Biologika auf dem Vormarsch |
18.02.2015 09:54 Uhr |
Von Brigitte M. Gensthaler, München / Biologika haben die Therapie der Schuppenflechte deutlich verbessert. Sie lindern Entzündungen sowie Hautsymptome und senken zudem das kardiovaskuläre Risiko. Therapiepausen sind nicht vorgesehen, da viele der Patienten danach nicht mehr ansprechen.
Die Schuppenflechte wird heute als systemische Erkrankung verstanden, die nicht nur die Haut betrifft. »20 bis 30 Prozent der Patienten mit Schuppenflechte haben auch eine entzündliche Gelenkerkrankung, also eine Psoriasis-Arthritis«, sagte Professor Dr. Kristian Reich, Hamburg, beim achten TNFα-Forum in München.
Der schwarze Schlamm und das mineralhaltige Wasser des Toten Meeres wirken heilend auf Haut und Gelenke.
Foto: Shutterstock/Zanuda
Mehr als die Hälfte der Schuppenflechte-Patienten leide an weiteren Erkrankungen. Zu den typischen Komorbiditäten zählen die rheumatoide Arthritis (etwa vierfach häufiger) und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (etwa zweimal häufiger). Zudem sei eine Psoriasis häufig assoziiert mit dem metabolischen Syndrom, also Adipositas, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes und Bluthochdruck. »Vor allem bei schwerer Psoriasis ist das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall erhöht«, konstatierte der Dermatologe auf einem von MSD veranstalteten Symposium. Die Lebenserwartung der Patienten sei um drei bis vier Jahre verkürzt.
Auch zur Langzeittherapie
Für die systemische Psoriasis-Behandlung stehen zahlreiche Arzneistoffe zur Verfügung. »Vor rund zehn Jahren revolutionierte der TNFα-Inhibitor Infliximab die Therapie für Patienten mit Psoriasis vulgaris und Psoriasis-Arthritis (PsA)«, sagte Reich. Bei einer Dosierung von 5 mg/kg Körpergewicht erreichten in Studien acht von zehn Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis eine PASI-Reduktion um 75 Prozent (Kasten) nach zehn Wochen.
Neben Infliximab sind auch die TNFα-Blocker Adalimumab und Etanercept sowie Ustekinumab, das an die Interleukine IL-12 und IL-23 bindet, hoch wirksam. Gemäß der S3-Leitlinie zur Therapie der Psoriasis vulgaris (gültig bis Ende 2015) werden sie zur Induktionstherapie bei erwachsenen Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Schuppenflechte empfohlen. Alle Biologika sind unter Berücksichtigung von Nebenwirkungen und Kontraindikationen auch zur Langzeittherapie geeignet.
Der »Psoriasis Area and Severity Index« (PASI) ist ein Maß für die Schwere der Psoriasis. Er erfasst die Ausprägung von Erythem, Infiltration und Schuppung sowie das Ausmaß der betroffenen Körperoberfläche. Die Begriffe PASI 50, 75 oder 90 beschreiben eine mindestens 50-, 75- oder 90-prozentige Besserung des PASI. Derzeit gilt in Studien eine mindestens 75-prozentige Reduktion des PASI (PASI 75) als klinisch und für den Patienten relevanter Parameter für die Beurteilung der Wirksamkeit eines Medikaments. Ein PASI-100-Ansprechen bedeutet eine vollständige klinische Remission.
Apremilast als neue Therapieoption
Der Dermatologe plädierte für eine dauerhafte Krankheitskontrolle ohne Absetzversuche, denn nach einer Therapiepause sprächen viele Patienten nicht mehr auf das Biologikum an. Bei »Super-Respondern« sei eine Dosisreduktion möglich. Eine effektive Psoriasis-Therapie mit TNFα-Inhibitoren senkt das kardiovaskuläre Risiko laut Reich zudem deutlich besser als Methotrexat. Möglicherweise sei ein direkter Effekt der TNF-Blockade auf die entzündliche Komponente der Atherosklerose daran beteiligt.
