Hoffnung beim malignen Melanom |
28.02.2012 16:03 Uhr |
Von Conny Becker, Berlin / Es sah bislang düster aus in der Therapie des metastasierten schwarzen Hautkrebs. Nach jahrzehntelangem Stillstand konstatierten Experten auf dem Deutschen Krebskongress nun Fortschritte, insbesondere aufgrund des vergangene Woche zugelassenen Proteinkinasehemmers Vemurafenib.
Der schwarze Hautkrebs ist eines der aggressivsten Malignome, dessen Therapiemöglichkeiten im fortgeschrittenen Stadium bisher unbefriedigend waren. So erzielten Strahlen-, Chemo- oder Immuntherapie bei Metastasierung lediglich Ansprechraten von 5 bis 15 Prozent und ein Gesamtüberleben von sechs bis neun Monaten. Seit Kurzem stehen jedoch zwei Substanzen zur Verfügung, die mit ganz unterschiedlichen Ansätzen neue Hoffnung bei Behandlern und Patienten geschürt haben.
So ist bereits seit vergangenem Jahr der humane Antikörper Ipilimumab beim fortgeschrittenem Melanom zugelassen (siehe dazu Neu auf dem Markt: Ein COX-Hemmer, zwei Antikörper, PZ 35/2011). Er bindet an das Protein CTLA-4 (Cytotoxic T-Lymphocyte Antigen-4) auf der Oberfläche von T-Zellen, womit diese verstärkt aktiviert werden. In der Zulassungsstudie steigerte der Antikörper die Überlebensraten nach einem Jahr von 25 auf 46 Prozent sowie nach zwei Jahren von 14 auf 24 Prozent verglichen mit der Kontrollgruppe. »Zum ersten Mal konnte eine unspezifische Immuntherapie beim malignen Melanom einen Überlebensvorteil erzielen«, fasste Professor Dr. Dirk Schadendorf von der Uniklinik Essen auf einem von Roche unterstützten Symposium zusammen. Bislang wurden Interferon-α und Interleukin-2 als Immuntherapeutika eingesetzt.
Targeted Therapie
Der zweite neue Weg in der Melanomtherapie ist hingegen viel spezifischer. Der orale niedermolekulare Proteinkinaseinhibitor Vemurafenib (Zelboraf®) greift an einem zentralen Protein im RAS-RAF-Signaltransduktionsweg ein: der Serin-Threonin-Proteinkinase BRAF, genauer einer mutierten Variante, der BRAF-V600-Kinase. Diese Mutation ist häufig in Tumoren anzutreffen, weshalb sie sich als Zielstruktur anbietet. »Fast 50 Prozent aller fortgeschrittenen Melanome haben eine Mutation im BRAF-Gen«, berichtete Schadendorf. Wird die mutierte Kinase aufgrund der Blockade durch Vemurafenib nicht phosphoryliert, kommt das Signal zur Zellproliferation zum Erliegen. Bildgebende Verfahren zeigen, wie dadurch der Tumorstoffwechsel herunterreguliert wird und Metastasen schließlich kleiner werden.
Das BRAF-Protein ist ein wichtiger Bestandteil des RAS-RAF-Signalweges, der am normalen Wachstum und Überleben der Zellen beteiligt ist. Mutierte Formen des BRAF-Proteins können bewirken, dass dieser Signalweg überaktiv wird, was zu unkontrolliertem Zellwachstum und Krebs führen kann.
Die Studienlage zu Vemurafenib ist wie der theoretische Ansatz vielversprechend. In der kleinen Dosis-Findungsstudie konnte gar eine Ansprechrate von 81 Prozent erreicht werden (BRIM1). Wenngleich in der anschließenden einarmigen Phase-II-Studie BRIM2 lediglich 53 Prozent der Patienten ansprachen (6 Prozent mit kompletter Remission), so war das mittlere Gesamtüberleben mit rund 16 Monaten so unerwartet lang, dass die Studie erst vergangene Woche und damit erst nach der Phase-III-Studie BRIM3 veröffentlicht werden konnte. In Letzterer wurden schließlich 675 Melanompatienten mit Metastasen und positivem BRAF-V600-Mutationsstatus 1:1 randomisiert und entweder mit zweimal täglich 960 mg Vemurafenib oder 1000 mg/m2 Dacarbazin intravenös alle drei Wochen behandelt. Primäre Endpunkte waren das Gesamtüberleben sowie das progressionsfreie Überleben, sekundäre die Ansprechrate und -dauer sowie die Sicherheit.
Wie in BRIM1 und 2 war die Ansprechrate unter dem Proteinkinasehemmer mit 48,4 gegenüber 5,5 Prozent unter der Chemotherapie sehr hoch und mit einer Hazard Ratio von 0,26 sogar hoch signifikant. Bezogen auf die Gesamtüberlebensrate betrug die Hazard Ratio nach sechs Monaten 0,37, das heißt, verglichen mit Dacarbazin konnte Vemurafenib das Gesamtüberleben um 63 Prozent verbessern (die relative Risikoreduktion für Tod oder Krankheitsprogression betrug zusammen 74 Prozent). Aufgrund der positiven Datenlage empfahl ein unabhängiges Monitoring Board ein Crossover von Dacarbazin auf den neuen Wirkstoff.
Euphoriedämpfer
Auch wenn sich die Situation in der Behandlung von fortgeschrittenem schwarzem Hautkrebs nach Einschätzung mehrer Dermatoonkologen durch die beiden neuen Wirkstoffe deutlich verbessert hat, dürfen die Kehrseiten nicht unberücksichtigt bleiben. An erster Stelle stehen dabei die Nebenwirkungen. So traten unter Vemurafenib wie bei anderen Proteinkinasehemmern insbesondere Gelenkschmerzen (Arthralgie) und hautassoziierte Nebenwirkungen wie Ausschlag, Keratoakanthome, Plattenepithelkarzinome oder Fotosensitivität auf. In BRIM3 waren bei 38 Prozent der Patienten Dosisreduktionen aufgrund toxischer Wirkungen angezeigt.
Des Weiteren kommt die neue Substanz nur dem Teil der Patienten zugute, dessen Melanome die BRAF-Mutation aufweisen, was im Vorfeld durch Tests bestätigt werden muss. »Andere genetische Mutationen stellen immer noch die Mehrheit dar«, relativierte Schadendorf im Rahmen eines weiteren Symposiums. »18 Prozent der Melanome zeigen eine N-RAS-Mutation, für die wir im Moment leider noch nichts anzubieten haben, und bei einem Drittel der Patienten haben wir keine Vorstellung, welche Mutation vorliegt.«
Was die Euphorie zusätzlich dämpft, sind erste Beobachtungen von Resistenzmechanismen, bei denen offenbar Umgehungskreisläufe wie der mTOR-Signaltransduktionsweg aktiviert werden. Verschiedene Studien untersuchen daher, inwieweit Kombinationen mit mTOR- beziehungsweise MEK-Inhibitoren, welche den NRAS-BRAF-MEK-ERK-Signalweg unterhalb von BRAF blockieren, die klinische Wirksamkeit erhöhen können. Überdies läuft momentan die Rekrutierung für eine PhaseI/II-Studie, in der eine Kombination des BRAF-Blockers mit Ipilimumab getestet wird. »Ein deutliches Ansprechen und ein längeres Intervall bis zur Progression bedeutet noch keine Heilung, sondern nur einen ersten Schritt dorthin«, schlussfolgerte der Onkologe. /