Korruptionsbekämpfungsgesetz in Kraft getreten |
07.06.2016 12:02 Uhr |
Von Matti Zahn und Lutz Tisch, Berlin / Am vergangenen Freitag ist das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, häufig auch verkürzt als Anti-Korruptionsgesetz oder Korruptionsbekämpfungsgesetz bezeichnet, veröffentlicht worden und am Folgetag in Kraft getreten.1 Damit hat eine rechtspolitische Diskussion ein (vorläufiges) Ende gefunden, die spätestens mit der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs im Jahr 2012 ihren Anfang genommen hat.2 Damals war durch das Gericht festgestellt worden, dass ein niedergelassener Vertragsarzt weder als Amtsträger noch als Beauftragter tauglicher Täter eines der bestehenden Korruptionsdelikte sei. Gleichwohl äußerten die Richter, dass sie das grundsätzliche Anliegen, etwaigen Missständen im Gesundheitssystem mit Mitteln des Strafrechts entgegenzutreten, anerkennen würden. Der Gesetzgeber fühlte sich daher in der Folge berufen, entsprechende Tatbestände zu schaffen. Im zweiten Anlauf ist ihm dies nun gelungen.3
Kern des schon während seiner Entstehungsgeschichte häufig in den Medien präsenten Gesetzes ist die Schaffung zweier neuer Straftatbestände (§§ 299 a und b Strafgesetzbuch – StGB), die speziell auf die Berufsausübung von Heilberufsangehörigen abzielen. Der Begriff des Heilberufsangehörigen ist insoweit deckungsgleich mit der Definition in § 203 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen). Angehörige eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, sind neben Apothekern und Ärzten auch Pharmazeutisch- oder Medizinisch-technische Assistenten, Krankenschwestern und -pfleger, Altenpfleger oder etwa Hebammen.4 Nach § 299a StGB (Bestechlichkeit im Gesundheitswesen) können sich diese Berufsträger strafbar machen, wenn sie im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordern, sich versprechen lassen oder annehmen, dass sie
1. bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten,
2. bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, oder
3. bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugen.
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Die aufgeführten Tatbestände lassen bereits erkennen, dass trotz des an sich weiten Täterkreises in der Praxis nur einzelne Heilberufsgruppen als Täter des § 299a StGB in Betracht kommen. Die Verordnung von Arzneimitteln et cetera obliegt nun einmal weitgehend Ärzten. Ähnlich wird es beim Bezug dieser Produkte sein, weil der Tatbestand deren unmittelbare Anwendung erfordert. Bei diesen Tatbestandsvarianten werden Apotheker und PTA im Regelfall als Täter des § 299a StGB ausscheiden. Anders kann dies bei Vereinbarungen aussehen, die die Zuführung von Patienten zum Gegenstand haben. In diesen Fällen, die ohnehin nach § 11 Apothekengesetz (ApoG) verboten sind, können sich auch Apotheker nach § 299a StGB strafbar machen. Es droht in diesem Fall eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder eine Geldstrafe. In besonders schweren Fällen (§ 300 StGB) sind auch Freiheitsstrafen nicht unter 3 Monaten bis zu 5 Jahren möglich.
