Der unerwartete Todesfall |
05.02.2013 16:37 Uhr |
Von Sven Siebenand, Mannheim / Epileptiker sterben häufig an einem Status epilepticus, an anfallsbedingten Unfällen und an Suiziden. Aber auch der plötzliche unerwartete Todesfall tritt häufig auf. Warum es zu Letzterem kommt, ist noch unklar. Jedoch wurden Risikofaktoren identifiziert und Strategien zur Prävention entworfen.
Epileptiker haben, verglichen mit gesunden Menschen der jeweiligen Altersklasse, in jedem Lebensabschnitt ein dreifach höheres Sterberisiko. Mediziner bezeichnen den plötzlichen unerwarteten Tod bei Epileptikern häufig als SUDEP (sudden unexpected death in epilepsy).
Etwa 1 Prozent der Bevölkerung erkrankt an Epilepsie. Betroffene haben in jedem Lebensabschnitt eine stark erhöhte Mortalitätsrate.
Foto: Fotolia/Tobilander
Professor Dr. Hajo Hamer nannte auf der jüngsten Arbeitstagung NeuroIntensivMedizin in Mannheim eine SUDEP-Inzidenz von 0,09 bis 9,2 pro 1000 Patientenjahre. »Je aktiver die Epilepsie, desto häufig wird SUDEP«, so der Leiter des Epilepsiezentrum am Universitätsklinikum Erlangen. Laut dem Epilepsiezentrum des Universitätsklinikums Freiburg wird die Häufigkeit in Deutschland auf circa 600 bis 1000 Fälle pro Jahr geschätzt. Im jungen Erwachsenenalter sei ein plötzlicher unerwarteter Tod die häufigste Todesursache bei Epilepsiepatienten. Aller Wahrscheinlichkeit nach sei SUDEP ein anfallsassoziiertes Problem. Versterbe ein Epilepsie-Patient plötzlich und unerwartet, sei häufig ein Anfall vorausgegangen. Allerdings ist SUDEP laut Definition keine direkte Folge eines Anfalls oder Status epilepticus, und es wird keine offensichtliche medizinische Ursache für den Tod gefunden.
Hamer zufolge spielen Gehirn, Lunge und Herz vermutlich eine wichtige Rolle in der Pathophysiologie von SUDEP. Möglich seien zum Beispiel kardialer Stress (kardiale Arrythmie) oder eine zentrale Hypo- oder Apnoe. Der Mediziner informierte, dass die Beteiligung des serotonergen Systems oft diskutiert werde. Serotonin moduliert die kortikale Erregbarkeit und reduziert die Empfänglichkeit für Anfälle. Zudem ist der Botenstoff an der Regulation der Atmung beteiligt.
Entwarnung konnte Hamer hinsichtlich der Antikonvulsiva geben. Es gebe keinen Hinweis, dass eines der Antiepileptika die SUDEP-Rate signifikant erhöhen würde. Als Risikofaktoren nannte er stattdessen männliches Geschlecht, Beginn der Erkrankungen vor dem 16. Lebensjahr und eine seit mindestens 15 Jahren bestehende Epilepsie. Sie erhöhen das SUDEP-Risiko jeweils um den Faktor 1 bis 2. Dagegen gehen häufige generalisierte klonisch-tonische Anfälle, starke Anfälle, die auch als Grand-mal-Anfälle bekannt sind, mit einem weitaus höheren Risiko einher. Bereits ab drei Anfällen pro Jahr ist es um den Faktor 8 erhöht. Patienten, die mindestens 50-mal pro Jahr einen solchen schwerwiegendenn Anfall erleben, haben gar ein 15-fach erhöhtes SUDEP-Risiko.
Gute Einstellung schützt
In der Prävention dieser unerwarteten Todesfälle spielt daher die Anfallskontrolle eine wichtige Rolle. Wie bei anderen Krankheiten gilt: Je besser die Erkrankung eingestellt ist, desto geringer das Risiko. Hamer verwies zudem darauf, dass bei jedem dritten SUDEP- Toten keine nachweisbaren Antiepileptika-Konzentrationen im Blut zu finden waren. Die Medikamente nicht einzunehmen, scheint daher das Risiko zu erhöhen, beziehungsweise eine hohe Therapieadhärenz bietet wahrscheinlich einen Schutz vor SUDEP. Zudem sollten Patienten nach einem Anfall gut überwacht werden. Im ambulanten Bereich sei dies aber nicht immer lückenlos darstellbar.
Abschließend stellte der Referent einige experimentelle Behandlungsmöglichkeiten zur Prävention von SUDEP vor. Dazu zählen zum Beispiel eine Therapie mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) bei Hochrisikopatienten, eine Schrittmacher-Operation oder die Implantation eines Vagusnerv-Stimulators. All diese Methoden seien aber noch nicht so gut untersucht, dass sie gegenwärtig schon in die klinische Praxis einfließen könnten. /
Fokale epileptische Anfälle haben ihren Anfangsherd in einer begrenzten Hirnregion, sie können sich aber in der Folge über die gesamte Hirnrinde ausbreiten. Im Gegensatz hierzu sind bei generalisierten Anfällen keine Hinweise auf einen begrenzten Ursprungsort zu finden. Die generalisierten Anfälle lassen sich in zwei Arten unterscheiden: die »kleineren« Petit-mal-Anfälle wie Absencen oder tonische Anfälle und der große generalisierte Anfall, der typische Grand-mal-Anfall. Bei diesem kommt es zu einem Bewusstseinsverlust, zu Stürzen, Verkrampfungen und rhythmischen Zuckungen der Glieder.