Strafrisiken beim Arzneimitteleinkauf |
18.02.2015 09:54 Uhr |
Von Dr. Elmar Mand, Philipps-Universität Marburg / Die geplante Novellierung des Korruptionsstrafrechts birgt für Apotheker einige Risiken. Bislang ist im Gesetzesentwurf beispielsweise nicht eindeutig geklärt, ob, wann und in welcher Höhe künftig auch Skonti und Rabatte beim Arzneimitteleinkauf strafrechtlich bedenklich sein könnten.
Ärzte, Apotheker und andere Heilberufler sind vertrags- und berufsrechtlich verpflichtet, ihre Beratung und ihre ärztlichen beziehungsweise pharmazeutischen Therapie- und Auswahlent-scheidungen primär an den Gesundheits- und Vermögensinteressen der Patienten auszurichten, ergänzend das Wirtschaftlichkeitsgebot in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu beachten und gegebenenfalls – zum Beispiel bei einer Beschäftigung im Krankenhaus – auch die Vermögensinteressen ihrer Arbeitgeber zu wahren (Mand, A & R 2011, 147, 149 f.). Sie sollen sich bei ihren Verordnungen, Beschaffungs- und Abgabeentscheidungen dagegen nicht von möglichen eigenen Vorteilen leiten lassen.
Eine Gesetzesnovelle soll Bestechlichkeit im Gesundheitswesen unterbinden. Viele sehen den Entwurf kritisch, da auch wettbewerbsübliche Rabatte und Skonti künftig als Vorteilsnahme ausgelegt werden könnten.
Foto: Fotolia/photophonie
Deshalb gibt es schon heute ein Bouquet an Rechtsnormen, die Zuwendungen zur Absatzförderung für Heilmittel verbieten oder einschränken. Sie finden sich im Lauterkeitsrecht (§§ 4 Nr. 1, Nr. 11 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb), Heilmittelwerberecht (§ 7 Heilmittelwerbegesetz), Arzneimittelpreisrecht (§ 78 Arzneimittelgesetz in Verbindung mit Arzneimittelpreisverordnung – AMPreisV), Apothekenrecht (unter anderem § 11 Apothekengesetz) Sozialrecht (§ 128 Sozialgesetzbuch V), Berufsrecht (§§ 30 ff. Musterberufsordnung der Ärzte, §§ 18 f. der Berufsordnungen für Apotheker auf Landesebene) und nicht zuletzt auch in den verschiedenen Verhaltenskodizes der pharmazeutischen Industrie. Bei einer Missachtung dieser Regelungen drohen Bußgelder, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche, Gewinnabschöpfung, sozial- und berufsrechtliche Sanktionen bis hin zum Entzug der Approbation und dem Ausschluss von der GKV-Versorgung sowie Vereinsstrafen.
Darüber hinaus kommt vor allem für im öffentlichen Dienst Beschäftigte eine Korruptionsstrafbarkeit nach dem Strafgesetzbuch (§§ 331 ff. StGB und § 299 StGB) in Betracht. In einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2012 hat der Große Strafsenat am Bundesgerichtshof allerdings entschieden, dass niedergelassene Ärzte weder als Amtsträger i. S. d. §§ 331 ff. StGB zu qualifizieren noch als Beauftragte der Krankenkassen gemäß § 299 StGB einzuordnen sind (BGH, Beschl. des GS v. 29.03.2012, Az.: GSSt 2/11, NJW 2012, 2530 ff.). Nichts anderes gilt für selbstständige Apotheker. Daher unterfallen Zuwendungen im Verhältnis zwischen pharmazeutischen Unternehmen, Großhandel und Apotheken bisher in aller Regel nicht dem geltenden Korruptionsstrafrecht.
Bereits der Große Strafsenat hatte aber anklingen lassen, dass er die fehlende Korruptionsstrafbarkeit von niedergelassenen Ärzten als eine rechtspolitisch unerfreuliche »Strafbarkeits-lücke« einstuft. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat diese ungewöhnliche Mahnung aufgegriffen und Anfang Februar – entsprechend den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD – einen Referentenentwurf für einen Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen vorgelegt (§ 299a StGB-E).
