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Organtransplantation ohne Abstoßung

28.01.2008  13:17 Uhr

Organtransplantation ohne Abstoßung

Von Hildegard Tischer

 

Bislang lässt sich die Abstoßung transplantierter Organe nur durch lebenslange Immunsuppression verhindern. Neue Studien lassen jedoch vermuten, dass sich das Abwehrsystem des Empfängers mithilfe von Stammzellen des Spenders besänftigen lässt.

 

Seit Jahren arbeiten Transplantationsmediziner an Strategien, um die Abstoßung transplantierter Organe zu verhindern. In drei voneinander unabhängigen Studien, die das Fachmagazin »New England Journal of Medicine« (NEJM) Ende Januar veröffentlicht hat, sind sie ihrem Ziel ein Stück näher gekommen. Forscher der Universität Sydney berichten von einem neunjährigen Mädchen, das wegen einer Hepatitis eine fremde Leber erhalten hatte. Durch die Erkrankung zusammen mit einer weiteren Virusinfektion und den Immunsuppressiva stand das Abwehrsystem des Kindes vor dem Zusammenbruch. Daher konnten Immunzellen, die sich aus Stammzellen der Spenderleber gebildet hatten, dessen Funktion übernehmen. Die Leberzellen waren anscheinend ins Knochenmark gewandert und hatten das Immunsystem des Organspenders in dem fremden Körper aufgebaut. Die kleine Patientin hatte sogar die Blutgruppe des Spenders angenommen. Sie lebt seit inzwischen vier Jahren ohne Immunsuppression, berichten die australischen Forscher um Michael Stormon im »NEJM« (Band 358, Seiten 369 bis 374).

 

Die bei diesem Kind spontan entstandene Situation führten Mediziner der Stanford-Universität in Kalifornien bei ihrem Patienten absichtlich herbei. Mittels Strahlenbehandlung und Medikamenten zerstörten Samuel Strober und seine Kollegen die T-Zellen eines Patienten, der die Niere seines Bruders erhalten sollte. Zusammen mit der Niere bekam der heute 53-Jährige eine Bluttransfusion, die mit Blutstammzellen seines Bruders angereichert war. Er entwickelte daraufhin ein gemischtes Immunsystem, das aus eigenen und Spenderzellen besteht. Sechs Monate nach der Operation konnte er die Immunsuppressiva absetzen und erfreut sich bester Gesundheit, berichten die Studienautoren (NEJM, Band 358, Seiten 362 bis 368). Bei nicht verwandten Studienteilnehmern war dieses Verfahren zuvor gescheitert.

 

Ebenfalls ein gemischtes Immunsystem erzeugten Mediziner um David Sachs vom Massachusetts General Hospital. Zur Vorbereitung hatten auch sie die T-Zellen der fünf Empfänger reduziert, dazu aber noch deren Knochenmark teilweise zerstört. Gleichzeitig mit der Fremdniere erhielten die Patienten dann Knochenmark des jeweiligen Spenders, der in keinem der fünf Fälle mit dem Empfänger verwandt war. Vier der fünf Empfänger tolerierten die neue Niere sofort und benötigen bis heute keine Immunsuppressiva. Allerdings finden sich in ihrem Blut keine Immunzellen des Spenders mehr. Warum ihr Körper die Fremdniere trotzdem duldet, wissen die Forscher nicht (NEJM, Band 358, Seiten 353 bis 361). Eine größere Studie ist geplant. Strober schätzt, dass das Verfahren in fünf bis zehn Jahren breit eingesetzt werden könnte.

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