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Keuchhusten

Erkrankungszahlen auf Höchststand

22.02.2017  10:42 Uhr

Von Christina Hohmann-Jeddi / Die Zahl der Pertussis- Erkrankungen hat in Deutschland einen Höchststand erreicht. Dies liegt zum einen an einer verbesserten Diagnostik, zum anderen aber auch an einer Zunahme der Erkrankungen bei Erwachsenen. Diese sind häufig unzureichend geimpft.

Im Jahr 2016 wurden etwa 21 700 Pertussis-Erkrankungen an das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin gemeldet. Damit hat die Zahl der Erkrankungen den höchsten Stand seit Einführung der bundessweiten Meldepflicht im Jahr 2013 erreicht. Im Jahr 2014 waren etwa 16 300 Menschen und 2015 rund 13 700 Menschen an Keuchhusten erkrankt. »Wir sehen hier wahrscheinlich beides: eine Krankheitswelle, aber auch eine zunehmend bessere Erfassung«, so die Einschätzung von Wiebke Hellenbrand, Infektionsforscherin am RKI, gegenüber der Deutschen Presseagentur.

 

Erreger der Erkrankung ist das unbewegliche, bekapselte, aerobe, gramnegative Stäbchenbakterium mit Namen Bordetella pertussis, seltener auch B. parapertussis. Die Erreger befallen die Atemwege und zerstören dort die Schleimhäute. Die Folge sind schwere Anfälle von stakkatoartigem Husten. Bordetellen werden durch Tröpfchen­infektionen übertragen und sind hochansteckend. Nach einer Inkubationszeit von etwa neun bis zehn Tagen beginnt die typischerweise dreiphasige Erkrankung, die über mehrere Monate andauern kann.

 

In der Anfangsphase (Stadium catarrhale) treten vor allem unspezifische grippeartige Symptome wie mäßiges Fieber, Schnupfen und Schwäche auf. Nach ein bis zwei Wochen folgt das Stadium convulsivum mit dem charakteristischen schweren Husten. Die Bezeichnung Keuchhusten trägt die Erkrankung, da dem Hustenanfall typischerweise ein Keuchen folgt, das durch das Einatmen gegen die geschlossene Stimmritze zustande kommt. Die Hustenattacken können laut RKI sehr zahlreich sein und treten gehäuft nachts auf. Dieses Stadium dauert vier bis sechs Wochen an, danach schließt sich eine Abklingphase (Stadium decrementi) von sechs bis zehn Wochen an, in der die Husten­anfälle langsam nachlassen.

 

Für Säuglinge lebensgefährlich

 

Bei Säuglingen äußert sich die Erkrankung zum Teil untypisch: Hier treten häufig statt des Keuchhustens Atemaussetzer (Apnoen) auf, die lebensbedrohlich werden können. Zudem haben Säuglinge auch ein hohes Risiko für Komplikationen wie Pneumonien, Mittelohrentzündungen oder Krampfanfälle. Die meisten durch Pertussis bedingten Krankenhauseinweisungen und fast alle Todesfälle treten dementsprechend bei Kindern unter sechs Monaten auf. Auch bei Erwachsenen äußert sich die Erkrankung häufig untypisch. Sie verläuft meist als lang anhaltender Husten, aber ohne die ­charakteristischen Attacken, weshalb sie oft nicht korrekt diagnostiziert wird.

 

Obwohl Keuchhusten als klassische Kinderkrankheit gilt, erkranken mittlerweile mehr Erwachsene als Kinder. Laut RKI-Daten treten inzwischen zwei Drittel der Pertussisfälle bei Personen über 19 Jahre auf, im Jahr 1995 hatte der Anteil noch bei 20 Prozent gelegen. Dies liegt vor allem daran, dass bei Erwachsenen Impflücken bestehen. Bei der Einschulung waren nach den jüngsten RKI-Daten für 2014 fast 97 Prozent der Kinder in Ostdeutschland und 95 Prozent in Westdeutschland gegen Keuchhusten geschützt. Bei den Erwachsenen ist je nach Alter nur jeder fünfte bis zehnte ausreichend geimpft.

