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Korruption im Gesundheitswesen

Überlegungen des Bundes­justiz­ministeriums verdichten sich

03.02.2015  15:41 Uhr

Arndt Preuschhof, Berlin / Die Bekämpfung korruptiven Verhaltens im Gesundheitswesen wird seit geraumer Zeit in der Politik diskutiert. Aus dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) wurde nun der noch nicht autorisierte Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korrup­tion im Gesundheitswesen bekannt, durch den ein neuer Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen im Strafrecht (§ 299a StGB) verankert werden soll.

Fehlverhalten im Gesundheitswesen wird seit jeher nicht lediglich auf der Basis hoheitlicher Maßnahmen durch die zuständigen Aufsichtsbehörden oder durch berufsrechtliche Maßnahmen der zuständigen Kammern geahndet, sondern steht stets auch im Fokus der Strafermittlungsbehörden. Im Bereich der Bestechlichkeit und Bestechung (§ 299 StGB) besteht dabei nach dem geltenden Strafrecht eine Lücke, die insbesondere durch die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen in den Fokus der Betrachtung getreten ist1

 

Gegenstand des Verfahrens war die Frage, ob ein niedergelassener Vertragsarzt Amtsträger im Sinne der Straftaten im Amt (§§ 331 ff StGB) oder Beauftragter der Krankenkasse im Sinne des § 299 StGB sein kann. Diese umstrittene Frage, die auch auf die Strafbarkeit von Apothekern übertragbar war, ist durch den Großen Senat verneint worden und löste eine kontroverse politische Diskussion aus. Diese gipfelte 2013 in einem Gesetzentwurf des Bundesrates, der dem Deutschen Bundestag zugeleitet wurde. Das konkrete Gesetzgebungsvorhaben konnte vor Ablauf der 17. Wahlperiode nicht abgeschlossen wurden und müsste nun in der 18. Wahlperiode neu angestoßen werden. Die Thematik blieb jedoch weiter virulent.

 

Nach dem nun kursierenden Entwurf soll der Angehörige eines Heilberufs, der im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug, der Verordnung oder Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial einen anderen im Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge oder in sonstiger Weise seine Berufsausübungspflichten verletze, mit Freiheitstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden.

 

Strafbar wäre nicht nur die Annahme oder das Sich-Versprechen-Lassen, sondern bereits die Forderung eines Vorteils, auch wenn dies letztendlich erfolglos bleibt. Der Vorteilsbegriff soll nach der enthaltenen Begründung weit interpretiert werden und sowohl materielle als auch immaterielle Zuwendungen erfassen, auf die der Täter keinen Rechtsanspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage objektiv verbessert. Ausdrücklich erwähnt die Begründung des Entwurfs auch Ehrungen und Ehrenämter, Einladungen zu Kongressen, die Übernahme von Kosten von Fortbildungsveranstaltungen, die Teilnahme an vergüteten Anwendungsbeobachtungen oder die Einräumung von Vermögens- und Gewinnbeteiligungen sowie grundsätzlich auch Vertragsabschlüsse an sich – dies sogar, wenn die danach erhaltenen Leistungen das angemessene Entgelt einer eigenen vertraglichen Gegenleistung darstellen. Eine Geringwertigkeitsgrenze sieht der Entwurf nicht vor. Allerdings sollen sozialadäquate Vorteile (geringfügige und allgemein übliche Werbegeschenke oder kleinere Präsente von Patienten) nicht geeignet sein, den Tatbestand zu erfüllen. Nachträgliche Zuwendungen werden vom Tatbestand ebenfalls nicht erfasst, sofern sie nicht bereits im Vorfeld verabredet worden sind.

