BAK-Präsidentin fordert mehr Spielraum für Apotheker |
08.02.2011 17:59 Uhr |
Von Daniel Rücker, Davos / Das Jahr 2011 hat für die Apotheker nicht gut angefangen. Da gibt es keine zwei Meinungen. Entsprechend hart ging die Präsidentin der Bundesapothekerkammer, Erika Fink, bei der Eröffnung des Pharmacon Davos mit der Bundesregierung ins Gericht.
Spargesetze, Aut-idem-Regelung und Packungsgrößenverordnung sind drei Schlagworte, die die gegenwärtige und zukünftige Situation der Apotheker prägen. Laut Fink gefährden die Gesetzesänderungen der vergangenen sechs Monate die Qualität der Arzneimittelversorgung erheblich. Freiberuf und Heilberuf erforderten klare und stabile Rahmenbedingungen, auch wirtschaftliche. Die sieht Fink derzeit jedoch nicht: »Kostendämpfungs- und Reformgesetze fast schon im monatlichen Takt mit immer neuen Regelungen bei der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und einer mittelbaren und unmittelbaren finanziellen Belastung der Apotheken konterkarieren dies.«
BAK-Präsidentin Erika Fink sieht mit den Gesetzesänderungen der vergangenen Monate die Qualität der Arzneimittelversorgung in Gefahr.
Foto: PZ/Rücker
Dabei hatten sich die Apotheker nach der Bundestagswahl durchaus Hoffnung auf Besserung nach einer knappen Dekade Ulla Schmidt gemacht. In ihrem Koalitionsvertrag hatten Union und FDP noch bekräftigt, die flächendeckende und sichere Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln habe hohe Priorität und die freiberuflichen Apotheker spielten dabei eine zentrale Rolle.
Nach 15 Monaten ist davon nicht viel geblieben. Fink: »Die Realität sieht anders aus.« Offensichtlich habe die Regierung vergessen, dass eine gute Versorgung eine adäquate Entlohnung voraussetze. Tatsächlich würden Arzneimittel jedoch als reiner Kostenfaktor gesehen. Der Nutzen, nämlich die Behandlung und Vorbeugung von Krankheiten und die damit verbundene Vermeidung von teureren Therapien werde nicht gesehen.
Wenn dem Apotheker die wirtschaftliche Basis seiner Arbeit entzogen wird, hat das für die Patienten erhebliche Konsequenzen. Die meisten Arzneimittel seien »alles andere als harmlos«, so Fink. Sie gehörten in die Hand des Arzneimittelfachmannes. Vor allem ältere multimorbide Menschen dürften mit der Therapie nicht allein gelassen werden, forderte die BAK-Präsidentin.
Wichtig sei der Apotheker aber auch bei Arzneimitteln der Selbstmedikation. Vor allem wenn sie gemeinsam mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln angewendet würden, brauche es die Begleitung durch Apotheker. Fink forderte die Bundesregierung auf, hier nicht denselben Weg zu gehen wie andere europäische Staaten, die die Apothekenpflicht für OTC-Arzneimittel aufgehoben haben.
Der Apotheker als Erfüllungsgehilfe
Fink bekräftigte in ihrer Rede die Bedeutung des freien Heilberufs für die Versorgung der Patienten: »Das, was den freien Heilberuf Apotheker ausmacht, ist das Erbringen ideeller, persönlicher, eigenverantwortlicher Leistungen, bei denen nicht das Gewinnstreben, sondern das Patientenwohl an erster Stelle steht.«
Im täglichen Alltag könne von der Freiheit der Heilberufler keine Rede mehr sein. Die Apotheker seien heute vor allem »Erfüllungsgehilfen sozialrechtlicher Regelungen zum Wohle der Krankenkassen«. Fink lies keine Zweifel daran, dass dieser Weg in die vollkommen falsche Richtung führt: »Wir fordern klare handhabbare Regelungen, die uns die Arbeit ermöglichen, für die wir ausgebildet sind und für die wir uns ständig fortbilden: Nämlich als Arzneimittelfachleute für die Patientinnen und Patienten da zu sein.« Dies seien der Mehrwert und das Alleinstellungsmerkmal der Apotheker.
