Pharmazeutische Zeitung online
Europäisches Arzneibuch

1. Nachtrag in Kraft getreten

03.02.2009  14:48 Uhr

Neue Monographien für

Allgemeiner Teil

Schmelztemperatur - Instrumentelle Methode

Funktionalitätsbezogene Eigenschaften von Hilfsstoffen

 

Spezieller Teil

Acemetacin 

Bisoprololfumarat 

Boldoblättertrockenextrakt

Clopamid

Desfluran

Quantifizierter, raffinierter Ginkgotrockenextrakt 

Magnesiumgluconat

Mangangluconat

Marbofloxacin für Tiere  

Molsidomin 

Natriumphenylbutyrat

Nifluminsäure

Pantoprazol-Natrium-Sesquihydrat

Saccharosemonopalmitat

Saccharosestearat

Selamectin für Tiere

Sertralinhydrochlorid

Süßholzwurzeltrockenextrakt als

Geschmackskorrigens

Weidenrindentrockenextrakt

Großer Wiesenkopf-Wurzel

Für die Apothekenpraxis hat die Vorschrift »Schmelztemperatur - instrumentelle Methode« (2.2.60) große Bedeutung. Sie beschreibt die Bestimmung der Schmelztemperatur nach der Kapillarmethode mithilfe von Automaten oder Halbautomaten. Diese Geräte werden in der pharmazeutischen Industrie und in Apotheken sehr häufig zur Identifizierung von Ausgangsstoffen verwendet und haben das klassische, mit Heizbad und Thermometern arbeitende Verfahren »Schmelztemperatur - Kapillarmethode« (2.2.14) weitgehend verdrängt.

 

Schmelzpunktautomaten wurden allerdings in der Vergangenheit von den Überwachungsbehörden wiederholt wegen mangelnder Eichfähigkeit beanstandet. Diese Einwände dürften nunmehr hinfällig sein, da die Europäische Arzneibuch-Kommission das Verfahren jetzt offiziell anerkannt hat und die Monographie strenge Anforderungen an die Kalibrierung und die Eignungsprüfung der Schmelzpunktbestimmungsgeräte stellt. Die Automaten müssen mit zwei zertifizierten Referenzmaterialien in regelmäßigen Abständen kalibriert werden. Vor jeder Messung muss mit einer Referenzsubstanz, deren Schmelztemperatur in der Nähe des zu erwartenden Schmelzpunkts des zu prüfenden Stoffes liegt, die Eignung geprüft werden.

 

Die zweite wichtige Neuerung im allgemeinen Teil des Arzneibuches ist die Monographie »Funktionalitätsbezogene Eigenschaften von Hilfsstoffen« (5.15). Diese unverbindlichen Angaben sind Teil des neuen Konzepts der Hilfsstoffmonographien in der Ph. Eur., da die bisherige Struktur der Prüfvorschriften mit eng limitierten Anforderungen an Identität, Reinheit und Gehalt den komplexen Anforderungen an Hilfsstoffe im Rahmen der Arzneimittelherstellung nicht gerecht wird. Die Erfahrung zeigt, dass arzneibuchkonforme Hilfsstoffe aus unterschiedlichen Chargen, von mehreren oder sogar nur von einem Hersteller, nicht unbedingt identische Eigenschaften bei der Herstellung eines speziellen Arzneimittels haben. Verantwortlich dafür ist die wechselnde Zusammensetzung der Hilfsstoffe aus meist zahlreichen, chemisch nah verwandten Bestandteilen und damit verbundene unvermeidbare Änderungen der physikalisch-chemischen Eigenschaften.

 

Zukünftig soll in Einzelmonographien für Hilfsstoffe in einem Anhang angegeben werden, welche Eigenschaften die Eignung des Hilfsstoffs, im Arzneibuch »Funktionalität« genannt, für den vorgesehenen Verwendungszweck beeinflussen. Der Abschnitt ist unverbindlich und dort genannte Prüfparameter müssen nicht notwendigerweise verifiziert werden, um die Übereinstimmung des Hilfsstoffs mit der Vorschrift nachzuweisen. So werden zum Beispiel in den Monographien »Mikrokristalline Cellulose« und »Cellulosepulver« die unterschiedlichen Typen durch die Parameter Polymerisationsgrad, Kristallinität, Partikelverteilung und Fließverhalten näher charakterisiert. Insgesamt ist das neue Konzept ein begrüßenswerter Beitrag zu mehr regulatorischer Flexibilität bei der Normierung von Ausgangsstoffen im Arzneibuch.

