Pharmazeutische Zeitung online
Großbritannien

Kliniken als Exporteure

23.02.2010  17:20 Uhr

Von Arndt Striegler, London / Um ihre Bilanz aufzubessern, entdecken britische Krankenhäuser neue Geschäftsfelder. Sie steigen in den Arzneimittelhandel ein.

Britische Apothekerverbände und Pharmahersteller sind alarmiert, da es in Großbritannien immer wieder vorkommt, dass staatliche Kliniken verschreibungspflichtige Arzneimittel, die eigentlich für britische Patienten bestimmt sind, an Pharmagroßhändler ins Ausland verkaufen und von dem Verkauf profitieren.

 

Medikamente für 5,5 Millionen Euro

 

Wie die britische Tageszeitung »Daily Mail« berichtete, habe das zum staatlichen Gesundheitsdienst (National Health Service, NHS) gehörende Royal Surrey County Hospital (Guildford) kürzlich verschreibungspflichtige Medikamente für umgerechnet rund 5,5 Millionen Euro »an Pharmagrossisten« verkauft. Durch den Verkauf habe die Klinik einen Reingewinn von umgerechnet rund 400 000 Euro erzielt. Die verkauften Arzneimittel, so die Zeitung, seien dann ins Ausland weiterverkauft worden.

Ein Sprecher der Klinik bestätigte die Praktik. Allerdings sei keines der verkauften Arzneimittel knapp gewesen. NHS-Patienten seien durch den Deal »nicht geschädigt« worden.

 

Der britische Herstellerverband (Association of British Pharmaceutical Industry, ABPI) reagierte empört. »Es ist unglaublich, dass ein staatliches Krankenhaus Arzneimittel, die für den NHS bestimmt sind, ins Ausland verkauft und sich dadurch bereichert«, so ABPI-Sprecher Richard Barker.

 

Apothekerverbände protestierten ebenso wie die ärztlichen Berufsverbände. Inzwischen ist auch das Londoner Gesundheitsministerium eingeschaltet. Ein Ministeriumssprecher bestätigte gegenüber der PZ: »Wir kennen die Vorwürfe, und wir sind gegen derartige Deals. Der Verkauf von Medikamenten durch staatliche Kliniken an Dritte gefährdet die Patientenversorgung.«

 

Unklar ist, ob es sich bei den Vorfällen in Guildford um einen Einzelfall handelt oder ob andere Staatskliniken ebenfalls Medikamente an Großhändler weiterverkaufen, um so ihre Haushaltskassen aufzufüllen. Britische Medien berichten, es handele sich dabei um eine »weitverbreitete Praktik«. /

Mehr von Avoxa