 

Für die strafbare Tatbestandsverwirklichung soll überdies erforderlich sein, dass die Vorteilsannahme (beziehungsweise das Sich-Versprechen-Lassen oder das Fordern) mit einer intendierten unlauteren Bevorzugung im Wettbewerb oder mit einer Verletzung allgemeiner Berufsausübungspflichten einhergeht. Dies setzt eine inhaltliche Verknüpfung von Vorteil und Gegenleistung voraus (Unrechtsvereinbarung), die sämtlichen Korruptionsstraftatbeständen immanent ist und die die besondere Strafwürdigkeit erst begründet. Das bloße Annehmen eines Vorteils verwirklicht den Straftatbestand daher nicht. Die strafrechtlich relevante unerwünschte Zuwendung ist zudem nur strafwürdig, sofern sie im Zusammenhang mit dem Heilberuf des Täters sowie beim Bezug, der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial erfolgt. Handeln im Privatleben ist daher nicht tatbestandsrelevant. Anders als nach § 299 StGB ist ein Angestellten- oder Beauftragtenverhältnis des Täters nicht mehr erforderlich – geeigneter Täter der neuen Vorschrift können damit auch selbstständig tätige Apotheker oder Ärzte sein.

 

Zukünftig könnten Verstöße gegen das apothekenrechtliche Verbot von Absprachen, die die Zuweisung von Verschreibungen oder die Zuführung von Patienten zum Gegenstand haben sowie das Verbot der bevorzugten Abgabe bestimmter Arzneimittel (§§ 10, 11 ApoG) auch strafrechtlich geahndet werden. Durch den neuen Straftatbestand soll ausdrücklich allerdings nicht nur der Wettbewerb geschützt werden, sondern darüber hinaus auch Patienten- und Allgemeinwohlinteressen. Vor diesem Hintergrund sieht der Gesetzentwurf es nicht nur als tatbestandsmäßig an, wenn der Heilberufler einen Vorteil fordert, damit er einen anderen wettbewerbswidrig unlauter bevorzugt. Vielmehr ist dies auch relevant, sofern der Vorteil gefordert oder angenommen wird, damit in sonstiger Weise Berufsausübungspflichten verletzt werden. Nach der Begründung kann also auch das berufsrechtswidrige Handeln auf eigene Rechnung als Ausdruck eigenen unternehmerischen Handelns strafrechtlich relevant sein. Dies wird in der Begründung ausdrücklich mit dem Bezug von Arzneimitteln unter Umgehung zwingender Preisvorschriften der Arzneimittelpreisverordnung in Verbindung gebracht.

 

Nicht nur der Heilberufler, der einen Vorteil annimmt, sich versprechen lässt oder fordert, könnte zukünftig bestraft werden, vielmehr steht auch derjenige, der einen entsprechenden Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt, im Fokus der Strafvorschrift.

 

In besonders schweren Fällen soll die Tat mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden. Ein besonders schwerer Fall läge in der Regel vor, wenn die Tat sich auf einen Vorteil großen Ausmaßes bezieht oder der Täter gewerbs- oder bandenmäßig handelt.

 

Der bekannt gewordene Entwurf sieht vor, dass die Straftat nur auf Antrag verfolgt wird, sofern nicht ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen gebietet. Antragsberechtigt wären neben dem Verletzten allerdings auch Wettbewerber, Wettbewerbsverbände, die Industrie- und Handelskammern und die berufs­ständische Kammer, in der der Täter im Zeitpunkt der Tat Mitglied war. Darüber hinaus sollen auch Berufsverbände antragsbefugt sein, die die Interessen von Verletzten im Wettbewerb ver­treten.

 

Ob der Entwurf in der bekannt gewordenen Fassung offiziell als Referentenentwurf vorgelegt wird und welche konkreten Auswirkungen in der Praxis des Apothekenbetriebs mit der neuen Strafvorschrift verbunden sein werden, ist gegenwärtig noch nicht absehbar. Der Verlauf und die Entwicklungen des Gesetzgebungsverfahrens müssen hierzu abgewartet werden. Die beteiligten Fachkreise, darunter auch die ABDA, werden dieses Verfahren nach der Vorlage des Referentenentwurfs durch das BMJV begleiten und ihren Beitrag zu einer sachgerechten Ausgestaltung der Regelungen leisten. /

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