»Testkäufe sind der Königsweg« |
23.02.2010 17:20 Uhr |
Von Sven Siebenand / Die Bundesapothekerkammer (BAK) lässt regelmäßig Testkäufe in Apotheken durchführen. Überwachungsinstrument oder Chance zur Fortbildung? Dr. Andreas Kiefer, Mitglied im geschäftsführenden Vorstand der BAK, gibt die Antwort. Er klärt zudem über den Ablauf und die Konsequenzen der Testkaufaktionen auf.
PZ: Warum lässt die Bundesapothekerkammer überhaupt Testkäufe in Apotheken durchführen, reicht es nicht aus, dass Stiftung Warentest und andere dies tun?
Kiefer: Testkaufaktionen zur Verbesserung der Ergebnisqualität sind ein wichtiger Bestandteil der Qualitätsoffensive der BAK und bei Kolleginnen und Kollegen mehrheitlich akzeptiert. Die Verantwortung für die Kompetenzüberprüfung liegt eindeutig bei der beruflichen Selbstverwaltung. Deshalb gehören Testkäufe in unser freiberufliches Pflichtenheft, denn wir Apotheker leben den Freiberuf wirklich. Unsere Testkäufe unterscheiden sich vom Ansatz her deutlich von externen Kontrollen der Beratungsqualität, etwa denen von Stiftung Warentest.
Testkäufe haben bei vielen Apothekern ein schlechtes Image. Dabei sind sie sinnvoll, wenn sie als Instrument zur Qualitätssischerung eingesetzt werden.
Foto: ABDA
PZ: Wo liegen die Unterschiede zum »Stiftung-Warentest-Testkauf«?
Kiefer: Externe Kontrollen, beispielsweise von Fernsehsendern, wollen Schlagzeilen mit vermeintlich schlechten Ergebnissen machen. Ich unterstelle mal, dass sie nicht, wie unsere Testkäufe, als Fortbildungsmaßnahme für die Apotheken gedacht sind. Sie haben nicht die Verbesserung der Qualität der Apothekenteams zum Ziel. Wir wollen mit unseren Testkäufen die Apotheken nicht vorführen, sondern eine Beratungsstruktur implementieren.
PZ: Was meinen Sie genau mit Beratungsstruktur?
Kiefer: Unser Ziel ist es, dass alle Apotheken leitliniengerecht beraten. Jeder Kunde muss Beratung erfahren und die richtigen Informationen erhalten. Ist das Medikament für Sie gedacht? Welche Medizin nehmen Sie sonst noch ein oder wenden Sie an? Das sind Beispiele für Fragen, die in der Apotheke immer gestellt werden müssen. Auch müssen die Kolleginnen und Kollegen die Eigendiagnose des Patienten hinterfragen oder die Grenzen der Selbstmedikation ausloten. So steht es in den Leitlinien der BAK, zum Beispiel der Leitlinie »Information und Beratung des Patienten bei der Abgabe von Arzneimitteln – Selbstmedikation«. Das darin beschriebene Vorgehen – die Beratungsstruktur- wird in unseren Testkäufen abgefragt. Natürlich müssen die fachlichen Informationen auch stimmen. Es wäre ja fatal, wenn der Apotheker den Patienten falsch informiert.
PZ: Welche Ergebnisse kamen bei den bisherigen Testkäufen der BAK heraus?
Kiefer: Wir sehen zum Beispiel, dass die Art der Nachfrage das Beratungsergebnis und damit die Benotung enorm beeinflusst. Außerdem gibt es die besseren Ergebnisse, wenn die Testkäufer nur ein Symptom, etwa Sodbrennen, schildern. Ein großes Ziel unserer Testkäufe ist es, dass die leitliniengerechte Beratung auch bei einem konkreten Präparatewunsch automatisch in Gang gesetzt wird.
PZ: Darf ein Kunde denn die Beratung auch ablehnen?