Während § 299a StGB die Strafbarkeit des Heilberufsangehörigen als Vorteilsempfänger normiert, regelt § 299b StGB (Bestechung im Gesundheitswesen) die Strafbarkeit des Vorteilsgebers. Bei diesem muss es sich jedoch nicht um einen Heilberufsangehörigen handeln. Täter des § 299b StGB kann jeder, mithin natürlich auch ein Heilberufsangehöriger, sein. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 299b StGB sind spiegelbildlich zu denen des § 299a StGB. Der Täter muss einem Heilberufsangehörigen oder einem Dritten einen Vorteil dafür offerieren, dass ihn dieser bei den oben dargestellten Tätigkeiten in unlauterer Weise bevorzugt. Der Vorteil muss dabei als Gegenleistung für die unrechtmäßige Bevorzugung gewährt werden. Man bezeichnet diese Bedingung als sogenannte Unrechtsvereinbarung. Der gewährte »Vorteil« kann dabei vielerlei sein. Die Rechtsprechung im Bereich der Korruptionsdelikte neigt dazu, den Begriff weit auszulegen. Ein Vorteil kann demnach sowohl eine materielle aber auch eine immaterielle Zuwendung sein. Damit wird jede Zuwendung erfasst, auf die der Täter keinen Rechtsanspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage objektiv verbessert. In Betracht kommen dabei insbesondere auch Einladungen zu Kongressen, die Übernahme von Kosten von Fortbildungsveranstaltungen, die Teilnahme an vergüteten Anwendungsbeobachtungen oder die Einräumung von Vermögens- und Gewinnbeteiligungen sowie grundsätzlich auch Vertragsabschlüsse an sich – dies sogar, wenn die danach erhaltenen Leistungen das angemessene Entgelt einer eigenen vertraglichen Gegenleistung darstellen. Die Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf nannte beispielhaft zudem Ehrungen und Ehrenämter als mögliche Vorteile.5 Eine Geringwertigkeits- oder Bagatellgrenze wird insoweit nicht gezogen. Gleichwohl ging die genannte Gesetzesbegründung davon aus, dass es bei geringfügigen und allgemein üblichen Werbegeschenken oder bei kleineren Präsenten von Patienten an einer objektiven Eignung fehlt, konkrete heilberufliche Entscheidungen zu beeinflussen. In diesen Fällen soll ebenso wie bei § 299 StGB (Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr) eine sozialadäquate Zuwendung angenommen werden, die den Tatbestand der Strafnorm nicht erfüllt. Der in § 299b StGB vorgesehene Strafrahmen ist im Übrigen deckungsgleich mit dem in § 299a StGB. Dies gilt auch im Hinblick auf die besonders schweren Fälle nach § 300 StGB.
Wer sich bereits im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens mit den dort vorgeschlagenen Regelungen auseinandergesetzt hat, dem werden ein paar wesentliche Veränderungen zu den Entwurfsfassungen auffallen.6 Beispielsweise erfassen die Tatbestände der §§ 299a und b StGB nicht mehr die Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln. Auch unlautere Verhaltensweisen im Zusammenhang mit dem Bezug von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten sind nur noch sehr eingeschränkt strafrechtlich relevant. Zudem wurde auf die Variante der »Verletzung einer berufsrechtlichen Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit« verzichtet. Dies hatten verschiedene Berufsverbände, darunter auch die ABDA, im Hinblick auf die Unbestimmtheit dieses Tatbestandsmerkmals gefordert.7 Letztlich ebenso geändert worden ist das ursprünglich vorgesehene Erfordernis eines Strafantrags zum Einschreiten der Ermittlungsbehörden. Nunmehr sind die Tatbestände der §§ 299a und b StGB als Offizialdelikt ausgestaltet, was heißt, dass die Staatsanwaltschaft von sich aus in entsprechenden Verdachtsfällen tätig werden kann. Anlass dazu können entsprechende Hinweise von Mitbewerbern, Krankenkassen oder Patienten bieten, ohne dass es eines formellen Strafantrages bedarf. Die Bedeutung dieser Änderung ist hingegen eher symbolischer Natur, da auch die vorherigen Entwurfsfassungen ein Einschreiten von Amtswegen vorsahen, wenn die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejahte.
