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Schönheitsoperationen

Schnitt im Schritt

03.02.2009  14:15 Uhr

Indikation

Narben an sensiblen Stellen

 

Apropos Komplikationen: Der Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen, Professor Dr. Günter Germann, beurteilt im Gespräch mit der PZ das gesundheitliche Risiko genitaler Schönheitsoperationen wie folgt: »In dieser sehr sensiblen Region kann es zum ganzen oder teilweisen Verlust des Hautempfindens, zu Narbenschmerzen und narbiger Verziehung der Harnröhrenöffnung kommen. In dieser Zone sollte man sich auf keine unnötigen Experimente einlassen. Menschen, die sich auf einen Eingriff im Intimbereich einlassen, setzen sich und ihr Sexualleben nicht nur großen Risiken aus, sie tun dies auch ohne Garantie, dass das gewünschte Ergebnis erzielt wird.« Der Arzt räumt ein, dass derartige Eingriff durchaus medizinisch sinnvoll sein können, etwa wenn sich die Gebärmutter gesenkt hat oder eine Frau nach mehreren Geburten einen Scheidenvorfall hat. Zudem können sie helfen, wenn die Vagina nach der Behandlung von Gebärmutterhalskrebs verkürzt ist. Eine medizinische Indikation sei es auch, wenn die kleinen Schamlippen so groß sind, dass sie störend sind oder sich leicht entzünden.

 

Das Erreichen einer vermeintlichen Norm erscheint Germann aber fraglich. Ein wissenschaftlicher Vergleich von 50 Vaginas habe ergeben, dass es weder hinsichtlich der Farbe noch hinsichtlich der Form eine Norm gebe. Im Gegensatz dazu, so Germann, suggerieren elektronisch bearbeitete Bilder, dass es die Ideal-Vagina gäbe. Das gehe sogar so weit, dass Patientinnen mit Fotos ihrer Wunsch-Vagina in die Sprechstunde kommen. Germann nennt noch ein zweites Motiv für operative Eingriffe an gesunden Genitalien: die Hoffnung auf eine Steigerung der sexuellen Erlebnisfähigkeit. Aus diesem Grund lassen sich Frauen zum Beispiel den sogenannten G-Punkt mit Kollagen, Hyaluronsäure oder Eigenfett aufspritzen. »Dass die Existenz eben jenes G-Punktes bis heute Gegenstand der Diskussion ist, stört dabei offenbar kaum«, kommentiert Germann.

 

Schönheits-OP ist kein Friseurbesuch

 

Der Mediziner hält einen Verlust des Ansehens für seine Berufsgruppe für nicht unwahrscheinlich, zumal in vielen Fällen nicht evidenzbasiert und nach strenger Indikationsstellung vorgegangen werde. »Wir sind als Berufsverband der Plastischen und Ästhetischen Chirurgen intern dazu verpflichtet, unsere Mitglieder an den Hippokratischen Eid und den Verhaltenskodex unserer Gesellschaft zu erinnern«, sagt Germann. Dies könne aber nicht ausreichen, auch in der Öffentlichkeit müsse deutlich werden, dass Sinn und Zweck dieser Eingriffe zum Teil fraglich, die Risiken aber erheblich sind. Mit dieser Einschätzung steht Germann nicht alleine da. Die Präsidentin der österreichischen Schwestergesellschaft, Professor Dr. Maria Deutinger, sagt: »Der saloppe Umgang der Medien im Zusammenhang mit ästhetischen Eingriffen führt dazu, dass sich die Menschen, allen voran junge Personen, des Wagnisses, das jede Operation darstellt, nicht bewusst sind. Sie haben oft den Eindruck, dass ein Eingriff dieser Art von seiner Tragweite her ähnlich wie ein Besuch beim Friseur ist, bei dem man rasch in der Mittagspause vorbeischaut.«

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