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Zweiklassenmedizin

26.02.2007  11:56 Uhr

Zweiklassenmedizin

Wieder einmal stößt ein Vorbericht zur Nutzenbewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) auf heftigen Widerstand. Dieses Mal wurden die Antihypertensiva bewertet mit der vorläufigen Schlussfolgerung, Diuretika sind, verglichen mit Betablockern, ACE-Hemmern, Calciumantagonisten und Angiotensin-II-Antagonisten die blutdrucksenkenden Wirkstoffe mit dem besten Nutzen (siehe auch hier).

 

Dass die Kritik der Pharmaindustrie nicht lange auf sich warten ließ und auch die Deutsche Hochdruckliga in dem Bericht die individuelle Varianz nicht berücksichtigt sieht, war zu erwarten.

 

Trotzdem muss das Vorgehen des IQWiG einer kritischen Analyse unterzogen werden. Der Vorbericht ist, wie der Name schon sagt, ein Bericht, der nicht fertig ist und erst nach sachlicher Diskussion in den endgültigen Bericht überführt werden soll. Vor diesem Hintergrund ist es nicht korrekt, dass der Bericht öffentlich gemacht wird. Damit findet eine Politisierung des Themas statt, bevor die sachliche Diskussion abgeschlossen ist.

 

Die bereits veröffentlichte kurze Schlussfolgerung »Diuretika haben den besten Nutzen als Antihypertensiva« kann oder soll vielleicht auch so interpretiert werden, dass mit der Entwicklung anderer Antihypertensiva Geld für die Forschung vergeudet wird. Nach Meinung des IQWiG reicht es offensichtlich aus, Kassenpatienten mit Diuretika zur Blutdrucksenkung zu therapieren.

 

Sollte sich der Gemeinsame Bundesausschuss dieser Meinung anschließen, wäre das fatal. Die Zweiklassenmedizin würde in Deutschland dann offiziell eingeläutet. Eine jahrzehntelange Diskussion in den Fachgesellschaften über die Wertigkeit der Antihypertonika in der Bluthochdrucktherapie wäre ad absurdum geführt. Deutschland würde sich zu einem innovationsfeindlichen Land entwickeln, was langfristig den Pharmastandort infrage stellen würde - eine Entwicklung, die nicht im Interesse des Gesundheitssystems in Deutschland sein kann.

 

Therapieempfehlungen sollten deshalb nicht nur aus ökonomischer Sicht, sondern auch wissenschaftlich ausdiskutiert werden, um jedem Patienten die für ihn optimale Behandlungsoption anbieten zu können.

 

 

Professor Dr. Hartmut Morck

Chefredakteur

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