Einen anderen Ansatz verfolgt das peroral bioverfügbare Apremilast, das die Phosphodiesterase-4 hemmt und in der Folge immunsuppressiv wirkt, berichteten Professor Dr. Diamant Thaci, Lübeck, und der Rheumatologe Dr. Frank Behrens aus Frankfurt beim TNF-Symposium. Der Wirkstoff ist seit Januar in Europa für Patienten mit Plaque-Psoriasis und PsA zugelassen (Otezla® Filmtabletten, Celgene). PsA-Patienten können Apremilast allein oder in Kombination mit Disease Modifying Antirheumatic Drugs (DMARD) einsetzen.
Bei zweimal täglicher Einnahme von 30 mg Apremilast erreichten in den drei PALACE-Studien 37 Prozent der PsA-Patienten nach 16 Wochen eine 20-prozentige Besserung (ACR20) gegenüber knapp 19 Prozent unter Placebo, wobei die Patienten in beiden Gruppen zusätzlich DMARDs bekommen konnten. Mit Apremilast erfuhren zudem deutlich mehr Patienten eine 50- oder 70-prozentige Besserung als unter Placebo. Auch die Langzeitdaten sind ermutigend: Spricht der Patient an, bleibt der Effekt in der Regel über 52 Wochen erhalten.
Neue Antikörper in der Pipeline
Neue Antikörper richten sich gegen Interleukine. Clazikizumab adressiert das proinflammatorische IL-6, während Tildrakizumab und Guselkumab sich gegen IL-23 richten. Der humane Antikörper Secukinumab (Cosentyx®, Novartis Pharma) wurde Anfang Februar von der Europäischen Kommission zur systemischen Erstlinientherapie von Erwachsenen mit mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis zugelassen.Secukinumab richtet sich gegen IL-17A und verhindert dessen Interaktion mit seinem Rezeptor, der auf diversen Zellen, darunter Keratinozyten, exprimiert wird.
Zu den Symptomen der Psoriasis- Arthritis zählen geschwollene und schmerzende Gelenke. Typisch ist, dass die Beschwerden zumeist morgens besonders stark sind und durch Bewegung vermindert werden.
Foto: Fotolia/nebari
In der Folge wird die Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen unterdrückt. Der Nutzen des neuen Antikörpers wurde in mehreren Studien nachgewiesen. Secukinumab 300 mg reduzierte Hautsymptome nach zwölf Wochen signifikant besser als Placebo und als Etanercept. Deutliche Effekte traten bereits nach zwei Wochen ein, meldet der Hersteller. In einer zweiten Head-to-Head-Studie (Phase-IIIb) war Secukinumab gegenüber Ustekinumab bei der Reduktion der Hautsymptomatik überlegen. Der primäre Endpunkt PASI 90 wurde nach 16 Wochen erreicht. Die Markteinführung ist laut Hersteller im Juni geplant.
Vorhandene Optionen konsequent nutzen
Ebenso wichtig wie die Entwicklung neuer Substanzen ist der Einsatz zugelassener Stoffe. Dies zeigte die randomisierte kontrollierte TICOPA-Studie (Trial comparing tight control of early psoriatic arthritis). Erhielten PsA-Patienten eine intensive Therapie, die sich strikt am Therapieerfolg orientierte, erreichten sie nach einem Jahr deutlich bessere Ansprechraten als unter konventioneller Therapie, berichtete Behrens.
Primärer Parameter dieser »Treat-to-target«-Strategie war das Erreichen der ACR20. Die Patienten starteten mit Methotrexat und wechselten bei mangelndem Ansprechen jeweils nach vier Wochen zu Standardkombinationen und weiter zu TNFα-Inhibitoren. Die Patienten der Intensivgruppe erhielten zuletzt deutlich häufiger Kombi-Therapien und Biologika. Fazit des Rheumatologen: »Es ist wichtig, dass die vorhandenen Optionen auch konsequent eingesetzt werden.« /