Im Kampf gegen Infektionen |
27.02.2012 12:16 Uhr |
Von Elke Wolf, Frankfurt am Main / Rund 350 Teilnehmer besuchten das Fertigarzneimittelseminar der Uni Frankfurt, um sich über Infektionskrankheiten zu informieren. Das Besondere dieser Veranstaltung: Ausschließlich Studierende des achten Semesters Pharmazie halten die Vorträge.
In Kleingruppen erarbeiteten die kurz vor dem Zweiten Staatsexamen stehenden Pharmaziestudenten Referate über verschiedene Infektionskrankheiten in Deutschland und auf Fernreisen. So gab etwa die Arbeitsgruppe um David Miller einen Überblick über Masern, Mumps und Röteln. Alle drei Infektionskrankheiten werden von hoch infektiösen humanpathogenen RNA-Viren ausgelöst.
Gab im Fertigarzneimittelseminar einen Überblick über »Infektionskrankheiten in Deutschland und auf Fernreisen«: das achte Semester Pharmazie der Universität Frankfurt.
Foto: Pharmazie Uni Frankfurt
Die Weltgesundheitsorganisation hatte es sich eigentlich zum Ziel gesetzt, Masern und Röteln bis zum Jahr 2010 vollständig bekämpft zu haben. Beides ist misslungen, weshalb nun die Eliminierung beider Infektionskrankheiten bis 2015 auf dem Plan steht. Erst wenn die Durchimpfungsrate bei je rund 95 Prozent liegt, können Masern und die konnatalen Röteln ausgerottet werden. Die Realität sieht allerdings anders aus: Nach Erhebungen aus dem Jahr 2008 sind Kinder, die hierzulande eingeschult werden, zu 90 Prozent einmal gegen Masern geimpft. Die zweite Impfung haben dann nur noch 80 Prozent der Kinder bekommen.
Die STIKO empfiehlt, die erste Immunisierung mit einer MMR- oder MMRV-Vakzine im Alter zwischen 11 und 14 Monaten vorzunehmen und bis zum zweiten Lebensjahr einmal zu wiederholen. Im August 2010 wurde die Impfempfehlung erweitert. Aufgrund der bedenklichen epidemiologischen Lage der Inzidenz von Maserninfektionen sollen alle nach 1970 Geborenen ihren Impfstatus überprüfen. Personen mit nur einmaliger Vakzinegabe oder bei denen der Impfstatus nicht nachzuvollziehen ist, sollen sich nachimpfen lassen. Hintergrund dieser Neuerung: Vergleicht man die altersspezifischen Inzidenzen, ist zwar ein Rückgang der Maserninfektionen bei den 0- bis 9-Jährigen zu verzeichnen, aber ein Anstieg bei den 10- bis 19-, bei den 20- bis 29- und den 30- bis 39-Jährigen festzustellen. Bei den Über-40-Jährigen ist der Status interessanterweise stabil.
Seit rund fünf Jahren kombiniert man die MMR-Vakzine mit einer Komponente gegen Varizellen. Erfahrungsberichte zeigen jedoch, dass bei der Erstimpfung dieses tetravalenten Impfstoffs vermehrt Fieberkrämpfe auftreten. Nach der Zweitimpfung reagieren die Kinder dagegen nicht verstärkt. Aktuell liegen noch keine deutschen Studien zu Priorix-Tetra® und einem damit verbundenen erhöhten Risiko vor, jedoch ist anhand von zwei klinischen Studien des amerikanischen Äquivalents (ProQuad®) mit einem doppelt so hohen Risiko zu rechnen. Dies bedingte in den USA eine neue Impfempfehlung, die getrennte Gaben für die Erstimpfung vorsieht. In Deutschland werden aussagekräftige Studien bis Mitte 2012 anhand anonymisierter Krankenkassendaten erwartet, anhand derer entschieden wird, ob die Impfempfehlung aktualisiert werden muss.
Clostridien und ihre Toxine
Die Gruppe von Laura Friedrich widmete sich einer Bakterienspezies, von denen einige Unterarten die für den Menschen wichtigsten Toxine überhaupt bilden: Clostridien. So führt das Toxin von C. tetani zum klinischen Bild des Wundstarrkrampfs und das Toxin von C. botulinum zum Botulismus. Obwohl sich beide Toxine in ihrer Aminosäuresequenz ähneln, sind ihre pathophysiologischen Wirkungen sehr unterschiedlich. Während C. tetani über eine Inhibition der GABA- und Glycinfreisetzung eine spastische Lähmung herbeiführt, hemmt C. botulinum die Acetylcholin-Freisetzung und vermittelt eine spastische Lähmung.
