Patient Krankenhaus |
01.08.2017 15:40 Uhr |
Von Thomas Glöckner / Fast jedes zehnte Krankenhaus schreibt tiefrote Zahlen. Kliniken schieben Investitionen auf die lange Bank. Digitalisierung kann helfen, Bund und Länder sollen Krankenhäuser aber auch finanziell besser ausstatten.
Beim Oberlandesgericht Stuttgart war für den Kläger Schluss. Der Landkreis Calw darf Verluste seiner Kreiskliniken Calw und Nagold ausgleichen, urteilten die Richter im Frühjahr. Auch Ausfallbürgschaften und Investitionszuschüsse des Kreises verstoßen nicht gegen EU-Recht. Vergeblich hatte der klagende Bundesverband Deutscher Privatkliniken gehofft, dass »die Kreiskliniken ohne die Zahlungen aus dem Markt austreten müssten und ein Krankenhausstandort frei würde«.
Gewinne steigern
Volle Betten, leere Kassen: Weil die Bundesländer ihnen zu wenig unter die Arme greifen, schreiben viele Krankenhäuser rote Zahlen.
Foto: Imago/biky
Der Rechtsstreit am Neckar wirft ein grelles Schlaglicht auf die deutsche Krankenhauslandschaft. Private Klinikbetreiber versuchen mit Macht, über Zukäufe ihre Umsätze und Gewinne zu steigern. Öffentlich-rechtliche Häuser pochen hingegen auf ihren Versorgungsauftrag. »Das Jahresergebnis steht schlicht nicht im Vordergrund«, betont Bernhard Ziegler, der als Vorstandsvorsitzender beim Interessenverband kommunaler Krankenhäuser (IVKK) rund 80 Kliniken vertritt.
Fest steht allerdings, dass es dem Patienten Krankenhaus nicht gut geht. Jedes elfte Haus ist von Insolvenz bedroht, bilanziert der Krankenhaus Rating Report 2017, für den das RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen die Jahresabschlüsse von rund 900 Kliniken untersucht hat. Ein Drittel der Hospitäler lebt von der Substanz, weil kein Geld für Investitionen übrig ist. Anstelle des von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) errechneten Investitionsbedarfs von jährlich rund 6 Milliarden Euro kommt bei den Kliniken weniger als die Hälfte an.
»Seit Jahren sind die Bundesländer ihrer Pflicht zur Finanzierung der Investitionskosten nicht oder nur unzureichend nachgekommen«, bestätigt die Techniker Krankenkasse auf Anfrage der PZ. Krankenhäuser seien »gezwungen, ihre Investitionskosten zum Teil aus den Erlösen für die Krankenhausbehandlungen zu decken. Dadurch findet eine Quersubventionierung der Haushalte der Länder aus Mitgliedsbeiträgen der gesetzlich Krankenversicherten statt«.
Zwar ist die Zahl der Krankenhäuser von 1991 bis 2015 um rund ein Fünftel auf 1956 Häuser abgeschmolzen. Die Zahl der aufgestellten Betten hat sich sogar um fast ein Viertel auf rund 499 000 verringert. Im gleichen Zeitraum schrumpfte die Verweildauer eines ins Krankenhaus eingelieferten Patienten im Schnitt von 14 auf 7,3 Tage.
Behandlung kostet mehr
Nach wie vor aber verschlingt die Krankenhausbehandlung mit fast 35 Prozent der Ausgaben mehr Geld als ärztliche Behandlung und Arzneimittel zusammen, belegt das Zahlenwerk des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung für 2016. Dabei könnten die Behandlungsergebnisse für die Patienten deutlich besser sein. »Obwohl Deutschland bei den Gesundheitskosten weltweit einen Spitzenplatz belegt, schneiden wir bei der Qualität im Krankenhausbereich noch nicht immer zufriedenstellend ab«, bemängelt Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende beim Verband der Ersatzkassen.
Ein 500 Millionen Euro schwerer Strukturfonds, der aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds finanziert wird, soll die Schließung von Krankenhäusern, Fachrichtungen und Abteilungen sowie den Aufbau integrierter Versorgungszentren fördern. Denn noch immer, kritisiert das RWI, existieren zu viele Krankenhäuser und haben sich zu wenige Kliniken auf bestimmte Behandlungsfelder spezialisiert. Immerhin ist durch den zunächst bis 2018 befristeten Fonds bei der Umstrukturierung »etwas mehr Dynamik entstanden«, bestätigt RWI-Krankenhausexperte Boris Augurzky auf Anfrage der PZ. »Eine Fortführung ergibt vermutlich Sinn.«
Zumindest für private Krankenhausbetreiber ist die Konzentration auf ein profitables Geschäft längst Teil ihrer DNA. »Wenn man Gewinne erzielen muss, schaut man viel strenger auf Kosten und Erlöse des Krankenhauses und ist auch eher bereit, alte Zöpfe abzuschneiden«, analysiert Augurzky. So leistet sich das Klinikum Itzehoe, das IVKK-Vertreter Ziegler als Krankenhausdirektor leitet, eine seit Jahren defizitäre Schmerzambulanz. »Dafür besteht in unserem Einzugsgebiet aus Patientensicht ein großer Bedarf«, be-tont Ziegler, »wenn ich nur auf den Gewinn schielen würde, müsste ich sie sofort schließen.«
Qualität steigern
Kostentreiber Notaufnahme: Immer mehr Patienten suchen das Krankenhaus auf, obwohl auch der niedergelassene Arzt helfen könnte.