Regelungsgehalt des neuen § 299a StGB-E
Die neue Vorschrift droht allen Angehörigen eines Heilberufs – neben Ärzten zum Beispiel auch Apothekern und nicht akademischen Gesundheitsfachberufen – mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, wenn sie einen Vorteil als Gegenleistung dafür fordern, sich versprechen lassen oder annehmen, dass sie bei dem Bezug, der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln einen anderen im Wettbewerb bevorzugen oder in sonstiger Weise ihre Berufsausübungspflichten verletzen. Ebenso sollen auf der »Geberseite« alle, die den Angehörigen eines Heilberufs einen Vorteil für ebensolche Gegenleistungen anbieten, versprechen oder gewähren, bestraft werden.
Anwendbar ist zudem der strafschärfende »Qualifikationstatbestand« des § 300 StGB, der den Strafrahmen auf drei Monate bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe ausweitet, wenn Vorteile »in großem Ausmaß« oder »gewerbsmäßig« gewährt beziehungsweise angenommen werden. Nach bisheriger Rechtsprechung reicht für ein großes Ausmaß ein Betrag von 25 000 Euro bis 50 000 Euro aus (BGH, Urt. v. 9. 8. 2006, NJW 2006, 3290, 3298 in Verbindung mit Urt. v. 07.10.2003, BGHSt 48, 360). Für ein gewerbsmäßiges Handeln genügt es bereits, wenn eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang erschlossen wird. Beide strafschärfenden Merkmale dürften bei Rabatten und anderen Preiskonzessionen, die Großhändler oder Hersteller gegenüber Apotheken gewähren, regelmäßig erfüllt sein.
Gestaltung der Konditionen
§ 299a StGB-E ist sehr offen formuliert und erwähnt explizit die Gewährung von Vorteilen im Zusammenhang mit dem Bezug von Arzneimitteln. Inwieweit Apothekern bei ihren Beschaffungsentscheidungen deshalb künftig Strafbarkeitsrisiken drohen, wird entscheidend davon abhängen, welche Anforderungen an die »Unlauterkeit« des Handelns i. S. d § 299a StGB-E und vor allen an die bei allen Korruptionsdelikten geforderte »Unrechtsvereinbarung« gestellt werden.
Je nach Auslegung der Gesetzesnovelle könnte die Annahme von Rabatten und anderen Preiskonzessionen des Großhandels für Apotheker strafrechtlich gefährlich sein.
Foto: Phagro
Aus zwei Gründen ist eine weite Auslegung der Neuregelung nicht auszuschließen. Zum einen hat die Rechtsprechung die Anforderungen an die Unrechtsvereinbarung bei den bestehenden Korruptionstatbeständen teilweise sehr niedrig angesetzt und bereits den Vertragsschluss selbst als unrechtmäßigen Vorteil angesehen. Zum anderen deutet die Gesetzesbegründung, der aufgrund des unbestimmten Gesetzeswortlauts von § 299a StGB-E eine gesteigerte Bedeutung für die Auslegung zukommt, auf nicht unerhebliche Strafbarkeitsrisiken gerade für Apotheken hin: Das Ministerium erkennt darin zwar an, dass der möglichst günstige Bezug von Waren charakteristisches Kennzeichen des Nachfragewettbewerbs ist. Bemühe sich ein Marktakteur lediglich um günstige Einkaufspreise, könne es daher bereits an der Unlauterkeit des Handelns oder an der notwendigen »Unrechtsvereinbarung« fehlen. Dies kommt auch Apothekern zugute, die als Kaufleute Arzneimittel zum Weiterverkauf beziehen.
Die Gesetzesbegründung verweist andererseits aber explizit auf die Grenzen von Zuwendungen beim Arzneimittelbezug aufgrund des Arzneimittelpreisrechts und des Heilmittelwerbe-gesetzes. Rabatte und sonstige Zuwendungen der Großhändler oder direkt vertreibenden Hersteller, die arzneimittelpreis- und heilmittelwerberechtlich erlaubt sind, fielen demnach nicht unter den neuen Straftatbestand. Ein Verstoß gegen das Preis- und Heilmittelwerberecht könnte hingegen künftig auch strafrechtlich relevant zu sein.
