Trotz Klagen wenig Lust auf Neues |
29.01.2013 19:12 Uhr |
Von Anna Hohle / Die meisten Bürger halten das deutsche Gesundheitssystem im Grunde für leistungsfähig – dennoch klagen viele über lange Wartezeiten und überlastetes Personal. Das ergab der Gesundheitsreport, den das Allensbach-Institut im vergangenen Jahr bereits zum siebten Mal im Auftrag des Finanzdienstleisters MLP durchführte.
2100 Bürger sowie 521 Ärzte wurden dazu befragt. Zwar beurteilen 82 Prozent der Bürger und 93 Prozent der Mediziner die Gesundheitsversorgung in Deutschland generell als gut oder sehr gut. Auch schätzen sie deren Qualität besser ein als noch vor drei Jahren. Dennoch bemängeln beide Gruppen wachsende Einbußen bei der Versorgungsqualität.
Gesetzlich Versicherte bemängeln häufig lange Wartezeiten: Erst bei der Terminvergabe, dann in der Arztpraxis.
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38 Prozent der Ärzte gaben an, sie hätten gelegentlich oder häufig aus Kostengründen Behandlungen verschieben müssen, die aus medizinischer Sicht angeraten gewesen waren. 21 Prozent mussten aus den genannten Gründen sogar ganz auf eine solche Behandlung verzichten.
Zu wenig Zeit für Patienten
Die befragten Patienten bemängelten hingegen vor allem lange Wartezeiten: Mehr als die Hälfte der gesetzlich Krankenversicherten gab an, in den letzten beiden Jahren mindestens einmal sehr lange auf einen Termin beim Arzt gewartet zu haben. Anschließend mussten 67 Prozent nochmals lange im Wartezimmer ausharren. »Das muss nicht sein, viele Praxen könnten hier ihre Abläufe optimieren«, sagte Renate Köcher, Geschäftsführerin des Allensbach-Instituts.
Auch viele Ärzte klagen, sich nicht genügend Zeit für ihre Patienten nehmen zu können. 37 Prozent der Niedergelassenen und 49 Prozent der Krankenhausärzte machten diese Aussage. Die meisten gaben Stress und hohe Arbeitsbelastung als Grund an. Zusätzlich sagte die Mehrheit der Krankenhausärzte, es sei schwer, ausreichend Pflegepersonal zu finden. Mehr als zwei Drittel von ihnen glauben, bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Bezahlung des Personals würden Abhilfe schaffen. Ihre eigene wirtschaftliche Situation bewerten dagegen 86 Prozent aller befragten Ärzte als gut oder sehr gut.
Laut Köcher schätzten die Bürger die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems vor allem deswegen überwiegend positiv ein, da sie zurzeit nicht mit gesundheitspolitischen Debatten behelligt würden. »Werden Reformen angekündigt, fürchten sich die Menschen vor Verschlechterung«, so Köcher. Neuerungen stehen die Befragten denn auch eher skeptisch gegenüber: Nur noch 47 Prozent halten es für nötig, dass das Gesundheitssystem umfassend reformiert wird. 2009 waren es noch 65 Prozent gewesen.
Eine knappe Mehrheit der Befragten ist für eine Bürgerversicherung. Der Vorschlag, die Kassen selbst über ihre Beitragssätze entscheiden zu lassen, findet dagegen keine Mehrheit. /