Foto: dpa
Der »permanenten Optimierung des Portfolios« sieht sich etwa die Sana Kliniken AG verpflichtet, die 26 privaten Versicherungen gehört. 2016 hat sich das Unternehmen von der stationären Altenpflege getrennt, weil sie den Renditeerwartungen des Managements nicht entsprach. Auch die Helios-Kliniken nehmen auf Anfrage der PZ für sich in Anspruch, mit effizienten Strukturen die medizinische Versorgungsqualität zu steigern, »was zu steigenden Patientenzahlen und höheren Gewinnen führt. Je mehr wir verdienen, desto größeren Spielraum für weitere Investitionen haben wir.«
Helios-Konkurrent Asklepios kauft derweil nicht nur einzelne Krankenhäuser, sondern greift nach der Nummer Vier der Branche. Die Hamburger haben sich Ende Mai bei der Rhön-Klinikum AG in Bad Neustadt an der Saale, wo drei Großaktionäre um die Macht rangeln, mit 25,1 Prozent der Anteile eine Sperrminorität gesichert.
Kopfschmerzen bereitet immer mehr Krankenhausbetreibern, dass »ein vermehrter Anstieg von ambulanten Notfallpatienten zu beobachten ist, obwohl kein entsprechendes Krankheitsbild indiziert ist«, bestätigt ein Sprecher der Rhön-Klinikum AG. »Bagatellerkrankungen binden Ressourcen der Notaufnahme und können eine zeitnahe und notwendige Behandlung von schwer oder sogar lebensbedrohlich erkrankten Patienten gefährden«, kritisiert in diesem Zusammenhang auch der TK-Sprecher.
Stärker verzahnen
Das Rhön Klinikum will daher ambulante und stationäre medizinische Versorgung stärker verzahnen. Insgesamt 230 Millionen Euro steckt das Unternehmen in ein Campus-Konzept, bei dem sich auf einem zusammenhängenden Klinikgelände niedergelassene Haus- und Klinikärzte, Reha- und Pflegeeinrichtungen konzentrieren. Wichtiger Baustein ist die elektronische Patientenakte, die für jeden Patienten medizinisch relevante Informationen wie Bilddaten, Diagnosen und Medikationen enthält. Auf mittlere Sicht sollen »alle Kliniken des Unternehmens sowie die behandelnden Haus- und Fachärzte auf die elektronische Akte zugreifen können«, bestätigt der Sprecher.
Bei der Digitalisierung herrscht offenbar noch in vielen Klinken Nachholbedarf. Nach einer Kennzahlen-Analyse von 100 Krankenhäusern ermittelte die Unternehmensberatung Price-Waterhouse-Coopers (PwC) im Juni, dass öffentliche Krankenhäuser knapp 60 Tage benötigen, um ihre Forderungen gegenüber Krankenkassen zu realisieren. Der Schnitt aller Krankenhausträger liegt bei lediglich 48 Tagen. PwC-Gesundheitsexperte Michael Burkhart identifiziert als Ursache »immer noch manuell und langsam ausgeführte Prozesse«. Mehr Geld für Digitalisierungsprojekte könnte aber laut RWI dabei helfen, »den demografischen Wandel zu bewältigen« – also mit weniger verfügbarem Fachpersonal steigende Patientenzahlen zu versorgen. So kooperieren beispielsweise die Sana Kliniken mit dem Flying Health Incubator in Berlin. Auf dessen Plattform werden Projekte wie digitaler Mutterpass und Videobrillen erprobt, mit denen sich Patienten bei operativen Eingriffen ablenken können.
Bund muss einspringen
Projekte wie die elektronische Patientenakte »helfen vor allem der Patientenversorgung«, erwartet RWI-Experte Augurzky. Hinsichtlich der Kostensituation in den Krankenhäusern werde sich aber »kein großer Effekt« einstellen. Um den Patienten Krankenhaus wenigstens in die stabile Seitenlage zu bekommen, verlangt die DKG als Dachverband der deutschen Krankenhäuser für die nächste Legislaturperiode nicht weniger als »einen nationalen Investitionspakt«. Da die Länder zu wenig zahlen, soll der Bund einspringen, fordert DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum: »Das Schwarzer-Peter-Spiel zwischen Bund und Ländern bei den Investitionen muss endlich beendet werden«. /