Die Tatsache, dass letzteres Neurotoxin die Nervenzellen nicht zerstört, sondern lediglich deren Funktion für eine gewisse Zeit außer Kraft setzt, macht es als Therapeutikum für unterschiedlichste Krankheitsbilder interessant. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass Botulinumtoxin das stärkste bekannte natürlich vorkommende Gift ist. Die letale Dosis hängt von der Art der Aufnahme ab. Doch bei oraler Aufnahme ist bereits 1 mg pro Kilogramm Körpergewicht tödlich. Bei Inhalation reichen bereits 10 Nanogramm.
Auch C. tetani birgt tödliche Gefahr: Trotz hoch entwickelter intensivmedizinischer Betreuungsmöglichkeiten endet eine Tetanus-Infektion auch heutzutage in 30 Prozent der Fälle tödlich. Zwar ist in den letzten 30 Jahren dank der Immunisierung ein eindeutiger Rückgang der Tetanus-Erkrankungen zu verzeichnen – laut dem Statistischen Bundesamt gab es 2010 in Deutschland zwei Tote – , doch noch immer sterben weltweit jährlich knapp 10 000 Menschen an Wundstarrkrampf, vor allem Kinder. Rund 15 Prozent der Weltbevölkerung sind schätzungsweise nicht gegen Tetanus geimpft.
Ruhe bewahren bei Pseudokrupp
Eltern kleiner Kinder wissen, wovon die Rede ist: Pseudokrupp tritt am häufigsten bei kleinen Kindern auf, wenn sie zwischen sechs Monate und drei Jahre alt sind. Das ist auf die Atemwegsanatomie zurückzuführen, erklärte Sandra Langer in ihrem Vortrag. Denn der Kehlkopf ist dann nur ein Drittel so groß wie beim Erwachsenen und im Gegensatz dazu stellt nicht die Glottis, sondern die Subglottis den engsten Bereich von 4 mm dar. Auch wenn es den Nachtschlaf der Eltern empfindlich beschneidet: Die allermeisten Fälle verlaufen mild, nur etwa 1 Prozent ist als schwer einzustufen.
Foto: dpa
Die wichtigste Maßnahme ist die Beruhigung des Kindes, da Angst und Aufregung die Atembeschwerden durch erhöhten Sauerstoffbedarf und Erschöpfung der Atemmuskeln verstärken. Daneben ist der Aufenthalt an kühler, feuchter Luft zu empfehlen, da das die entzündeten Schleimhäute abschwellen lässt. Bei allen Schweregraden wird der Arzt eine Glucocorticoid-Gabe einleiten, und zwar oral mit Dexamethason, Prednisolon oder Betamethason sowie rektal mit Prednison. Dabei wird bevorzugt Dexamethason in Saftform (wie InfectoDexaKrupp® Saft) verabreicht, da es sich in Wirksamkeit, Sicherheit und Kosteneffektivität in einem großen Spektrum von Studien bewiesen hat. Für die Notfallversorgung für den akuten Kruppanfall zu Hause hat sich seit Jahren rektales Prednison (Rectodelt®) bewährt.
Es muss aber aufgrund der unsicheren Resorption mit 100 mg höher dosiert werden. Eine weitere Alternative zur oralen und rektalen Applikation bietet inhalatives Budesonid.
Schlagen die Glucocorticoide nicht ausreichend an oder droht Erstickung, wird mit schnell wirkendem inhalativen Adrenalin therapiert. Bei Anzeichen einer Hypoxie muss zusätzlich Sauerstoff zugeführt werden.
Hoffnung auf Malaria-Impfung
Eine Infektionskrankheit, die seit Jahrtausenden ihre Opfer fordert, war das Thema im Referat von Jella Töllner. Bereits Tutanchamun (etwa 1400 vor Christus) war bei seinem Tod von Plasmodien befallen und an Malaria erkrankt. Zwar können Reisende, die in die Tropen fahren, einigermaßen umfassend gegen Malaria vorbeugen, doch für die dortige Bevölkerung gibt es keinen effektiven Schutz. Die Hälfte der Menschheit lebt in einem Malariagebiet. Deshalb sind die Hoffnungen, die in einen Impfstoff gesetzt werden, so hoch. Der momentan aussichtsreichste Kandidat ist die Impfstoff-Formulierung RTS, S/AS01. Der Impfstoff besteht aus einem Virus-ähnlichen Teilchen, das zu 25 Prozent aus einem Teil des Oberflächenproteins von Plasmodium falciparum, nämlich dem sogenannten CSP (Circumsporozoit-Protein), besteht.
Der ägyptische Pharao Tutanch-amun ist wahrscheinlich an Malaria gestorben. Mehrere tausend Jahre später gibt es noch immer keinen zugelassenen Impfstoff.
