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Magenkrebs

Neuer Angiogenese-Hemmer zugelassen

04.02.2015  09:40 Uhr

Von Sven Siebenand, Frankfurt am Main / Antiangiogene Therapeutika sind bereits einige auf dem Markt. Bei der Behandlung des Magenkarzinoms haben aber bisher alle versagt. Mit dem Antikörper Ramucirumab (Cyramza®) wurde nun erstmals ein Angiogenese-Hemmer zur Zweitlinien-Therapie bei Magenkrebs zugelassen. Er wird ab Februar im Handel sein.

Magenkrebs ist die fünfthäufigste Krebserkrankung weltweit und die dritthäufigste Ursache für durch Krebs bedingte Todesfälle. Diese Zahlen nannte Professor Dr. Saleh-Eddin Al-Batran bei einer Pressekonferenz von Lilly Deutschland in Frankfurt am Main.

 

Der Mediziner vom Krankenhaus Nordwest in Frankfurt am Main sprach von insgesamt 18 000 bis 19 000 Todes­fällen pro Jahr in Deutschland. Da Magenkrebs im Frühstadium meist nur wenige Symptome verursacht (siehe Kasten), werde der Tumor oft erst spät diagnostiziert.

 

»Bei 60 Prozent der Patienten ist das Karzinom zum Zeitpunkt der Diagnose nicht mehr resektabel«, so Al-Batran. Der Referent wies auch darauf hin, dass das Magenkarzinom ein relativ aggressiver Tumor ist, weshalb die Prognose eher ungünstig ist. So habe ein Patient mit einem primärresektablen Tumor nicht mal eine 50-prozentige Chance, nach fünf Jahren noch zu leben. Beim metastasierten Magenkarzinom sieht es noch schlechter aus: Das Zwei-Jahres-Überleben liegt laut Al-Batran zwischen 10 und 20 Prozent und in dieser Spanne eher bei 10 als bei 20 Prozent.

 

Wie der Mediziner informierte, verlängert eine Chemotherapie die Lebenszeit der Patienten. Häufig kämen in der Erstlinien-Therapie Zweifach-Kombinationen aus einer Platin-Verbindung und einem Fluoropyrimidin zum Einsatz, manchmal sogar eine Dreifach-Therapie mit zusätzlich Docetaxel oder Epirubicin. »Egal welches Therapieschema eingesetzt wird, die durchschnittliche Überlebenszeit betrug in Studien nie mehr als zehn bis elf Monate«, sagte Al-Batran.

 

Kommt es nach einer Erstlinien-Therapie zur Tumorprogression, so steht ab sofort für die Zweitlinien-Therapie der Antikörper Ramucirumab zur Verfügung. Er ist in Kombination mit Pacli­taxel für die Second-Line-Therapie von Patienten mit fortgeschrittenem Adeno­karzinom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs zugelassen. Gleichzeitig wurde der Angiogenese-Hemmer in dieser Indikation als Monotherapie für Patienten zugelassen, für die eine Kombinationstherapie mit Paclitaxel nicht geeignet ist.

 

Überzeugende Studienergebnisse

Grundlage der Zulassung sind die Ergebnisse der Phase-III-Studien Regard und Rainbow. In Regard wurde untersucht, ob Patienten mit fortgeschrittenem Adenokarzinom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs von einer Monotherapie mit Ramucirumab plus bestmöglicher supportiver Therapie (BSC) in der Zweitlinie profitieren. Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben (OS). 

Unter der Behandlung mit Ramucirumab plus BSC verlängerte sich im Vergleich zu BSC alleine das OS signifikant (5,2 versus 3,8 Monate). Darüber hinaus konnte im Ramucirumab-Arm im Vergleich zur Kontrollgruppe auch das progressionsfreie Überleben (PFS) signifikant verlängert werden (2,1 versus 1,3 Monate).

 

In der randomisierten Rainbow-Studie erhielten die Patienten entweder Ramucirumab plus Paclitaxel oder Paclitaxel plus Placebo. Das Ergebnis: Unter Ramucirumab/Paclitaxel wurde im Vergleich zu Paclitaxel/Placebo eine signifikante Verlängerung des OS erreicht (9,6 versus 7,4 Monate). Auch das PFS war in der Kombinationsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant verlängert (4,4 versus 2,9 Monate). Al-Batran betonte, dass in der Regard-Studie in beiden Studienarmen unerwünschte Ereignisse ähnlich häufig auftraten. Die Hypertonie-Rate sei aber in der Ramucirumab-Gruppe höher gewesen. »In der Rainbow-Studie waren die Nebenwirkungen etwas anders verteilt«, sagte der Mediziner. So traten Neutropenien im Ramucirumab-Arm häufiger auf als in der Kontrollgruppe. Die Rate an febrilen Neutro­penien sei aber nicht erhöht gewesen. Auch Neuropathien und Fatigue traten laut Al-Batran bei Patienten, die Ramucirumab erhalten hatten, häufiger auf.

 

So wirkt Ramucirumab

 

Ramucirumab ist ein monoklonaler IgG1-Antikörper, der sich spezifisch gegen die extrazelluläre Domäne des VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor)-Rezeptors 2 richtet. Dieser gilt als wichtigster Mediator der Angio­genese. Durch seine Stimulierung werden zudem Faktoren gefördert, die das Tumorwachstum und die Metastasierung begünstigen. Anders als zum Beispiel Bevacizumab, das nur gegen den Rezeptorliganden VEGF gerichtet ist, blockiert Ramucirumab den VEGF- Rezeptor 2 komplett, so Privatdozentin Dr. Sonja Loges vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Durch die spezifische Rezeptorblockade komme es zur Senkung der VEGF-A-vermittelten Tumorangiogenese, zur Gefäßnormalisierung und zu einer Hemmung der VEGF-induzierten Immunsuppression.

 

»Man wird von dieser Substanz zukünftig noch mehr hören«, prognostizierte Loges angesichts positiver Studienergebnisse, zum Beispiel beim Bronchial- und Kolorektalkarzinom. Interessant seien auch Untersuchungen, die nahelegen, dass die Zugabe von 200 mg Acetylsalicylsäure pro Tag einen wirksamkeitsverstärkenden Effekt von Ramucirumab zur Folge hat. Ebenfalls noch Zukunftsmusik ist der Einsatz von Ramucirumab in der Erstlinien- Therapie des Magenkarzinoms. Laut Al-Batran sei aber auch daran gedacht und in den nächsten Monaten beginne eine Studie, die den Einsatz in der Erstlinien-Therapie untersuchen soll. /

Symptome von Magenkrebs

In den frühen Krankheitsstadien sind Magenkarzinome meist asymptomatisch oder verursachen chronische oder wiederkehrende Schmerzen im oberen Abdomen und Anämie. Wenn die Krankheit fortgeschritten ist, treten häufiger Symptome auf, etwa Verdauungsstörungen, häufige Übelkeit oder Erbrechen, Schluckbeschwerden, Druckgefühl beziehungsweise Schmerzen im Oberbauch, früh einsetzendes Sättigungsgefühl, Anorexie, Gewichtsverlust und abdominale Schmerzen.

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