Kritikpunkte
Der Gesetzgeber hält zusätzlich zu den eingangs erwähnten wettbewerbs-, werbe-, sozial- und berufsrechtlichen Regelungen und den Bemühungen um Selbstregulierung das »Unwerturteil« strafrechtlicher Verurteilungen für erforderlich, um die sozialethische Verwerflichkeit von »Korruption« im Gesundheitswesen zu erfassen. Diese Wertung überzeugt für schwere Fälle gesetzeswidriger oder sonst unlauterer Geschäftspraktiken, in denen betrugsähnliche Täuschungshandlungen den Wettbewerb verzerren, Mitbewerber benachteiligen und Verbraucher sowie Kostenträger schädigen. Dementsprechend existieren für solch schwere »Wettbewerbsdelikte« im Lauterkeitsrecht schon heute Straftatbestände. Die geplante Neuregelung in § 299a StGB-E schafft dagegen eine Strafnorm, die potenziell jedwedes unlautere Verhalten und sogar schlichte »Berufspflichtverletzungen« unter Strafe stellt. Zumindest nach der Gesetzesbegründung scheint § 299a StGB-E den strafrechtlichen Sanktionsanspruch selbst auf einfache Verletzungen der primär in einer Rechtsverordnung (§§ 2 ff. AMPreisV) normierten Preisbestimmungen für Arzneimittel auszudehnen. Eine solche Auslegung begegnet erheblichen wettbewerbspolitischen und auch verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie können an dieser Stelle nur kurz skizziert werden.
Wie viele andere Marktverhaltensnormen, die dem Schutz der Verbraucher, der Mitbewerber und der Wirtschaftlichkeit der Heilmittelversorgung dienen und deren Verletzung den Vorwurf unlauteren Verhaltens begründet, sind die AMPreisV und die darauf Bezug nehmende Vorschrift des § 7 HWG in den Randbereichen unscharf. Man denke etwa an die derzeit heftig umstrittene Frage, inwieweit Skonti auf preisgebundene Arzneimittel zulässig sind. Die Gefahr einer strafrechtlichen Verurteilung kann insoweit gerade in der Vertriebskette für Arzneimittel viele Marktakteure davon abhalten, die Spielräume des erwünschten gesetzeskonformen Wettbewerbs auszuschöpfen und auf Wettbewerbspraktiken zu verzichten, die häufig erst die entscheidenden Impulse für den Wettbewerb liefern. Damit droht § 299a StGB-E das zu verhindern, was die Vorschrift an sich fördern soll: Einen intensiven und funktionsfähigen Wettbewerb.
Angesicht der teilweise unklaren »Verhaltenspflichten« der AMPreisV, des Heilmittelwerberechts und weiterer Marktverhaltensnormen, die einem eigenen wirtschaftlichen Interesse von Heilberuflern am Bezug oder an der Abgabe bestimmter Arzneimittel entgegenwirken sollen, sind potenzielle strafrechtliche Verurteilungen selbst bei »geringfügigen Gesetzesverstößen« auch mit dem Schuldprinzip und dem Ultima-Ratio-Grundsatz des Strafrechts kaum vereinbar. Insbesondere schützt ein Verbotsirrtum nur dann vor Strafe, wenn er unvermeidbar ist (§ 17 StGB). Hiervon kann bei kontrovers diskutierten Auslegungsfragen niemals ausgegangen werden.
Daher läuft der Apotheker Gefahr, sich mit der Annahme von preis- und werberechtlich verbotenen Rabatten oder anderen Vorteilen selbst dann strafbar zu machen, wenn er von der Rechtmäßigkeit seines Handelns überzeugt ist.
Bedenkliche Rolle der Krankenversicherung
Bedenken wecken schließlich auch die begleitenden verfahrens- und organisationsrechtlichen Neuregelungen, insbesondere das Recht der Krankenkassen, Strafanträge zu stellen (§ 301 Abs. 2 Nr. 2 c StGB-E), und die noch intensivere Einbindung der GKV in die Aufdeckung und Verfolgung strafbarer Handlungen (§ 197a SGB V-E).
Die Einschaltung der GKV als »Hüterin des Strafrechts« passt nicht zur steten Ausweitung von Individualverträgen zwischen GKV und einzelnen Heilberuflern und dem damit einhergehenden Wandel der Krankenkassen von passiven »Payern« zu aktiven »Playern« im Wettbewerb. Denn gerade der höchst unbestimmte Straftatbestand des § 299a StGB-E gibt den Kassen ein Druckmittel in die Hand, welches das strukturelle Machtgefälle zwischen Heilberuflern und Krankenkassen noch weiter zugunsten der Kassen verschiebt und erhebliche Missbrauchsgefahren schafft. So besteht die Gefahr, dass Krankenkassen verstärkt Strafanträge oder »Durchsuchungen« androhen könnten, um Heilberufler mit dem Ziel einzuschüchtern, Streitigkeiten über die ordnungsgemäße Erfüllung von Vertragspflichten in ihrem Sinne zu entscheiden oder zweifelhafte Retaxationen durchzusetzen. /