Foto: picture-alliance
Die ersten Ergebnisse einer Phase-III-Studie in Malaria-Hochrisikogebieten in Afrika an Säuglingen und Kleinkindern zeigen einen Impfschutz von rund 50 Prozent, obwohl einen Monat nach der letzten Impfdosis nahezu alle Kleinkinder einen signifikanten Antikörpertiter gegen CSP hatten. Der Schutz vor einer schweren Malaria liegt momentan nur bei 35 Prozent. Außerdem war der Impfschutz am Ende der einjährigen Beobachtungszeit geringer als am Anfang. Das erklärte Ziel ist jedoch, eine Vakzine zu haben, die einen über 50-prozentigen Schutz vor schwerer Malaria bietet und länger als ein Jahr effektiv ist. Schätzungen gehen davon aus, dass ein Impfstoff mit 80-prozentigem Schutz, der länger als vier Jahre besteht, erst 2025 fertig sein könnte, trübte Töllner allzu große Erwartungen.
ORS ist das A und O
Durchfallerkrankungen kosten etwa zwei Millionen Menschen im Jahr das Leben. Darunter sind 1,3 Millionen Kinder unter fünf Jahren. Dabei ist die durchfallbedingte Kindersterblichkeitsrate besonders in bestimmten Regionen in Südasien und Afrika hoch. Das Fatale: Eine eigentlich simple, dennoch hoch effektive Interventionsmaßnahme – nämlich die Gabe einer oralen Rehydratationslösung (ORS) – bekommt nur ein Bruchteil der erkrankten Kinder. Dabei könnten rund 90 Prozent damit behandelt werden, und die Mortalität ließe sich um ein Vielfaches senken, sensibilisierte Simon Kretschmer in seinem Vortrag. Von den rund 7000 Cholera-Toten, die im Zuge des Erdbebens in Haiti gestorben sind, hätten durch eine geeignete Elektrolyt- und Flüssigkeitszufuhr vermutlich viele Betroffene gerettet werden können.
Die Reduktion der Kindersterblichkeit ist eines der UN-Milleniumsziele bis 2015. Doch in den Problemregionen wie in der Subsahara Afrikas werden nur geringe Fortschritte erzielt. In Entwicklungsländern sind es aufgrund der geringen Hygienestandards hauptsächlich pathogene Enterobakterien (wie Vibrio cholerae, enterotoxischer E. coli (ETEC) und Parasiten (wie Entamoeba histolytica/Amöbenruhr), die Diarrhöen induzieren. Hierzulande sind Durchfallerkrankungen meist viral bedingt. Ganz oben auf der Erregerliste stehen Noro- oder Rotaviren.
Pest und Tollwut nicht ausgerottet
Alissar Linder und Dorothee Rest beleuchteten in einem Vortrag, den beide als eine Art Zwiegespräch gestalteten, zwei Erkrankungen, die die Menschen seit Jahrhunderten in Angst und Schrecken versetzten: Pest und Tollwut. Beschreibungen in der Literatur wie »der schwarze Tod«, »Pest war für einige der schlimmsten Katastrophen der Geschichte der Menschheit verantwortlich« oder »Allein das Wort Tollwut beschwört sofort das Bild zähnefletschender Hunde herauf, die mit Schaum vor dem Mund wie wahnsinnig um sich beißen« zeugen von der Hilflosigkeit, die die Menschen diesen Infektionskrankheiten entgegengebracht haben.
Während die Pest hierzulande keine Rolle spielt, ist die Tollwut für deutsche Reisende ein nicht zu vernachlässigendes Thema. Auch wenn Deutschland seit September 2008 als »frei von der klassischen Tollwut« bezeichnet wird, da seit dem letzten Nachweis des Tollwutvirus im Februar 2006 kein Wildtier mehr in Deutschland mit dem Virus identifiziert wurde. Auch Skandinavien, Großbritannien, Japan oder Neuseeland gelten als tollwutfrei.
Jeder Reisende, der ein Tollwut-Gebiet aufsucht, ist prinzipiell gefährdet. Betroffen sind die Türkei, Rumänien, Thailand, afrikanische Länder, die Dominikanische Republik, Mexiko und allen voran Indien. Von den jährlich zwischen 50 000 bis 70 000 Rabies-Toten werden rund die Hälfte aus Indien gemeldet. Auch Pauschaltouristen in diesen Ländern sollten sich vor Reiseantritt gegen Tollwut impfen lassen. Auslöser der tödlichen Zoonose sind neurotrophe Rhabdoviren, die in der Regel von streunenden Hunden übertragen werden. Infizierte Hunde sind nicht nur in ländlichen Gebieten, sondern auch in urbanen Zentren oder am Badestrand anzutreffen. Das Virus wird nicht nur durch einen Biss oder Kratzen übertragen. Wer von einem infizierten Tier geleckt wird und eine verletzte Hautstelle hat, ist genauso gefährdet. /