Ausführlich ging Fink auf die Novellierung der Apothekenbetriebsordnung ein, die – mehrmals verschoben – in diesem Jahr wiederum ansteht. Mit Blick auf die Inhalte des internen Arbeitsentwurfs aus dem Ministerium vom Sommer 2010 erwartet Fink, dass Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung eine bedeutende Rolle in der Novelle spielen werden. Wenn Qualitätssicherung mit einer Stärkung des freien Heilberufs einhergehe, dann sei das zu begrüßen.
Grundsätzlich müsse aber bedacht werden, dass steigende qualitative Anforderungen in der Regel auch höhere Kosten bedeuteten. Wenn etwa bei Rezepturen an öffentliche Apotheken ähnliche Anforderungen gestellt würden wie an Pharmaunternehmen, dann sei dies unter den Bedingungen des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes nur schwer umzusetzen. Fink stellte klar, dass für Rezepturarzneimittel dieselben Ansprüche an die Qualität gestellt werden müssten wie an Fertigarzneimittel. Dafür reichten die Leitlinien der Bundesapothekerkammer aus.
Positiv bewertete Fink die Absicht der Bundesregierung, das Recht des Patienten auf Information über seine Arzneimitteltherapie zu stärken. Dieses Ziel dürfe aber nicht auf zu bürokratischem Weg verfolgt werden. Den Apothekern müsse ausreichend Spielraum gegeben werden, um auf die individuelle Situation des Patienten einzugehen. »Die neue Apothekenbetriebsordnung muss also sensibel justiert werden«, fasste Fink zusammen.
Trotz wenig erfreulicher Rahmenbedingungen auch in der Schweiz gab sich der Vorsitzende der schweizerischen Apothekervereinigung Pharmasuisse, Dominique Jordan, in seinem Grußwort kämpferisch und zuversichtlich. In der Schweiz gibt es Versandapotheken, Apothekenketten, dispensierende Ärzte und wie überall in Europa einen starken Druck auf Arzneimittelpreise und Apothekenmargen. Dennoch sieht Jordan gute Perspektiven für die öffentliche Apotheke.
Impfungen in der Apotheke
Sein Verband setzt dabei immer stärker auf pharmazeutische Dienstleistungen, die von den Krankenkassen vergütet werden. Neuestes Produkt ist der Polymedikations-Check. Umgerechnet rund 40 Euro bekommen Apotheker, wenn sie die Medikation multimorbider Patienten auf Sinnhaftigkeit und Risiken überprüfen. Immerhin knapp 20 Euro gibt es für das Stellen eines Wochenblisters. Nach Jordans Angaben erwirtschaften die schweizerischen Apotheker rund 20 Prozent ihres Gewinns mit Dienstleistungen.
In Zukunft könnte der Anteil weiter steigen. Ab dem nächsten Jahr wollen die Apotheker in der Schweiz nämlich auch Impfungen anbieten. Impfmüdigkeit sei auch in der Schweiz verbreitet, die Impfraten seien wie in Deutschland teilweise erschreckend niedrig. Mit dem niedrigschwelligen Angebot aus der Apotheke könnte dem erfolgreich begegnet werden.
Dass dies eine Kampfansage an die schweizerischen Ärzte ist, lässt Jordan kalt. Heftige Kontroversen zwischen den beiden Heilberufen sind in der Schweiz an der Tagesordnung. So fordern Ärzte immer wieder das Dispensierrecht, in einigen Kantonen mit Erfolg. Rücksichtnahme kommt deshalb auch für den Pharmasuisse-Vorsitzenden nicht infrage. Jordan: »Die Apotheken müssen sich jetzt weiterentwickeln, nicht in ein paar Jahren. Dann ist es zu spät. /
Alle vier Jahre wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. Wir berichten mit Blick auf die Gesundheitspolitik und die Auswirkungen für die Apotheken.