Kiefer: Natürlich, wir wollen ja keine Zwangsberatung. Ich kenne genügend aufgeklärte und informierte Patienten. Ein Gespräch, eine Frage um dies klarzustellen, ist aber immer möglich. Dennoch muss sich der Apotheker bei der Abgabe sicher sein, dass kein Missbrauch mit dem abgegebenen Arzneimittel erfolgt.
PZ: Es könnte anschließend bei »bestanden« oder »nicht bestanden« bleiben. Warum gibt es dennoch eine Benotung?
Kiefer: So kann die betreffende Apotheke besser beurteilen, wo sie in der Beratung steht. Das Ergebnis sollte unbedingt im Team besprochen werden. Auf Grundlage der Benotung können Maßnahmen besser ergriffen werden. Gute Noten dienen als Lob und Ansporn für alle, auf diesem Niveau weiterzuarbeiten. Weniger gute Benotungen ermöglichen das Lernen aus Fehlern. Wir werden in der BAK aber diskutieren, ob wir das Benotungssystem nicht deutlich vereinfachen werden.
PZ: Wann fällt man durch?
Kiefer: Wenn gegen die Berufspflichten verstoßen wird. Dies ist dann der Fall, wenn ein Beratungsangebot unterbleibt. Ein Mangelhaft gibt es auch, wenn nicht-pharmazeutisches Personal im Handverkauf Arzneimittel abgibt.
PZ: Welche Konsequenzen hat das Nichtbestehen für die Apotheke?
Kiefer: Eine schriftliche Rüge als geringste Form der Ahndung droht. Spätestens im Wiederholungsfall erfolgen härtere Sanktionen. Teilweise sind das dann hohe Geldstrafen – und das zu Recht.
PZ: Ist es nicht so, dass ein Testkauf nur eine Momentaufnahme ist?
Kiefer: Ja! Dennoch geben viele Momentaufnahmen ein Gesamtbild. Dieses sagt dann etwas über die Arbeit in den Apotheken aus. Das Argument der Momentaufnahme darf nicht als Entschuldigung nach einem schlechten Einzelresultat herangezogen werden. Vielmehr muss es ein Ansporn sein, es beim nächsten Mal besser zu machen.
PZ: Was sagt das Ergebnis über die Beratungsleistung des gesamten Teams aus?
Kiefer: Auch wenn nur ein Mitarbeiter getestet wurde, spiegelt es letztlich eine Teamleistung wider. Dies zeigt sich gerade im Umgang des Teams mit dem – guten oder schlechten – Ergebnis. Vor allem für den Apothekenleiter ist es ein Zeichen zum Handeln und Gegensteuern, wenn einer seiner Mitarbeiter nicht besteht.
PZ: Wie können Teams ihre Leistungen denn verbessern?
Kiefer: Eine wichtige Möglichkeit ist die freiwillige Teilnahme an externen Überprüfungen der Beratungsqualität wie das Pseudo-Customer-Konzept der ABDA. Mögliche Verbesserungsvorschläge sollten aufgegriffen und gemeinsam spezielle Maßnahmen überlegt und umgesetzt werden. Leistungsfördernd sind zudem Teamfortbildungen und sogenannte Musterfortbildungen. Diese hat die BAK den Apothekerkammern in den Ländern zur Verfügung gestellt. Sie bieten fallorientiertes Lernen anhand lebenstypischer Situationen. Das Echo bei Apothekenteams, die diese schon genutzt haben, war sehr gut.
PZ: Wie geht es mit den Testkäufen weiter?
Kiefer: Testkäufe sind der Königsweg zur Verbesserung der Beratungsqualität. Deshalb muss es so lange Testkäufe geben, bis wir ein effektiveres Werkzeug besitzen. Und nicht nur das: Testkäufe müssen häufiger und schwerer werden. Denn Apotheken müssen zu immer komplexeren Themen beraten können. Es muss nicht jeder im Apothekenteam immer mit sehr gut bewertet werden. Ziel für alle ist es, jeden Testkauf zu bestehen. /