 

Da die Dauer der Immunität sowohl nach natürlicher Erkrankung als auch nach vollständiger Impfung begrenzt ist, muss die Impfung regelmäßig aufgefrischt werden. Laut Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) sollte die Grundimmunisierung mit vier Impfungen in den ersten zwei Lebensjahren erfolgen, wobei die ersten drei Dosen jeweils nach vollendetem zweiten, dritten und vierten Lebensmonat verabreicht werden sollen. Die vierte Dosis sollte im Alter von 11 bis 14 Monaten appliziert werden. Darauf folgen zwei Auffrischungen, einmal im Kindes-, einmal im Jugendalter. Für Erwachsene wird ein Pertussis-Schutz zusammen mit der Auffrischung für Tetanus und Diphtherie alle zehn Jahre empfohlen, aber vielfach einfach vergessen.

Diagnostik

Bei Kindern mit klassischer Symptomatik kann die Diagnose klinisch gestellt werden. Allerdings wird eine Laborbestätigung empfohlen. Ein direkter Nachweis der Erreger ist nur in der Frühphase der Erstinfektion aus Nasen-Rachen-Sekret mittels Kultur oder Polymerasekettenreaktion (PCR) möglich.

 

Gerade bei Erwachsenen mit untypischer Symptomatik wird die Diagnose meist um Wochen verzögert durch einen Antikörper-Nachweis mittels Elisa-Tests gestellt. Bei Personen, die innerhalb der vergangenen zwölf Monate gegen Pertussis geimpft wurden, ist der einmalige serologische Nachweis nicht aussagekräftig. Daher sollte immer ein Antikörperanstieg durch eine zweite Serumprobe nachgewiesen werden oder eine PCR erfolgen. Der vermehrte Einsatz der PCR ist vermutlich zum Teil für den Anstieg der Erkrankungszahlen verantwortlich.

Regelmäßig auffrischen

 

Um Todesfälle zu verhindern, sind die Ziele der gegenwärtigen Impfstrategie in Deutschland laut RKI ein möglichst frühzeitiger und vollständiger Impfschutz für die gefährdeten Säuglinge und Kleinkinder sowie regelmäßige Auffrischungen bei deren Kontaktpersonen. Da die Grundimmunisierung erst im dritten Lebensmonat begonnen werden kann, sind die Kinder bis dahin ungeschützt. Um Erkrankungen bei Neugeborenen zu verhindern, sollten laut STIKO alle engen Kontaktpersonen von Säuglingen wie Eltern und Geschwister sowie Betreuer, zum Beispiel Tagesmütter, Babysitter oder Großeltern, spätestens vier Wochen vor Geburt des Kindes eine Auffrischimpfung erhalten.

 

Das gilt besonders für die Mutter, wobei diese bestenfalls vor der Schwangerschaft geimpft werden sollte. Deshalb gilt die Empfehlung für eine Auffrischimpfung für alle Frauen im gebärfähigen Alter. Ist eine werdende Mutter nicht geschützt, sollte sie die Impfung in den ersten Tagen nach der Geburt nachholen. Da ein monovalenter Pertussis-Impfstoff nicht mehr zur Verfügung steht, wird für die Auffrischung ein Kombinationsimpfstoff eingesetzt, in der Regel ein TdaP-Impfstoff, der Tetanus-, Diphterie- und Pertussis-Antigene enthält.

 

Bevor es Impfungen gab, starben in Deutschland jedes Jahr rund 10 000 Säuglinge an der hochansteckenden Infektion. 2016 starben in Deutschland drei Babys an Pertussis. Das sind untypisch viele. »Keuchhusten ist bei der Bevölkerung und auch bei Hausärzten noch nicht vollständig im Bewusstsein«, sagte Hellenbrand. An Auffrischungen wird noch zu selten gedacht. /

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