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Krankenhäuser

Es droht ein Milliardenloch

08.04.2008  17:22 Uhr

Krankenhäuser

Es droht ein Milliardenloch

Von Werner Kurzlechner

 

Die Krankenhäuser schlagen Alarm. Nach einem Gutachten droht den Kliniken allein in diesem Jahr ein Defizit von 2,2 Milliarden Euro. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) mahnt die Tarifpartner zur Mäßigung und bittet den Bund um Hilfe in der Not.

 

Unter wachsendem Kostendruck leidet das gesamte Gesundheitswesen ­ die Krankenhäuser trifft es seit Jahren besonders hart. Während etwa der Apotheker-Anteil am Ausgabenkuchen nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes zwischen 1995 und 2005 von 12,7 auf 14,5 Prozent stieg, sank jener der Kliniken von 27,4 auf 25,9 Prozent.

 

Jetzt prognostiziert ein Gutachten des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) und der Wirtschaftsprüfer BDO Deutsche Warentreuhand AG den Krankenhäusern für dieses und kommendes Jahr eine dramatische Finanzierungslücke: Allein 2008 liegt das Defizit demnach zwischen 1,3 und 2,2 Milliarden Euro, bis Ende 2009 wächst der Fehlbetrag auf mindestens 1,5 und höchstens 3,0 Milliarden Euro an.

 

»Fast ausweglose Situation«

 

»Für viele Einrichtungen baut sich eine fast ausweglose Situation auf«, fürchtet Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Die DKG gab die Studie in Auftrag und stellte sie vergangene Woche in Berlin vor. Sie malt in grellen Farben aus, um welche Dimensionen es geht: Betroffen sind rund 2100 Krankenhäuser in der Bundesrepublik, die schon das vergangene Jahr mit einem Milliardendefizit abschlossen. Seit 1990 machten bereits 300 Häuser dicht, und nach Einschätzung der DKG droht jetzt weiteren Einrichtungen vor allem im ländlichen Raum das Aus. Die im ärgsten Fall fehlenden 2,2 Milliarden Euro entsprechen dem finanziellen Aufwand für 40.000 Klinikärzte oder 66.000 Pfleger. BDO-Partner Joachim Müller rechnet die Folgen am Beispiel eines Hauses mit 210 Betten in einer Kleinstadt durch. Diese Klinik erwartet für 2008, dass sich die Ertragslage um eine knappe halbe Million Euro verschlechtert. Von 114 Vollzeitpflegern müsste ein Zehntel ausscheiden, um das Loch zu stopfen. Eine ordnungsgemäße Versorgung der Patienten sei dann fraglich, sagt Müller.

 

So dramatisch dieser Befund ist, so brisant erscheinen die von der DKG vorgeschlagenen Therapien. Zum einen rufen die Kliniken den Staat um Hilfe an, zum anderen appellieren sie an die Gewerkschaften. Krankenkassen kritisierten das Gutachten postwendend als »durchsichtiges Manöver«, das die laufenden Tarifverhandlungen flankieren solle. Die einzige variable Größe im starren Korsett, in das die Klinikmanager geschnürt sind, bilden nämlich die Personalkosten. Der 2,2-Milliarden-GAU tritt nach Einschätzung des RWI ein, wenn der Marburger Bund und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ihre Forderungen durchsetzen. Die Ärzte verlangen durchschnittlich um 10,2 Prozent erhöhte Gehälter, Verdi kämpft für Lohnsteigerungen von acht Prozent, mindestens aber um 200 Euro für das Personal in kommunalen Kliniken. Nach den Zahlen der Wirtschaftsexperten ist das Angebot der Arbeitgeber das Patentrezept, um das Defizit zu drosseln. Die öffentlichen Kliniken bieten im Groben zunächst 2,5 Prozent mehr an und später gestaffelt weitere ein bis 1,5 Prozent.

 

Ruf nach Hilfe vom Staat

 

Daneben erhoffen sich die Kliniken Hilfe vom Staat: kurzfristig eine Finanzspritze, mittelfristig mehr Bewegungsfreiheit. »Man braucht mehr Geld im System«, attestiert RWI-Gesundheitsexperte Boris Augurzky. Viele Kliniken hätten ihre Effizienz längst so weit wie möglich gesteigert, außerdem habe die Politik den Ertrag der Anstrengungen immer wieder einkassiert. Baum bittet um ein Nothilfeprogramm und schießt zugleich in Richtung Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, die höhere Löhne fürs Pflegepersonal gefordert hat. Dabei entzieht die Bundesregierung laut DKG den Krankenhäusern mit der Sanierungsabgabe für die Kassen rund 300 Millionen Euro. Dahinter steckt die Vorgabe der jüngsten Gesundheitsreform, 2007 und 2008 die Rechnungen um 0,5 Prozent zu kürzen.

 

Am meisten nagt an den Kliniken nach eigener Ansicht aber die Kostendeckelung, die sie möglichst sofort loswerden wollen. Sie dürfen ihre Preise höchstens um 0,64 Prozent erhöhen und können deshalb den Kostendruck nicht weitergeben ­ »anders als die Deutsche Bahn«, so Baum.

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