Wirkstoffe im Detail |
20.02.2018 16:22 Uhr |
Von Kerstin A. Gräfe / Da die Pathophysiologie des Restless Legs Syndroms weitgehend unbekannt ist, gibt es nur wenige zugelassene Therapiemöglichkeiten. Sie beschränken sich auf drei Non-Ergot-Dopamin-Agonisten sowie auf L-Dopa und das Opioid Oxycodon. In der aktuellen Ausgabe der DPhG-Mitgliederzeitschrift »Pharmakon« werden die Wirkstoffe vorgestellt.
Das Restless Legs Syndroms (RLS) ist eine neurologische Erkrankung, an der etwa 5 bis 10 Prozent der Menschen in Deutschland leiden. Charakteristisch ist ein unangenehmes Unruhegefühl in den Extremitäten, das in Ruhe überwiegend abends und nachts auftritt und sich durch Bewegung bessert. Die Betroffenen empfinden Schmerzen oder einen unwiderstehlichen Bewegungsdrang, der meist die Beine betrifft. Bei Verschlimmerung des Krankheitsbilds können die Symptome auch tagsüber auftreten.
Neurotransmitter aus dem Gleichgewicht
Nächtliche Unruhe, Schmerzen und ein unwiderstehlicher Bewegungsdrang in den Beinen kennzeichnen das Restless Legs Syndrom.
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Beim primären RLS ist der Pathomechanismus weitgehend unbekannt. Man vermutet ein Ungleichgewicht verschiedener Neurotransmittersysteme, insbesondere des Dopaminstoffwechsels, und eine gestörte Sauerstoffversorgung der betroffenen Extremitäten. Ein sekundäres RLS kann zum Beispiel durch Niereninsuffizienz, Eisenmangel oder hormonelle Umstellung während einer Schwangerschaft hervorgerufen werden.
Vor dem Hintergrund einer potenziellen Neurotransmitter-Störung als Ursache sind in Deutschland zur symptomatischen Behandlung des mittelgradigen bis schweren RLS drei dopaminerge Präparate zugelassen: Pramipexol (Sifrol®), Ropinirol (Adartrel®) und Rotigotin (Neupro®). Sie werden deutlich niedriger dosiert als zur Parkinsontherapie, womit eine geringere Häufigkeit der Nebenwirkungen verbunden ist. Als häufigste unerwünschte Wirkungen treten Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schlafstörungen und orthostatische Dysregulation auf. Seltener kommt es zu Impulskontrollstörungen, Halluzinationen und Wahrnehmungsstörungen. Diese sind jedoch ernst zu nehmen und erfordern häufig einen Therapiewechsel.
Off-Label-Gebrauch häufig
Die Zulassungen von Pramipexol und Ropinirol erstrecken sich bislang nur auf schnell freisetzende Formulierungen. Retardformen, die eine Therapie über den ganzen Tag oder eine durchgängige nächtliche Beschwerdefreiheit ermöglichen, können off Label eingesetzt werden. Rotigotin hingegen setzt als transdermales therapeutisches System den Wirkstoff konstant über den ganzen Tag frei. Es eignet sich somit vor allem für Betroffene, die ganztägig unter Symptomen leiden.
Zur Behandlung des intermittierenden oder leichten RLS ist bislang nur L-Dopa in Kombination mit Benserazid (Restex®) zugelassen. Statt Benserazid wird auch häufig Carbidopa off Label verschrieben. Die Patienten sollten dahingehend beraten werden, dass L-Dopa als Aminosäure nicht mit proteinreicher Nahrung eingenommen werden sollte, da dadurch die Resorption vermindert wird. Die zu Therapiebeginn auftretende Übelkeit kann durch Einnahme mit einer kleinen Zwischenmahlzeit verringert werden. Beim plötzlichen Absetzen tritt ein charakteristisches malignes L-Dopa-Entzugssyndrom auf, das sich mit einem Ausschleichen vermeiden lässt. Weitere Nebenwirkungen sind Mundtrockenheit, Diarrhö, Depressionen und Veränderungen im EKG sowie des Blutbilds. Besonders auffällig ist ein erhöhtes Risiko für Augmentationen, also eine paradoxe Verschlechterung der Symptome. Daher und wegen der zahlreichen Wechsel- und Nebenwirkungen erhält die L-Dopa-Therapie heute in einigen Leitlinien nur noch den Empfehlungsgrad C.
Das Restless Legs Syndrom (RLS) ist der Themenschwerpunkt der aktuellen Ausgabe von »Pharmakon«, der Zeitschrift für Mitglieder der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG). Sie enthält neben dem hier vorgestellten Beitrag von Hjördis Brückmann, Annika Frank, David Reiner und Professor Dr. Holger Stark unter anderem Artikel zur Genetik, Diagnostik und Schmerztherapie. »Pharmakon« erscheint sechsmal jährlich. Jede Ausgabe hat einen inhaltlichen Schwerpunkt, der in mehreren Beiträgen aus unterschiedlichen Perspektiven aufbereitet wird. Ein kostenloses Abonnement ist in der DPhG-Mitgliedschaft inbegriffen. Die Zeitschrift ist auch als Einzelbezug erhältlich. Weitere Informationen finden Interessierte auf pharmakon.info.
Letzte Option Oxycodon
Nach Versagen einer dopaminergen Therapie darf das Opioid Oxycodon in Kombination mit dem Opioid-Antagonisten Naloxon (Targin® und andere) zum Einsatz kommen. Zugelassen ist es in retardierter Form zur Behandlung von Patienten mit schwerem bis sehr schwerem RLS. Die Retard-Tabletten dürfen aufgrund der Verstärkung der zentral dämpfenden Wirkungen nicht mit Alkohol eingenommen werden. Häufigste Nebenwirkungen sind psychiatrische Erkrankungen, Sehstörungen und Atemwegserkrankungen. Bei Patienten mit bekanntem Opioid-Abusus ist die Kombination kontraindiziert. /