Aufgrund all dieser Änderungen, die erst im Rahmen der parlamentarischen Beratung Eingang gefunden haben, könnte der Eindruck entstehen, die Apotheker seien von Regelungen ausgenommen. Teilweise wurden sogar eklatante Strafbarkeitslücken vermutet.8 Diese Kritik ist jedoch nicht berechtigt. Zum einen werden unlautere Absprachen zwischen Ärzten und Apothekern – wie zuvor gezeigt – von den Straftatbeständen erfasst. Dass sich der Arzt in diesen Fällen nach § 299a StGB und der Apotheker nach § 299b StGB strafbar macht, ist im Ergebnis völlig ohne Belang. Die Abgabe und den Bezug von Arzneimitteln hingegen hat der Gesetzgeber mit sehr guten Gründen aus dem Straftatbestand herausgenommen.9 Anders als etwa der Arzt hat der Apotheker in einer öffentlichen Apotheke eine Doppelfunktion. Er ist nicht nur Heilberufsangehöriger sondern auch Kaufmann. Daraus folgt, dass er neben seinen heilberuflichen Pflichten auch kaufmännischen Erfordernissen unterworfen ist. Die Gesellschaft hat ein legitimes Interesse daran, dass der Apotheker Einkaufsvorteile erzielt. Wenn dem nicht so wäre, ließen sich weder die Preisfreigabe bei OTC-Arzneimitteln noch die variable Spanne beim Großhandelszuschlag begründen. Bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln kommt hinzu, dass die Auswahlentscheidung des Apothekers durch den Inhalt der ärztlichen Verschreibung und sozialvertragsrechtliche Vorgaben ohnehin sehr eingeschränkt ist.
Nicht zuletzt muss man außerdem zwei wesentliche Punkte berücksichtigen: Zum einen sind die neuen Korruptionstatbestände nicht die einzigen Instrumente in der Hand der Strafverfolgungsbehörden. Der Straftatbestand des Betruges (§ 263 StGB) hat sich bereits in der Vergangenheit als taugliches Mittel erwiesen, die (wenigen) schwarzen Schafe, die im Gesundheitswesen unterwegs sind, einzufangen. Und die Patienteninteressen werden schließlich auch durch den Tatbestand der Körperverletzung geschützt (§§ 223, 224 StGB). Diesen kann auch die Abgabe eines nicht indizierten Arzneimittels erfüllen. Es wäre daher nicht überraschend, wenn sich das Gros der Fälle trotz der neu eingefügten §§ 299a und b StGB weiterhin auf dem bereits bekannten Terrain abspielt. Zum anderen sind Strafnormen keineswegs die einzigen oder stets effektivsten Regelungen, die einer unlauteren Berufsausübung entgegenwirken können.10 Auch ein berufs- oder wettbewerbsrechtliches Verfahren kann für den Betroffenen mit empfindlichen Konsequenzen verbunden sein.
Im Hinblick auf die strafrechtliche Beurteilung eines Verhaltens ist ohnehin jeder Einzelfall zu betrachten. Pauschale Bewertungen erweisen sich häufig als unrichtig, weil bestimmte Umstände nicht berücksichtigt wurden. Das Angebot eines Apothekers, der seine Apotheke im eigenen Haus betreibt, weitere ebenfalls in diesem Haus befindliche Räume einer Arztpraxis zu überlassen, muss beispielsweise keineswegs unterlauter und auch mit keiner strafrechtsrelevanten Unrechtsvereinbarung verbunden sein. Allein der Fakt, dass Patienten beim Verlassen einer über der Apotheke gelegenen Arztpraxis, an der Apotheke vorbeikommen, führt dazu, dass viele ihre Verschreibungen gleich dort einlösen werden. Dazu bedarf es weder einer Empfehlung des Arztes noch weiterer Bemühungen des Apothekeninhabers. Beispiele wie dieses zeigen, dass nicht jedwedes Verhalten, welches einem Außenstehenden suspekt erscheint, rechtlich zu beanstanden ist.
Trotzdessen sollte nicht außeracht gelassen werden, dass auch der Bundesrat, den das Gesetz abschließend passiert hat, die Entstehung von Strafbarkeitslücken befürchtet. Er hat die Bundesregierung daher um Beobachtung der Entwicklung gebeten, um gegebenenfalls gesetzlich nachsteuern zu können.11 Die nunmehr geltenden strafrechtlichen Regelungen beinhalten also weder aus den oben genannten Gründen noch wegen der jederzeit bestehenden Korrekturmöglichkeiten des Gesetzgebers einen Freibrief für Apotheker. /
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Anschrift der Verfasser
Dr. iur. Matti Zahn, Lutz Tisch
ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände
Unter den Linden 19–23
10117 Berlin
E-Mail: m.zahn@abda.de