 

Die europäische Monographie »Quantifizierter, raffinierter Ginkgotrockenextrakt« ersetzt die entsprechende Vorschrift des Deutschen Arzneibuches. Außerdem wird die Monographie »Magnesiumgluconat-Dihydrat« des Deutschen Arzneimittel-Codex (DAC) abgelöst. Sie wird Mitte des Jahres im DAC 2009 gestrichen.

 

Revidierte Monographien

 

Durch den Nachtrag Ph. Eur. 6.1 werden zahlreiche Texte des Europäischen Arzneibuches aktualisiert, darunter auch einige Monographien, die für öffentliche Apotheken und Krankenhausapotheken wichtig sind (2).

 

Gleichförmigkeit einzeldosierter Arzneiformen: Im einleitenden Abschnitt wird ausgeführt, dass die Spezifikationen, soweit im Einzelfall nicht anders vorgeschrieben, für Suspensionen, Emulsionen oder Gele in Einzeldosisbehältnissen zur kutanen Anwendung nicht gelten. Außerdem ist die Prüfung der Gleichförmigkeit des Gehalts bei Zubereitungen mit Multivitaminen und/oder Spurenelementen nicht erforderlich.

 

Arnikablüten, Kanadische Gelbwurz, Hamamelisblätter, Hopfenzapfen, Mäusedornwurzelstock:  Die mikroskopische Prüfung auf Identität wird durch die Aufnahme von Abbildungen wichtiger Merkmale der gepulverten Droge erleichtert.

 

Clotrimazol: In der 2. Identifikationsreihe mit apothekengerechten Nachweisen wurde aus Gründen des Arbeitsschutzes die Farbreaktion unter Verwendung von Quecksilber(II)-oxid gestrichen. Wie in zahlreichen weiteren Monographien, zum Beispiel Atropinsulfat, Coffein und Doxepinhydrochlorid, wurde die dünnschichtchromatographische Prüfung auf verwandte Substanzen durch ein modernes hochdruckflüssigkeitschromatographisches Verfahren (HPLC) ersetzt.

 

Lidocain: Im Abschnitt »Prüfung auf Identität« wurde der Nachweis als Pikrat wegen der Explosionsgefährlichkeit der Pikrinsäure gestrichen. Zur Identifizierung in der Apotheke wird aktuell die Bestimmung der Schmelztemperatur der ungetrockneten Substanz und eine Farbreaktion vorgeschrieben. Auch bei diesem Wirkstoff werden die verwandten Substanzen jetzt mithilfe einer HPLC-Prüfung begrenzt.

 

Hibiscusblüten: Die dünnschichtchromatographische Prüfung wurde durch Änderung des Fließmittelsystems, die Einführung einer zweiten Referenzsubstanz und eine neue Beschreibung des Chromatogramms optimiert.

 

Tetracainhydrochlorid: Die Hygroskopizität der Substanz wird neuerdings durch Einführung des Lagerungshinweises »Dicht verschlossen« berücksichtigt. Außerdem wurde die Reinheitsprüfung überarbeitet.

 

Triamteren: Die Identifizierung wird ausschließlich mithilfe der Infrarot-Spektroskopie vorgenommen. Die auch in Apotheken und Krankenhausapotheken wenigstens zum Teil durchführbaren spektralphotometrischen und nasschemischen Nachweise wurden gestrichen. 

 

 

Literatur

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Europäisches Arzneibuch 6. Ausgabe, 1. Nachtrag, Amtliche Deutsche Ausgabe, Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart, Govi-Verlag, Eschborn.

N.N., Comments concerning some revised/corrected texts published in supplement†6.1, Pharmeuropa 19 (2007) 569-574

 

Anschrift des Verfassers:

Dr. Karsten Albert

Höhenstraße 25

61476 Kronberg

albert.kronberg(at)t-online.de

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