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Polyneuropathien

Blutzucker langsam senken

18.02.2015  09:54 Uhr

Von Daniela Hüttemann / Eine Polyneuropathie bei Diabetikern ist nicht nur ein Problem bei schlecht eingestelltem Blutzucker. Auch eine zu schnelle Senkung des Langzeit-Blutzuckerspiegels (HbA1c) erhöht das Risiko für Nervenschäden, berichten jetzt US-Forscher im Fachjournal »Brain«.

 

In einer retrospektiven Studie untersuchten Professor Dr. Christopher H. Gibbons und Professor Dr. Roy Freeman von der Harvard Medical School in Boston bei 954 Diabetikern die Auswirkung der Blutzuckersenkung auf Nervenschäden (DOI: 10.1093/brain/awu307). Als schnelle Blutzuckersenkung definierten sie dabei eine Abnahme des HbA1c-Werts um mehr als 2 Prozentpunkte innerhalb von drei Monaten. 11 Prozent der Teilnehmer entwickelten dabei eine schmerzhafte Neuropathie und auch häufiger Schäden an den Augen (Retinopathie) oder Nieren (Mikroalbuminurie).

Je schneller der Blutzucker kontrolliert wurde, desto größer war das Risiko: Mit einer Blutzuckersenkung um 2 bis 3 Prozentpunkte über drei Monate bestand das absolute Risiko für eine therapieinduzierte Neuropathie bei 20 Prozent; bei einer Senkung um 4 Prozentpunkte sogar bei über 80 Prozent. Unerheblich war dabei, ob dabei Insulin oder Antidiabetika zum Einsatz kamen oder die Senkung durch eine Ernährungsumstellung erfolgte. »Diese Arbeit ist von großer praktischer Bedeutung«, kommentiert Professor Dr. Claudia Sommer von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in einer Pressemitteilung. »Wenn sich die Befunde bestätigen, müsste der Stoffwechsel bei Patienten mit Diabetes in Zukunft deutlich langsamer normalisiert werden«, so die leitende Oberärztin an der Neurologischen Klinik der Universität Würzburg. »Der naheliegende Ratschlag wäre, den HbA1c-Wert mit Bedacht abzusenken, und zwar wie die Autoren selbst vorschlagen, um weniger als 2 Prozent in drei Monaten.«

 

Rätselhaft ist laut DGN noch der Mechanismus, der hinter der Nervenschädigung steckt. Die Studienautoren spekulieren über eine mögliche Rolle des Gewichtsverlustes, doch Sommer ist skeptisch, da dieser nur bei sechs Patienten auftrat. »Morphologische Untersuchungen der Hautinnervation, mikroneurographische Analysen der Nozizeptoren und metabolische Untersuchungen zum Beispiel auf glykierte Serumproteine vor und nach der HbA1c-Regulierung könnten helfen, die Pathophysiologie dieser rätselhaften Erkrankung aufzuklären«, so die Neurologin. /

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