und damit gleichzeitig den Wettbewerb der Kassen ankurbeln. Bleibt der derzeit für den Arbeitgeber festgeschriebene Beitragssatz nicht bestehen, ist die Sache für Hansen simpel: »Wenn etwas teurer wird, dann nimmt sowohl die Beschäftigung als auch das Wirtschaftswachstum ab.« Eine paritätische Finanzierung sei ein deutliches Minusgeschäft für die Arbeitgeber. »Schließlich beteiligen sich die Arbeitgeber durch die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bereits überproportional an den Krankheitskosten. Das ist mehr als der Zusatzbeitrag für die Versicherten ausmacht«, sagte Hansen. Allein im Jahr 2014 seien so rund 51 Milliarden Euro zusammenkommen. »Das entspricht umgerechnet 4,3 Beitragssatzpunkten.«

 

Gegenwind bekommen die Arbeitgeber von Wolfgang Greiner, Professor für Gesundheitsökonomie und Gesundheitsmanagement an der Universität Bielefeld. Die Erhöhung des Arbeitgeberanteils hält er für Symbolpolitik: »Die Unternehmen werden diese Mehrbelastung in Form geringerer Lohnzuwächse oder unterlassener Einstellungen letztlich an die Arbeitnehmer weitergeben.«

 

Sinkende Einkommen

 

Kritik kommt auch von Professor Stefan Greß, Leiter des Fachgebiets Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie der Hochschule Fulda. Seiner Ansicht nach hätten die Arbeitgeber jegliches Interesse an einer moderaten Beitragsentwicklung verloren. Durch den festen Beitragssatz werde lediglich die Ertragssituation der Unternehmen verbessert und das Einkommen der Versicherten geschmälert, erklärte er. »Wer mehr für die Krankenkasse ausgeben muss, kann auch weniger konsumieren.« Darüber hinaus kritisiert Greß die »Tendenz zur Haushaltssanierung auf Kosten der Beitragszahler«.

 

Insgesamt mehrten sich die Stimmen für die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung – bevor die Mikrofone zehn Minuten vor Sitzungsende ausfielen. Aber die Zeit wurde gestoppt und so konnte die Anhörung planmäßig zuende gehen. /

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