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Bedingt richtig

08.04.2008  17:22 Uhr

Bedingt richtig

Es mutet fast anachronistisch an. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing, sorgt sich um den Medikamentenmissbrauch. Fast 2 Millionen Arzneimittel-Abhängige soll es geben, mehr als Alkoholiker. Ärzte und Apotheker ruft sie dazu auf, sich gemeinsam um Medikamentensüchtige zu kümmern. Offensichtlich gibt es doch noch Politiker, die sich dem Zeitgeist widersetzen und bei Apothekern noch andere Fähigkeiten vermuten, als den profitorientierten Abverkauf von Medikamenten über Handelsketten zu blockieren.

 

Bemerkenswert ist übrigens, dass Bätzings Initiative eine Anfrage der Grünen vorausging. Deren drogenpolitischer Sprecher, Harald Terpe, hatte der Bundesregierung vorgeworfen, sich nicht ausreichend um die Medikamentensucht zu kümmern. Apotheker und Ärzte hatte er aufgerufen, das Problem mit einer besseren Beratung zu bekämpfen. Die Grünen, die sich für den Fremdbesitz und damit für die Kommerzialisierung der Arzneimittelversorgung starkmachen, fordern nun die Apotheker auf, sich stärker um ein Problem zu kümmern, an dessen Verstärkung die Partei bislang selbst maßgeblich gearbeitet hat.

 

Anlass zu übertriebener Hoffnung besteht aber nicht. Denn ein wirkliches Umdenken gibt es nicht. Weder bei den Grünen noch bei anderen Parteien. Der geplante Eintritt von Schlecker in den Arzneimittelmarkt wird sich zwar verzögern. Grundsätzliche Sorgen bereitet er jedoch nur wenigen. Dabei liegen die Konsequenzen auf der Hand.

 

Schlecker und die anderen Drogeriemärkte, das steht jetzt schon fest, werden ihren Markteintritt mit Supersonderangeboten flankieren. Schlecker hat bereits angekündigt, bestimmte OTC-Arzneimittel um rund 40 Prozent unter der unverbindlichen Preisempfehlung abzugeben. Die Dumping-Preise werden natürlich ausreichend aggressiv beworben. Schließlich soll jeder merken, dass es neue Player im Markt gibt. Die Frage, ob die aggressive Werbung für apothekenpflichtige Arzneimittel womöglich dazu führt, das einige Menschen mehr Medikamente einnehmen als ihnen guttut, stellt sich niemand.

 

Bätzings Initiative ist deshalb nur bedingt richtig. Sie greift nicht auf, dass Arzneimittel zunehmend als Konsumgüter gesehen werden. Der Respekt vor ihren Wirkungen und Nebenwirkungen sinkt, wenn sie wie Vitamintabletten oder Brausebonbons angeboten werden. Die maximierte Verfügbarkeit von Arzneimitteln fördert den Missbrauch. Beim Alkohol hat man dies erkannt und diskutiert ein Verbot für den nächtlichen Verkauf an Tankstellen. Vielleicht sieht ja noch jemand mit wachem Geist und ausreichendem Einfluss die Parallele.

 

Daniel Rücker

Stellvertretender Chefredakteur

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