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Leukämie

Obinutuzumab auf der Überholspur

03.02.2016  09:26 Uhr

Von Elke Wolf, Frankfurt am Main / Der derzeitige Therapie­standard Rituximab bei Patienten mit chronisch-lymphatischer Leukämie bekommt zunehmend Konkurrenz. Obinutuzumab, ebenfalls ein Anti-CD20-Antikörper, zeigt sich auch in der Langzeittherapie überlegen. Neue Studien vom amerikanischen Hämatologie-Kongress ASH stellten Onkologen auf einer Pressekonferenz von Roche in Frankfurt vor.

Die chronisch-lymphatische Leukämie (CLL) ist in den westlichen Ländern die häufigste Leukämie-Form und betrifft meist Patienten im fortgeschrittenen Lebensalter. Der rekombinante monoklonale humanisierte Antikörper Obinutuzumab (Gazyvaro®) greift am CD20-Protein auf der Oberfläche von B-Lymphozyten an, also jenen Zellen, die sich bei Patienten mit CLL extrem vermehren. 

 

Auf diese Weise sorgt er dafür, dass die B-Lymphozyten vom Immun­system erkannt und getötet werden. Sowohl maligne als auch nicht maligne B-Zellen werden beseitigt. Dagegen bleiben hämatopoetische Stammzellen im Knochenmark, die das CD20-Protein nicht tragen, verschont und können normale B-Zellen nachbilden.

 

Effektiver als Rituximab

 

Bei Obinutuzumab wurde der Fc-Anteil durch eine Optimierung der Zuckerstruktur modifiziert, was seine Affinität zur Tumorzelle erhöht. Gazyvaro tötet dadurch im Vergleich zu ­Rituximab (MabThera®), einem ebenfalls von Roche hergestellten Typ-I-Anti-CD20-Antikörper, B-Zellen effektiver ab. Obinutuzumab gilt als Typ-II-Anti-CD20-Antikörper. Zudem wurde unter Obinutuzumab bislang keine Interna­lisierung des CD20-Antikörper-Kom­plexes beobachtet wie zunehmend unter Rituximab. Dabei können offensichtlich B-Zellen, auf deren Oberfläche Rituximab an CD20 angedockt hat, den Komplex internalisieren und sich so den immunologischen Eliminationsprozessen entziehen. Das führt zur Resistenz gegenüber Rituximab.

 

Der gezieltere Angriff auf die B-Lymphozyten spiegelt sich klinisch in einem besseren Ansprechen der Patienten wider. »In einer aktuellen Auswertung des Vergleichs der beiden Antikörper mit einer Nachbeobachtungszeit von rund 40 Monaten bestätigt sich der Vorteil von Obinutuzumab gegenüber Rituximab«, informierte Privatdozent Dr. Valentin Goede von der Universitäts­klinik Köln. Bislang hätten nur Daten zu einer Nachbeobachtungsphase von 28 Monaten vorgelegen.

 

Unter der Behandlung Obinutuzumab plus Chlor­ambucil (n = 333) war das progressionsfreie Überleben gegenüber Rituximab plus Chlorambucil (n = 330) nahezu verdoppelt (28,7 versus 15,7 Monate). Das Risiko für Progression oder Tod reduzierte sich unter Obinutuzumab gegenüber Rituximab signifikant um 54 Prozent. Die Zeit bis zur nächsten antileukämischen Therapie verlängerte sich signifikant von rund 38 auf 51 Monate. »Insgesamt zeichnet sich ein robuster Trend eines Überlebensvorteils ab, wenn Chlorambucil statt mit Rituximab mit Obinutuzumab kombiniert wird«, sagte Goede. Die Leitlinien der European Society of Medical Oncology empfehlen allgemein einen Anti-CD20-Antikörper (höchste Evidenzstufe und höchster Empfehlungsgrad) bei CLL-Patienten in höherem Lebensalter und mit Begleiterkrankungen.

 

Lassen sich diese Daten auf eine Kombinationstherapie mit Bendamustin übertragen? Dieser Frage ging Professor Dr. Wolfgang Knauf vom Cen­trum für Hämatologie und Onkologie Bethanien, Frankfurt am Main, nach. »Die Daten der GREEN-Studie lassen erwarten, dass Obinutuzumab mit Bendamustin zukünftig als vielversprechende Kombination für die Erstlinientherapie bei CLL zur Verfügung stehen könnte. Es deuten sich Therapievorteile bei unbehandelten CLL-Patienten an, besonders durch die deutlich höhere Remissionsqualität.« Die Ansprechraten waren unabhängig vom medizinischen Allgemeinzustand der Probanden. Eine Subgruppenanalyse von 158 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 67,6 Jahren und ausgeprägten Komorbi­ditäten belegte eine gute Verträglichkeit und Handhabbarkeit.

 

Hoffnungsträger bei Non-Hodgin-Lymphom

 

Die Kombination mit Bendamustin könnte auch die Behandlung von indolenten Non-Hodgkin-Lymphomen bereichern. Eine Studie mit 413 Patienten legt eine verbesserte Wirksamkeit der Kombination im Vergleich zur Monotherapie mit Bendamustin nahe. 81 Prozent dieser Patienten hatten ein follikuläres Lymphom, die häufigste Form eines Non-Hodgkin-Lymphoms. Die Behand­lung mitObinutuzumab/Bendamustin und anschließender Obinutuzumab-Erhaltungstherapie über zwei Jahre alle zwei Monate reduzierte das Progressions- und Mortalitätsrisiko gegenüber einer Monobehandlung mit Bendamustin um 45 Prozent. Zusätzlich belegen beim ASH vorgestellte Daten für die Gruppe der Patienten mit follikulärem Lymphom eine bislang unerreichte Remissionstiefe. Im Studienarm mit Obinutuzumab war das progressionsfreie Intervall deutlich länger als im Bendamustin-Kontrollarm. /

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